Erdogan ist der Anführer der islamistischen Bewegung

Islamistische Anschläge sind per se keine Einzeltaten, sondern solche einer Bewegung. Die neuen Ereignisse in und um Frankreich zeigen, dass Erdogan der Anführer dieser Bewegung ist. Eine neue Terrorsituation.

imago Images

Wieder „Allahu Akbar“. Wieder eine Enthauptung in Frankreich – diesmal war das Opfer eine siebzigjährige Frau in einer Kirche in Nizza. Insgesamt gibt es drei Tote und mehrere Verletzte. Und wieder wird von einer Einzeltat gesprochen, da es sich um einen Täter handelt. Doch wer glaubt, dass solche islamistischen Attentate Einzeltaten sind, der irrt gewaltig. Es handelt sich um einzelne islamistische Attentate, die aber in einer islamistischen Bewegung eingerahmt sind. Jede islamistische Tat ist eine Tat der islamistischen Bewegung.

Samuel Patys Enthauptung wurde von einem Täter ausgeführt. Doch dieser Mord wurde lange vorbereitet: Einerseits durch islamistische Hintermänner, die als Anstifter fungierten; andererseits durch die ideologische Verbreitung eines radikalen, politischen Islams in Europa und weltweit. Jede islamistische Tat steht ideologisch in Verbindung zu islamistischen Strömungen, die in Europa in Strukturen und lnstitutionen organisiert sind. Im Fall Samuel Paty stand der Anstifter der Muslimbruderschaft und Hamas nahe; er hatte selbst ein Kollektiv gegründet, das islamistische Ideologien und Hass verbreitete. 

Islamistische Bewegung auf einen Höhepunkt

In Europa ist das Bewusstsein dafür verloren gegangen, dass „Islamismus“ eine Bewegung ist. Wie groß und selbstbewusst diese Bewegung geworden ist, zeigt sich sowohl durch Proteste als auch durch terroristische Anschläge. Wegen Emmanuel Macrons neu eingeschlagener Politik gegen den Islamismus, seiner Verteidigung von Mohammed-Karikaturen, wegen die offiziellen Ehrung des Opfers Samuel Paty und wegen der provozierenden Erdogan-Karrikatur von Charlie Hebdo wurden in einem großen Ausmaß Boykottaktionen und Proteste gegen Frankreich ausgelöst. In arabischen Ländern wurden massenhaft französische Produkte aus den Regalen entfernt. Einige arabische Handelsverbände schlossen sich dem Boykott an. In Pakistan, Bangladesh, Jemen, Syrien, Algerien, Jordanien, Türkei, Irak, Saudi-Arabien, Iran, Indonesien, ja auch in Deutschland und weiteren Ländern kam es zu Protesten gegen Macron. 

Gastbeitrag von Sylvia Pantel, MdB
Wir müssen die Islamismusbekämpfung von der Integrationspolitik trennen
In der islamischen Welt werden gerade französische Flaggen und Waren verbrannt; Hass gegen Macron, gegen das westliche Frankreich auf der Straße, in sozialen Netzwerken und Medien geschürt. Es sind Rufe wie „Wir sind die Armee Mohammeds“ – so in Aden im Jemen -, die zur Rache an Macron und „Ungläubige“ in Frankreich aufrufen. In Berlin riefen die Protestierer „Alluha Akbar“ gegen Macron und Mohammed-Karikaturen. Das was in der islamischen Welt und in Europa gerade passiert, ist eine radikal-islamische Bewegung, die immer selbstbewusster wird. Auf  Protestmärschen im Jemen zum Beispiel wurden Bilder des Mörders von Samuel Paty herumgetragen und er als „Verteidiger Gottes und Märtyrer“ geehrt. Spätestens jetzt müsste klar sein, dass es sich um eine islamistische Bewegung handelt, die sich auf einen Höhepunkt befindet, der sich in terroristischen Anschlägen offenbart. Der neue Anschlag in Nizza ist keine „Nachahmung“ einer „Einzeltat“, sondern es ist eine direkte Folgetat auf eine Tat. Beide sind Teil der islamistischen Bewegung, welche seit Jahrzehnten in Europa wächst. 

