Fachkräftemangel: das Schweigen über Geburtenrate und Migrantenstruktur

In der Öffentlichkeit ist eine Debatte über den Mangel an Arbeitnehmern entbrannt. Doch der Elefant im Raum bleibt unerwähnt: die zu geringe Geburtenrate der Deutschen. Stattdessen setzen Politiker und Journalisten lieber auf andere Gegenmittel.

„Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren“, erklärte Detlef Scheele kürzlich in einem Interview. Der Chef der Arbeitsagentur fuhr fort: „Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: es werden überall Fachkräfte fehlen.“

Auch der SWR kennt offenbar bloß eine Lösung gegen fehlendes Personal. „Der Fachkräftemangel macht Druck – wie kann Arbeitsmigration besser klappen?“, fragte der öffentlich-rechtliche Sender. Und die Bundesregierung will an gleich mehreren Stellschrauben drehen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Man wolle die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren erhöhen, heißt es in einer Mitteilung über die „Strategie zur Sicherung von Fachkräften”. Außerdem müsse man Zuwanderung aus dem Ausland fördern und das „Potenzial von Geflüchteten“ nutzen.

Doch bei all den Vorschlägen bleibt eine offensichtliche Lösung außen vor – offenbar aus ideologischen Gründen. Es müssten einfach mehr Kinder in Deutschland geboren werden. Das würde zwar nicht sofort, aber auf mittlere und längere Frist den Fachkräftemangel abmildern. Doch die politischen Entscheider tun eher alles dafür, dass die Geburtenrate schrumpft, die zuletzt bei 1,53 Kindern pro Frau lag.

Etwa ziehen sie die Steuerschraube für junge Familien weiter an. Der Deutsche Familienverband berichtete im Februar, dass eine vierköpfige Familie mit 35.000 Euro Jahreseinkommen bereits 270 Euro für das Existenzminimum fehlt – nach Steuern und Abgaben. „Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Lage für Familien 2020 erneut verschlechtert”, erklärte der Präsident des Verbands Klaus Zeh. „Durch eine familienblinde Abgabenregelung verschärfen die Sozialabgaben das Armutsrisiko von Eltern und ihren Kindern.” Grund seien vor allem die hohen Beiträge für die Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung. Der Staat müsse mit Freibeträgen pro Kind verhindern, dass Familien unter das Existenzminium fielen, forderte Zeh. Die Freibeträge dürften nur für die Dauer der Unterhaltspflicht gelten. Das stelle sicher, dass der Freibetrag keine Belohnung fürs Kinderkriegen sei, sondern die wirtschaftliche Bedeutung des Kindererziehens für die Sozialsysteme widerspiegele.

Doch nicht bloß hohe Steuern und Abgaben, sondern auch die lockere Geldpolitik der EZB schadet Familien. Seit den Siebzigerjahren, als die USA die Goldbindung des US-Dollars aufkündigten, hat die Ungleichheit der globalen Vermögen und Einkommen enorm zugenommen. Die Zentralbanken haben massiv ungedecktes Geld auf die Märkte gepumpt und die Währungen entwertet. Das führt zu Blasen bei Vermögensgütern wie Aktien oder Immobilien und macht tendenziell die Reichen reicher und die Armen ärmer. Gerade junge Menschen fällt es schwer, Vermögen angesichts von Inflation, hoher Mieten und Steuern aufzubauen.

Der VWL-Professor Gunther Schnabl berichtet etwa in einem Fachaufsatz, wie die massive Geldschöpfung der japanischen Notenbank die dortige Geburtenrate dämpft. Die realen Löhne würden unter Druck geraten, weil Unternehmen aufgrund geringerer Finanzierungskosten weniger Anreize hätten, Innovationen einzuführen und die Produktion effizienter zu gestalten. Besonders betroffen seien junge Menschen. „Für die Älteren bleiben trotz der schleichenden Krise das Lohnniveau hoch und die Arbeitsplätze sicher“, schreibt Schnabl. „Für die, die neu oder wieder in das Arbeitsleben eintreten, wird abgespeckt.“

Die perverse Folge: Viele junge Japaner würden sich auch infolge der ultralockeren Geldpolitik aus dem Heiratsmarkt zurückziehen – aus Angst, die materiellen Ansprüche potenzieller Partnerinnen nicht erfüllen zu können. „Sie bleiben – von der Gesellschaft gebrandmarkt – als sogenannte ‘Parasitensingles’ bei den Eltern zurück“, schreibt Schnabl, der das Leipziger Institut für Wirtschaftspolitik leitet.

