Wie sich der Deutsche Ethikrat zur Verbotsgouvernante mausert

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates Alena Buyx will den Bürger auch am Kochtopf nicht alleine lassen. Dahinter steht die alte, freiheitsfeindliche Forderung der 68er: „Das Private ist politisch“.

IMAGO / teutopress
Alena Buyx am 13. Juli 2021 in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz

Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis. Jeder kennt so etwas und war womöglich oft genug Opfer dieser zumeist zeitfressenden Einrichtungen, die vonseiten der Initiatoren zwei mögliche Motive haben können: Entweder eine Entscheidung durch Zerreden so lange hinzustrecken, bis sich keiner mehr an den Zweck des Arbeitskreises (heute besser: der „Taskforce“) erinnert. „Aber immerhin gut, dass wir einmal darüber geredet haben!“ Oder man will sich mit einem – willfährig zusammengesetzten und einem einzelnen Alibi-Motzer bestückten – Arbeitskreis das Mäntelchen der Offenheit für Dispute umzuhängen, um danach umso direktiver eine längst getroffene (oder politisch bestellte) Entscheidung zu exekutieren.

Die Steigerung solcher Arbeitskreise sind Kommissionen, vor allem Ethikkommissionen. Immer mehr Firmen, Universitäten, Ministerien, Parlamente, Regierungen schmücken sich damit. „Räte“ heißen sie oft genug. Dass hier die Assoziation zur „Räterepublik“, also zu einer „Sowjetisierung“ von Politik naheliegt, ist nicht von der Hand zu weisen. Im Russischen heißt „Rat“ ja „Sowjet“ (сове́т). Wenigstens am Rande sei erwähnt: „Räterepublik“ bedeutet auch Entparlamentarisierung der Politik und Aufhebung der Gewaltenteilung.

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Sozusagen die Champions League aller deutschen Räte ist der Deutsche Ethikrat. Dieser wurde erstmals 2001 (damals noch als „Nationaler Ethikrat“) eingerichtet. Seit 2008 heißt er Deutscher Ethikrat. Besetzt ist er mit 26 Mitgliedern vor allem aus dem wissenschaftlichen Bereich, aber auch aus den Kirchen. Berufen werden die Mitglieder des Ethikrates vom Bundestagspräsidenten für vier, maximal acht Jahre. Laut Ethikratgesetz von 2007 hat dieser Rat den Auftrag, „ethische, gesellschaftliche, naturwissenschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen für Individuum und Gesellschaft, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen ergeben“, zu „verfolgen.“

Der Ethikrat nimmt sich jedes Jahr im Rahmen einer Jahrestagung eines (vermeintlich?) großen Themas an. 2021 tat er dies mit dem Thema „Wohl bekomms! Dimensionen der Ernährungsverantwortung

Das war am 23. Juni 2021. Nun ist diese Jahrestagung wohl auch wegen Corona unter der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle geblieben. Deshalb hat sich die Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien an der TU München, am 13. September mit einem langen Interview zum Thema Ernährung zu Wort gemeldet. Dieses Interview hat es in sich: wegen der zum Teil verquasten Diktion, vor allem aber auch wegen der offen erkennbaren politischen Absichten.

„Essen ist nicht nur Privatsache“

Fangen wir mit der Diktion an: Hier wimmelt es von Begriffen wie „gesundheitsförderndes Nudging“, „Multiakteursverantwortung“, „Social Media Influencing“, „Multikausalität“, „libertärer Paternalismus“, „adipogene Umgebungen“, „Entscheidungsarchitekturen“, „Schutzverpflichtung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern“, „professionelle Ernährungstherapie“, „Eat food. Not too much. Mostly plants.“

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Alles klar? Ja, es ist alles klar. Hinter den Protzbegriffen steckt nämlich nichts anderes als eine Entmündigung der Menschen – konzentriert in dem Satz „Essen ist nicht nur Privatsache.“ Das klingt wie die Programmatik der grünen und ergrünten Verbotsparteien. Vegan soll man leben, mindestens vegetarisch! Kein Fleisch mehr, denn sonst sterben der Regenwald und die Eisbären! Wegen CO2 und so! Das sagt die Ratsvorsitzende zwar nicht, aber die vegane Anhängerschaft.