Erdogan als Anführer der islamistischen Bewegung

Doch diese gegen Frankreich gerichtete Eskalation auf den Straßen, in Handelsmärkten oder in den Medien wurde erst ausgelöst durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Erst nach seinen Hassreden gegen Macron fanden Proteste überhaupt statt. Frankreich und Europa stellte er als islamfeindlich dar, was dort  offizielle Politik geworden sei und sprach von einer „Verfolgung von Muslimen“. Auch war es Erdogan, der erst zum Boykott französischer Waren aufrief. Er hat ergo zu Protesten der islamistischen Bewegung aufgerufen. 

Dass diese islamistische Bewegung Erdogan folgt, stellt keine zufällige Reaktion von radikalen Muslimen dar. Vielmehr hat sich Erdogan seit Jahren als Vorbild, gar als Anführer dieser islamistischen Bewegung etabliert. Kein anderes Staatsoberhaupt hat gegenwärtig den politischen Islam exzessiver gefördert als der türkische Präsident Erdogan. Stolz zeigt er den Rabia- und Wolfsgruß – der eine grüßt seine islamistischen Muslimbrüder, der andere die rechtsextremen Grauen Wölfe. Es ist kein Geheimnis mehr, dass er ein direkter Unterstützer der Terrororganisation Hamas ist. Unter aller Öffentlichkeit hat er den Islam als eine politische, fundamentalistische Religion in seinem Land etabliert. 

Konsequenz gefragt
Jetzt erst recht: Islamisten bekämpfen, Freiheit verteidigen
Er hat die Umwandlung der Hagia Sophia zur Moschee zu einem Symbol des politischen Islams und sich selbst als Retter vor den Kreuzfahrern inszeniert. Diese Umwandlung gab der Bewegung einen erheblichen Aufschub. Denn Erdogan versprach im Rahmen eines panisalmischen Erwachens die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem „zu befreien“ – ein Traum von radikalen Muslimen. Er spielte auf eine „Gesamtbefreiung“ der Palästinenser von den Israelis und Juden an. Die „Allahu Akbar“ Rufe waren laut. Die Bewegung bekam Aufwind, da Erdogan das islamistische Ziel symbolisch realisierte, dass Christen und Juden ergo die „Ungläubigen“ sich unterordnen müssen. Erfolgreich konnte Erdogan sich als Führer aller Muslime präsentieren, der Muslimen eine „Auferstehung“ – wie er es selbst nannte – schenkt. An diesem Tag hat sich Erdogan als ein Anführer der radikal-islamischen Bewegung selbst gekrönt.

Erdogan ließ den Islamischen Staat stark werden 

Vor ein paar Jahren waren es noch Spekulationen, dass Erdogan und der Islamische Staat zusammen arbeiten würden. Und obwohl man es heute besser weiß, ist in dem europäischen Bewusstsein noch nicht angekommen, in welchem Umfang Erdogan einer der wichtigsten, ja wenn nicht sogar der wichtigste Unterstützer des Islamischen Staates ist. Er war derjenige, der erst IS-Dschihadisten ungehindert über die Grenze nach Syrien ließ, damit diese dort ein Kalifat errichteten. Dass der IS so stark werden konnte, ist teilweise sein Verdienst. Er ließ IS-Dschihadisten gezielt aus nordostsyrischen Lagern befreien, die einen türkischen Pass erhalten. Damals lieferte er Waffen an den IS, heute dienen ihm IS-Kämpfer als seine eigenen Soldaten sowohl im nationalistisch-propagierten Kampf gegen die Kurden in Nordost-Syrien als auch gegen die Armenier im Bergkarabach-Konflikt. Auch bedient sich Erdogan bewusst mit Ausdrücken wie „Tyrannei der Kreuzfahrer“ einer Rhetorik, die vom IS und al-Quaida benutzt wird. 