Indes geht auch der einseitige Fokus auf die Zuwanderung fehl. Viele Einwanderer sind gerade keine Hochqualifizierten, sondern Niedrigverdiener oder Ungelernte. Der Anteil von Ausländern an den Hartz-IV-Empfängern ist deutlich gestiegen, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage zeigt. Waren im Jahr 2007 noch 18 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Ausländer, sind es inzwischen rund 33 Prozent. Insgesamt bezogen sie Arbeitslosengeld im Umfang von 13 Milliarden Euro. Dagegen verlassen hochqualifizierte Deutsche das Land. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche wandern vor allem IT-Fachleute aus. Gerade diese Gruppe dürfte es besonders einfach haben, Deutschland zu verlassen und anderswo zu arbeiten.

Laut Bundeswirtschaftsministerium finden Unternehmen vor allem in bestimmten Branchen und Regionen kein Personal. Besonders betroffen seien das Handwerk, die Metall- und Elektronikindustrie, die Altenpflege und MINT-Berufe (Mathematik, Naturwissenschaft und Technik). Die Engpässe verschärften sich vor allem in Süddeutschland und den neuen Bundesländern. Laut dem Arbeitsmarktreport 2020 der DIHK klagen 47 Prozent der Unternehmen darüber, dass sie offene Stellen auch längerfristig nicht besetzen können.

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Kommentare ( 163 )

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Innere Unruhe
3 Jahre her

Das, was Sie beschreiben, ist ein sozialistisches Prinzip: jedem nach seinen Bedürfnissen, von jedem nach seinem Können.
D.h. es ist egal, was jemand verdient. Wenn er etwas benötigt, soll er es bekommen. Und es ist egal, was jemand produziert – er soll alles abliefern und darf nichts behalten. Im Gegenzug bekommt er seinen Bedarf zugeteilt.

Hoffnungslos
3 Jahre her

Wir brauchen nicht mehr Menschen, wir sollten die Menschen, die wir haben besser ausbilden. Wir brauchen eine andere Ausrichtung des Bildungsstandorts Deutschland. Wir müssen die deutschen Standards wieder höher schrauben. Nicht jeder Mensch kann alles werden. Das ist einfach falsch und die Menschen wissen das. Aber jeder Mensch sollte eine möglichst qualifizierte Ausbildung bekommen. Die Schule muss wieder ein Zentrum für Bildung und Fortschritt werden. Schulen sind keine Jugendfreizeitzentren, oder Wohlfühloasen. Bildung und Wissen zu erwerben, bedeutet Anstrengung. Das muss wieder vermittelt werden.

Positivsteuerung
3 Jahre her

Der Formularaufwand für den Kindergarten pro Kind zur Berechnung des Beitrags entspricht etwa der Hälfte der Steuererklärung. Dafür wird auch sofort angerufen, das Kind möge abgeholt werden, wenn irgendwas ist. Das war in der Ex-DDR anders, die konnten mit den Widrigkeiten des Alltags souveräner umgehen und bezeichneten sich als die „Partner der berufstätigen Eltern“. Das waren sie auch. Im Westen war das nicht der Fall. Ich habe drei Kinder und meine daher, das vergleichen zu können aus 2 Kindergärten im Osten und 2 im Westen.

G
3 Jahre her

In einer Marktwirtschaft gibt es keinen Fachkräftemangel. Wenn Handwerker fehlen, müssen die Anreize erhöht werden (Löhne). Und Fehlanreize abgestellt werden (Genderquatsch, Filmförderung, Subventionen), um die nutzlose Mittelklasse etwas nützlichem zuzuführen.