Und damit ist die Richtung klar. Frau Alena Buyx will erziehen, ökotrophologisch und „grün“. Ja, erziehen! Sie sagt denn auch noch: „Hier finde ich das Modell des libertären Paternalismus interessant.“ Was Paternalismus mit „libertär“ zu tun hat, wissen wir zwar nicht. Und dass Paternalismus gendergerecht mindestens auch „Maternalismus“ heißen müsste, lassen wir ebenfalls beiseite. Frau Buyx will offenbar ein „gesundheitsförderliches Nudging durch den Staat“, auch wenn sie sich gegen die „teils aufgeregte Diskussionen“ darum mokiert. „Volkswagen“ ist ja schon so weit. Dort gibt es in einigen Kantinen kein Fleisch und damit keine Currywurst mehr. Brav, ihr „Volks“-Erzieher! Frau Buyx nimmt sich denn auch die Betriebskantinen zur Brust. Sie sieht die Betriebe in einer Schutzpflicht wie bei Arbeitsschutzvorgaben zur Unfallverhütung. Essen also ein Unfall?, möchte man fragen.

Das Private wird mehr und mehr politisch

Alles in allem: Man fühlt sich angesichts solcher Ausführungen an die Ideologie der 68er erinnert. „Das Private ist politisch“ hieß der Slogan damals. Damals ging es vor allem um die Politisierung und Entprivatisierung der Sexualität. Der Christopher Street Day (CSD) und anderes mehr sind Spätfolge dieser Bewegung. 

Nun also kommt die Entprivatisierung und Politisierung urpersönlicher Verhaltens- und Erlebnisweisen: Mit der fortschreitenden Verstaatlichung von Erziehung wurden die Eltern entmündigt. Mit „Corona“ wurde das Thema Gesundheit entprivatisiert und politisiert. Mit dem Thema „Klima“ wurden alle möglichen Lebens- und Konsumgewohnheiten an den Pranger gestellt. Jetzt ist das Essen d’ran. Was kommt als Nächstes? Dass ein „Umweltberater“ in die Kochtöpfe oder die Einkaufstaschen schaut? Dass es je nach – bargeldlosem -– Einkaufsverhalten „social scores“ wie jetzt schon in Chinas „Social Credit System“ gibt oder solche entzogen werden? 

Dystopische Aussichten – schön verkleidet hinter dem dialektisch verräterischen Begriff eines „libertären Paternalismus.“

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Kommentare ( 127 )

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Michael M.
3 Jahre her

Völlig überflüssige Geschwätzwissenschaften, mehr Worte muß man zu solchen geistigen Ergüssen nun wirklich nicht verlieren.
Für diesen seltsamen Rat (am besten den Lehrstuhl der Dame gleich mit dazu) bleibt nur eine Lösung, Abschaffen aber zz (ziemlich zügig).

Last edited 3 Jahre her by Michael M.
Bernhard J.
3 Jahre her

Thomas Mann schrieb 1934 in einem insbesondere heute wieder lebenswerten Aufsatz „ACHTUNG, EUROPA!“: „Ich wiederhole, daß der europäische Kulturschwund nicht erst durch den Krieg erzeugt, sondern durch ihn nur beschleunigt und verschärft worden ist. Nicht der Krieg erst hat die Riesenwelle exzentrischer Barbarei und primitiv-massendemokratischer Jahrmarktsrohheit aufgeworfen, die über die Welt geht; nur gehoben hat er sie und ihre brutale Wucht verstärkt, wie er den Niedergang, das Absterben von sittigenden und gültig- strengen Begriffen wie Kultur, Geist, Kunst, Idee nicht bewirkt, sondern nur beschleunigt hat. Das sind Begriffe aus Bürgerzeiten, idealistisches Gerümpel aus dem neunzehnten Jahrhundert. Und in der Tat… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Bernhard J.
Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  Bernhard J.

