FDP oder der Letzte macht das Licht aus

Ein Politiker, den kein Bürger kennt, tritt zurück wegen eines Papiers, das keinen Bürger interessiert, um eine Partei zu retten, die kein Bürger braucht. Die Freien Demokraten brauchen gar keinen politischen Gegner mehr. Sie sind sich selbst ihr schlimmster Feind.

Bijan Djir-Sarai tritt als FDP-Generalsekretär zurück, Berlin, 29.11.2024

Genau 46 Sekunden hat Bijan Djir-Sarai gebraucht, um auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz seinen Rücktritt zu erklären. Dann verschwand der FDP-Generalsekretär so schnell, wie er gekommen war. Nachfragen wurden nicht zugelassen.

Aber was hätten die Journalisten auch fragen sollen? Es war ja sowieso schon alles bekannt: Der gebürtige Iraner hatte noch am Donnerstag vehement bestritten, dass seine Leute in einer Art Planspiel schriftlich einen möglichen Bruch der Ampel-Koalition durchgespielt und dabei Begriffe wie „D-Day“ und „offene Feldschlacht“ benutzt haben.

„Das ist falsch. Und das, was medial unterstellt wird, ist eine Frechheit“, empörte sich Djir-Sarai bei n-tv. Allerdings war das, was medial unterstellt wurde, weder falsch noch eine Frechheit, sondern wahr. Wenig später sah sich die Partei dazu genötigt, das Papier, das es angeblich gar nicht gab, selbst zu veröffentlichen.

Eine Demütigung für den Generalsekretär.

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Neben den genüsslichen, aber erwartbaren Angriffen des politischen Gegners wuchs binnen weniger Stunden etwas unerwartet auch der innerparteiliche Druck schier ins Unermessliche. War dem Chef der Parteizentrale das Papier bekannt gewesen? Dann hätte er öffentlich gelogen und wäre dabei ertappt worden. Oder kannte er es wirklich nicht? Dann wäre das brisante Planspiel ohne sein Wissen erarbeitet worden – ein klarer Beweis dafür, dass er seinen Laden nicht im Griff hat.

So oder so: Djir-Sarai war nicht zu halten.

Mit ihm riss der liberale Furor gleich noch seinen wichtigsten Mitarbeiter in den Abgrund: Auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann gibt – ganz sicher nicht freiwillig – sein Amt auf. Keine 100 Tage vor der vorgezogenen Bundestagswahl stehen die Liberalen jetzt ohne die fest eingeplanten wichtigsten Wahlkampfmanager da.

Der geschasste Generalsekretär und sein Geschäftsführer sind Bauernopfer, wie sie im Handbuch der politischen Intrige stehen: Sie sollen den allgemeinen Ärger über das „D-Day-Papier“ auf sich ziehen und damit von Parteichef Christian Lindner ablenken. Wenn das überhaupt funktioniert, dann nur innerhalb der liberalen Blase – denn außerhalb der Partei sind Djir-Sarai und Reymann ohnehin so gut wie unbekannt.

Derweil führt die zweite Reihe der Partei vor, weshalb sie nach allen aktuellen Umfragen den Sprung in den nächsten Bundestag recht sicher verpassen wird.

Da sind jene, die sich jetzt durch Nachtreten einen schlanken Fuß machen wollen. Die Vorsitzende der FDP-Jugendorganisation, Franziska Brandmann, war natürlich bei allen wesentlichen Strategiesitzungen der Parteispitze dabei. Doch jetzt kann sie sich gar nicht schnell genug distanzieren: „Ich wurde getäuscht“, behauptet sie. Das kritisierte Papier sei „einer liberalen Partei unwürdig“.

Zur Erinnerung: Brandmann betreibt beruflich eine Agentur, die Politikern dabei hilft, angebliche Schmähungen von Bürgern im Internet aufzuspüren und anzuzeigen. Diese Merkantilisierung der Meinungsunterdrückung empfindet Brandmann nicht als unwürdig. Die Umbenennung der „Jungen Liberalen“ in „Junge Denunzianten“ steht vermutlich unmittelbar bevor.

Weiter sind da jene, die kritische Geister und eine eigene Meinung auch innerhalb der Partei endgültig ausmerzen wollen. Zuvorderst ist da Bettina Stark-Watzinger zu nennen, ihres Zeichens FDP-Landesvorsitzende von Hessen.

Fördergeld-Affäre
Warum verpasst die Bildungsministerin ihrer Ex-Staatssekretärin einen Maulkorb?
Als Bundesbildungsministerin fiel Stark-Watzinger nur einmal auf: als ihr Haus Israel-feindliche Wissenschaftler nicht auch noch mit Steuergeld fördern wollte. Das hätte Rückgrat gezeigt und wäre ein respektabler Schritt gewesen – wenn die Dame ihn denn gegangen wäre. Tat sie aber nicht. Beim kleinsten Zeichen von Gegenwind knickte Stark-Watzinger ein und schob flugs alle Schuld auf ihre loyale Staatssekretärin, die sie auch gleich noch hinauswarf.

Das brachte Stark-Watzinger bei vernünftig denkenden Liberalen einige Kritik ein. Dafür revanchiert sich die 56-Jährige jetzt: Sie hilft kräftig dabei mit, dass die damaligen Kritiker nicht wieder als Bundestagskandidaten aufgestellt werden.

In ihrem eigenen Landesverband sorgte sie dafür, dass die tapfere und konservative Katja Adler keinen aussichtsreichen Listenplatz mehr bekommen hat. Und in Brandenburg hilft sie dabei, dass die im Land populäre und ebenfalls eher konservative Linda Teuteberg nicht wieder in den Bundestag kommt: Stark-Watzinger fördert nach Kräften einen jungen Mann, der gute Aussichten hat, Teuteberg den einzig aussichtsreichen Listenplatz abzunehmen.