K.Behrens
3 Jahre her

Mehr Nachwuchs liest sich erstmal gut, wenn es unter dem Strich nicht nur als Zahl gehandelt wird. Noch mehr 100.000 vaterlose Kinder, die Freitags unter dem Regime eines Lucas, einer Greta oder Luisa unterwegs sind, werden kaum ein modernes Kraftwerk entwickeln. Klein Lucas ist 21 Jahre, studiert Politik und Soziologie in Kiel, steht als Verantwortlicher im Impressum der FFF. Ob Lucas oder altersloser männlicher Grenzstürmer, sie müssen alle und vor allem mit Strom gefüttert werden. Möglicherweise wird in den kommenden Jahren ein Talent auf die Bühne treten, das den Energiebedarf unprätentiös und vor allem ideologiefrei gestaltet? Es bedarf also keineswegs an… Mehr

A rose is a rose...
3 Jahre her

Was wir brauchen ist eine grundlegende Umstrukturierung der Kinder- und Familienförderung: Kindergeld abschaffen. Stattdessen 2500 Euro für jedes Erstgeborene Kind für die „Grundausstattung“ und Unterstützung während der ersten Monate. Für’s zweite Kind dann noch mal 1000 Euro. Für weitere Kinder nichts mehr. Stattdessen: Stark angehobene Steuerfreibeträge für Eltern. Ausbau der Kinderbetreuung, die für ALLE umsonst ist. Förderung und Ausbildung von Tagesmüttern, damit familienartige Strukturen in Wohnortnähe der arbeitenden Eltern zur Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Ausbau und bessere Ausstattung von Kindergärten. Betreuungsschlüssel auf max. 5:1, bei unter 3-jährigen max. 2:1. Bessere Entlohnung von qualifiziertem Personal. Speziell ausgebildete Kinderpflegekräfte, die direkt vorort… Mehr

Angelina
3 Jahre her

Das Problem des Nachwuchsmangels ist sehr vielschichtig. Man darf nicht vergessen, dass früher (50er oder 60er Jahre) auch viele nicht gewünschte Kinder geboren wurden. Man hat das irgendwie hingekriegt, mit wenig Geld und beengtem Wohnraum, so erzählen oft Verwandte, die diese Zeit mit erlebt haben. Ergo hatte man also genug Arbeitskräfte. Da es noch kein Abitur für alle oder Orchideenstudiengänge gab, wanderten die potentiellen Schreiner oder Dreher auch nicht in selbige ab. Freitagshüpfer gab es auch nicht, und man bekam auch nicht den Nobelpreis, wenn man diese als unerlässlich für den Fortbestand des Planeten erachtete. Es regierte nicht die Betroffenheit,… Mehr

merlin999
3 Jahre her

Dieser Vortrag gehört vor den RRG Parteien gemacht, die die Familien abschaffen, weil hier die Wurzel des Narzissmus liegt Wir haben mehr als genug qualifizierte Fachkräfte ins Land geholt (Ladendiebstahl, Gewalttäter, Räuber, Vergewaltiger, organisierte Bandenkriminalität – alle hoch spezifisch qualifiziert).
Jetzt wo die Klimakrise vor der Tür steht werden sowieso genug Arbeitsplätze frei, die dann unsere Klimaschützer in NGO geförderte Therapieplätze transformieren und die oben erwähnte Gruppe denn als qualifizierte Aushilfskräfte beschäftigen kann.

Frank Sebnitz
3 Jahre her

Fällt Ihnen zu Gibraltar, Kanarische Inseln, Lampedusa, Balkan Route, polnische Grenze oder der Luftweg etwas ein?

Richtig erkannt, und auch weiterhin kommen unzählige angebliche Fachkräfte völlig ungefragt gerannt!

Nein, Richtung Albanien eher nicht!

Ego Mio
3 Jahre her

Das Problem ist (in der Hauptsache) auch nicht der Kindermangel, sondern eine Form von Wählerkauf bei gleichzeitigem Verzicht auf Produktivitätssteigerungen und Innovation. Wir steuern nicht auf einen gesteigerten Fachkräftmangel zu sondern auf erhöhte Massenarbeitslosigkeit und die Verarmung breiter Schichten dieser Gesellschaft. Zwar gibt es gerade einen temporären Mangel an z.B. Handwerkern aber das liegt daran, dass man den Kindern Abitur und Studium hinterherschmeißt und fehlsubventioniert. Gleichzeitig werden Ältere in die Frühverrentung gelockt. Dazu tritt der Staat immer öfter als Konkurrent um Lehrlinge und Arbeitnehmer auf. Dann muss man ehrlich diskutieren, wie es sein kann, dass man angeblich vor Corona eine… Mehr