Ist es richtig, die Massen, das Volk, für Barberei und Kulturlosigkeit verantwortlich zu machen? Es bedarf immer nur wenige Menschen, die durch Angst und Schrecken die Menschen in eine willfährige Herde verwandeln, die zu führen, sie sich das Recht nehmen. Ist die Herde in Panik versetzt, trampelt sie in ihrer Angst alles nieder. Daher ist die freie, offene, öffentliche Rede der dringend notwendige Baustein einer Gesellschaft des Rechtes. Niemand muss in einem freien Land Konsequenzen tragen für sein offen gesprochenes ehrliches Wort. Diktaturen regieren mit Angst und Schrecken, verbreiten Panik. In Diktaturen herrscht das Schweigen. Zu einem freien Land gehört… Mehr

Johann Thiel
3 Jahre her

Wer sich einen „Ethikrat“ leistet, versucht nur das zu kaschieren, was er in Wahrheit bitter nötig hat, aber weder Willens noch in der Lage ist, es zu erreichen.
Das ist so ähnlich wie die „Europäischen Werte“, die „Ehre der Mafia“ oder „Islam heißt Frieden“.

Eine Nummer kleiner geht’s dann weiter mit Qualitätsmanagement zertifizierten Unternehmen, alle Arten von Bio- und Ökostempeln und wer je das Vergnügen hatte, Unternehmen kennenzulernen, die sich auf „die Werte hanseatischer Kaufleute“ berufen, winkt beim nächsten Mal dankend ab.

Physis
3 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Einen Ethikrat hatten die Deutschen schon einmal.
Das hiess dort allerdings Propagandaministerium und von dort wurde auch befohlen erzählt, wie man sich rein ethisch in der Volksgemeinschaft zu verhalten hatte.
Für alles andere hatte man den Reichstag.
Und der heisst heute immer noch so… 😉

Kassandra
3 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Es scheint eine Abteiung des Orwellschen „Wahrheitsministeriums“.
Merkel und die ihren haben alles wunderbar bedacht, um uns ins Nirwana zu nudgen.

Illidan
3 Jahre her

Frau Buyx ist ja qua Lehrstuhl bereits gezwungen, das private Menschliche durch die Brille der Technokratie zu betrachten. Interessanter für mich ist, wieso solche Ideen soviel Anklang finden. In meiner Generation der Mittzwanziger – ein Alter, in dem Menschen die Energie entwickeln, ihr künftiges Leben vorzubereiten – wird sehr viel dieser Energie bereits darin gesteckt, so zu Leben, dass man 100 erreichen kann. Dazu gehört vor allem Sport zu machen, und den Büchern irgendwelcher Experten zu vertrauen, die doch ähnliches schreiben wie das, was Frau Buyx fordert. Die Wissenschaft hat sie somit schonmal auf ihrer Seite. Paradox an dieser Obsession… Mehr

Physis
3 Jahre her
Antworten an  Illidan

Menschen, die Medizin UND Philosophie/Soziologie studiert haben sind mir ohnehin suspekt!
Aber wahrscheinlich hat sie sich dabei versprochen, die Unmöglichkeit einer Behandlung besser/anders erklären zu können. Man weiss es nicht.

Physis
3 Jahre her

Kann es sein, dass ich schon wieder etwas falsch verstanden habe? Ich meine nämlich, dass ein Ehtikrat doch eigentlich die Politik ob der zu treffenden Entscheidungen sanft „überwachen“ sollte. Aber was erleben wir? Dieser Ethikrat nickt ganz offensichtlich nur ab, was der gemeine Mensch regelmässig als Repressalie empfindet und entschuldigt das quasi! Und Frau Buyx selber kommt mir so vor, als wolle sie mir ihre mit dem Löffel gefre…. Weisheit überstülpen, anstatt mir zu erklären, was sie als ethisch vertretbar hält. Mit dem eigentlich „wertvolleren“ Begriff Moral hat das nichts mehr zu tun, zumal die Ethik nur ein Teilbereich der… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Physis
Henni
3 Jahre her