Der junge Mann arbeitet zufällig in Stark-Watzingers Bundestagsbüro.

So säubert die FDP ihre Kandidatenlisten von den letzten nicht völlig stromlinienförmigen Figuren. Weitermachen wollen (und dürfen wohl auch) dagegen all jene, die für den dramatischen Niedergang der einstigen Bürgerrechtspartei maßgeblich verantwortlich sind – allen voran Parteichef Christian Lindner und sein ewiger Chef-Einflüsterer Marco Buschmann.

Man könnte noch so einiges über die illiberalste liberale Partei der deutschen Geschichte schreiben. Aber bis hierin hat dieser Text schon 5.831 Zeichen (inklusive Leerzeichen). Das sollte reichen für einen Klub, der nur noch gegen sich selbst intrigiert – und den ansonsten kein Mensch in diesem Land mehr braucht.

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Kommentare ( 35 )

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Guzzi_Cali_2
22 Minuten her

Die „P“, die keiner braucht, denn „Freiheitlich“ und „Demokratisch“ ist nicht mehr, wenn sie es denn jemals war.

Will Hunting
32 Minuten her

Ist vielleicht nicht der richtige Platz hier.
Ich schaue mir gerade auf YT den Wintereinbruch in Kalifornien an. Türkei ebenso.
Einstein hatte, wie immer, recht mit dem Universum und der Dummheit
Insofern passt es doch hierher.

Last edited 20 Minuten her by Will Hunting
Peisistratos
35 Minuten her

„… den kein Bürger kennt …“
Ist Uninformiertheit ein Argument für irgendetwas?

Ohanse
19 Minuten her
Antworten an  Peisistratos

Ersetzt Whataboutism neuerdings das Argument?

Ohanse
40 Minuten her

Ich fühle mich gut unterhalten. Wählen werde ich die trotzdem nicht.

Lesterkwelle
1 Stunde her

Schade eigentlich. Ein vernuenftiger Mann. Nur das 28-Punkte-Programm haette vor Beginn der Koaltionsverhandlungen vorliegen und als liberale Voraussetzung eingebracht werden muessen. Lindner war als Finanzminister nicht schlecht, aber Leute wie Buschmann waren untragbar. Und letzlich hat die FDP auch den irrwitzigsten Gesetzen zugestimmt

Der-Michel
1 Stunde her

Ich halte nicht viel von den Akteuren der FDP, aber wenn die angesichts der vielen offenen Streitereien innerhalb der Hampel keine entsprechenden Szenarien, auch verschriftlichte, in der Hinterhand gehabt hätten, dann wären es auch in diesem Bereich absolute Dilettanten.

Volksschauspieler
1 Stunde her

FDP hin, FDP her, erst wenn das Parteienkartell zerschlagen und der Missbrauch von Parteienmacht in Deutschland beendet ist, gibt es eine Chance, dass befreite Demokratie, echte Meinungsfreiheit und der offene Diskurs die seit vielen Jahren grassierende linke Identitäts-Ideologie endlich verdrängt, zur Revitalisierung des Gemeinwesens in der Gesellschaft.

Peisistratos
37 Minuten her
Antworten an  Volksschauspieler

Parteien haben Verfassungsrang; dann zerschlagen Sie mal schön.

Peter Pascht
12 Minuten her
Antworten an  Peisistratos

Erzählen sie keinen unwissenden Unsinn !!!
Den sie von Pateilügnern gehört haben.
Parteien haben keinen Verfassungsrang !!!
GG: „Partein wirken (sekundär) an der politischen Willinsbildung des Volkes (primär) mit. Ihre Bildung ist frei.
Parteien muss es also lt. GG nicht geben, es daf sie geben.

Lafevre
1 Stunde her

Ein starke liberale Partei wäre schon toll. Die müsste allerdings knallhart gegen alles sein, was nach Islamismus aussieht, wenn sie als liberal ernst genommen werden will.

merkelinfarkt
23 Minuten her
Antworten an  Lafevre

Haben wir. Aber „FDP“ heißt sie nicht.

Micky Maus
1 Stunde her

Hätte Lindner von Anbeginn soviel Rückgrat gezeigt wie damals als er sagte „lieber nicht regieren als falsch regieren“ und hätte dieser Regierung das Vertrauen verweigert (Aufkündigung der Koalition), brauchte die FDP sich jetzt nicht für ihre Lügengeschichte zu entschuldigen. Wer hoch pokert, kann tief fallen. Lindner hat den Untergang seiner Partei in die Bedeutungslosigkeit selbst zu verantworten. Wie heißt es noch, „Man erntet das, was man sät“

JPP
1 Stunde her

Der Wokismus hat die FDP dahingerafft und die SPD mehr als halbiert. Die CDU/CSU wird das nächste Opfer. Wer sich mit dem grünen Teufel einlässt, der wird eben auf das grüne Minimum zusammengeschrumpft. So weit – so bekannt. Wo aber gehen eigentlich die ganzen Nicht-Grünen hin? Bei den Wählern ist es offenkundig: Der Großteil wählt die grünen Sozen und die grünen Schwarzen im ÖRR-verblendeten Dämmerschlaf brav weiter; das grüne Original wird aus voller Überzeugung gewählt. Der Rest wählt wohl AfD oder (noch zumindest) BSW. Aber wo sind denn auf der politischen Seite die ganzen Liberalen, Konservativen und Rechten hin? Wohl… Mehr