Ich nenne das betreutes Denken. 26 Menschen denken und machen indirekt Politik für 80 Millionen. Von den 80 Millionen Deutschen sind mindestens 2% hochbegabt, also ca. 800 Tausend. Aufgerundet denken 26 Menschen für mindestens genauso intelligente 1 Million Menschen mit. Das alleine entlarvt schon diesen Betrug am Bürger. Wer beruft eigentlich diese 26 Elemente ein? Repräsentieren, also bilden diese 26 Herrschaften auch die Putzfrau, den Arzt, die Ingenieure, alle jungen und sehr jungen Menschen, die Rentner, die Arbeiter, die Ausländer, die Religionen, die Unternehmen, alle Parteien im Land ab? Oder ist das wieder einmal so ein einseitiger Verein mit klarer… Mehr

Physis
3 Jahre her
Antworten an  Henni

Ganz richtig! Denn Ethik kann von jedermann ganz unterschiedlich gewertet werden. Warum also 26 Mitglieder? Gibt es etwa 26 Tugenden, die hier vertreten werden sollen, um die Ethik in Gänze ab zu decken?
Na, dann können wir uns den „Club der 709“ in Berlin ja eigentlich gleich sparen, oder?
Aber leider passt es (nur) zur Ethik dieser Postenschacherer, die es sich recht gut in diesem „besten Deutschland, welches wir jemals hatten“ eingerichtet haben…!

Nibelung
3 Jahre her

Die deutsche Wiedervereinigung war Segen und Fluch zugleich, denn damit hat sich die SED in die Gesellschaft hinein gefressen und sich auch wiedervereinigt was zusammengehört, nämlich alle roten und grünen Halunken die nun gemeinsame Sache machen und das mit sichtbarem Erfolg, wie man sieht. Der damals entstandene Enthusiasmus hat die Gefahren übertüncht und mit den freiheitsliebenden kamen auch die Altkader des Arbeiter -und Bauernstaates zu uns und die sind seit über 15 Jahren dabei alte SED- Werte hochzuhalten und da sich alle Kommunisten und Sozialisten in dieser Frage einig sind, muß man sich doch nicht wundern wenn die nun Erfolg… Mehr

peer stevens
3 Jahre her
Antworten an  Nibelung

…und wieviel Zeit sollte man mitbringen, um ein Ende des erkennbaren Schwachsinns zu sehen
…vielleicht die uns zur Genuege bekannten 12 Jahre oder die ca. 70 Jahre des anderen?

Johann Thiel
3 Jahre her
Antworten an  Nibelung

Danke für diesen Kommentar, der ein so gut wie nie behandeltes Tabu benennt – die gesellschaftlichen Gefahren durch die Wiedervereinigung mit einem sozialistischen Unrechtsstaat. Schon damals bis heute ein ähnliches Tabu wie die Zuwanderung aus islamischen Ländern.

andreask90
3 Jahre her

Ich hatte das gestern schon erklärt: „Libertärer Paternalismus“ kommt aus den USA und wird von den Demokraten dort betrieben. Der Begriff „libertär“ wurde einfach für ihre Absichten umdefiniert, wie das heute so üblich ist. Dass er mit der alten Bedeutung nichts mehr gemein hat, spielt da keine Rolle.

Wolfgang Richter
3 Jahre her

Gibts auch für diese unnützen Labertaschen keinen ehrlichen Brotjob mehr in unserer Wirtschaftsordnung? Wenn Hilfsdienste im Handwerk oder „Pflege“, wo ja angeblich reichlich Personalbedarf besteht, intellektuell zu hoch gegriffen sind, irgendwas mit Putzen oder Müllsammeln wird doch wohl gehen, auf jeden Fall Nützliches für die Gesellschaft sollte es sein.

Aljoschu
3 Jahre her

Man fühlt sich angesichts solcher Ausführungen an die Ideologie der 68er erinnert. „Das Private ist politisch“ hieß der Slogan damals.“ – Angesichts dieser zunehmend übergriffigen linksgrünsiffigen Zudringlichkeit fühle ich mich an den einzig helfenden Slogan der 68er erinnert: „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“