Interview mit Hamed Abdel-Samad
„Ich war damals Charlie, ich bin immer noch Charlie“
Es verwundert somit nicht, dass während dieser Proteste es besonders auch IS-Dschihadisten sind, die zum Beispiel in Istanbul – unter dem Deckmantel der „Freien Syrischen Armee“ – oder in der syrischen Stadt Serekaniye (besetzt von der türkischen Regierung und Dschihadisten) mit IS-Flaggen gegen Macron hetzen. Der erdoganische Einfluss in der islamischen Welt ist derweil so groß, dass sogar Saudi-Arabien aus Konkurrenz-Gründen den Boykott gleichzeitig gegen französische und türkische Produkte staatlich unterstützt. 

Die neue Terrorsituation

Der Mann, der Samuel Paty tötete, hatte außerdem Kontakt zu einem IS-Dschihadisten in Syrien. Man muss den Islamismus in Gänze als eine Bewegung verstehen. Denn islamistische Bewegungen, Gruppierungen oder Organisationen einen sich heute unter Erdogan mehr als jemals zuvor. Die Vorstellung, dass islamistischer Terrorismus größtenteils durch den IS geschieht, ist vollkommen falsch. Die Situation hat sich verschärft. Wo es zu Anfang größtenteils noch terroristische Gruppierungen waren, die geplante Terrorakte begangen habe, ist es heute eine erstarkte islamistische Bewegung, die spontan einzelne islamistische Terrortaten begeht – das ist noch gefährlicher als die Terrorsituation der Jahre zuvor.

Salafismus ist also längst nicht mehr das Hauptproblem. Noch gefährlicher wird es, wenn all diese islamistischen Gruppierungen stärker zusammenarbeiten. Erdogan war es, der allen islamistischen Strömungen weltweit einen Anführer und die Hoffnung gegeben hat, islamistisch-ideologische Ziele verwirklichen zu können. Recep Tayyip Erdogan ist der Anführer des Politischen Islams und des islamistischen Terrorismus. Die islamistische Bewegung wird durch ihn gestärkt, von ihm angeführt – das ist die neue Terrorsituation. 

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Kommentare ( 26 )

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26 Comments
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und sie dreht sich doch
4 Jahre her

Der Islam kann sich in Deutschland so bequem und bezahlt ausbreiten, wie nirgendwo anders in der Welt, die Zeit tickt für den Islam, alles nur noch eine Frage der Zeit. Leider.

Schwabenwilli
4 Jahre her

Und wie es der Zufall so will in Wien dringend 30 türkische Jugendliche in eine Kirche ein und randalieren.
https://m.die-tagespost.de/politik/aktuell/islamistischen-randalieren-in-wiener-kirche;art315,213267

Dr. Rehmstack
4 Jahre her

Die Tagesschau brachte eine Meldung über ein Messerattentat (nach den neuesten Arbeitslosen Zahlen) in Nizza; daß einer 70 jährigen Frau in einer christlichen Kirche der Kopf abgeschnitten wurde und der „mutmaßliche“ Täter ein Asylsuchender ist, der vor wenigen Monaten über Lampedusa gekommen war, hielt man wohl in der Tagesschau nur für eine Meldung von örtlichem Interesse, der zahlende Zuschauer erfuhr davon nichts. Zum Text: Ich kann diesen Begriff „Islamismus“ nicht mehr hören. Folgt man Wikipedia, wurde dieser Begriff von französischen Soziologen geprägt:“Islamismus ist ein Begriff aus den Sozialwissenschaften, unter dem seit den 1970er Jahren verschiedene Ideologien und Bewegungen des fundamentalistischen,… Mehr

Hieronymus Bosch
4 Jahre her

Ja, Erdogan ist der terroristische Drahtzieher – aber Terroristen stehen in Deutschland bekanntlich nur rechts! Der türkische Diktator braucht sich keine Sorgen zu machen, dass die öffentliche Meinung sich einmal gegen ihn wendet.

Boudicca
4 Jahre her

Die französischen Produkte, die sie aus den Regalen nehmen, darf ein guter Moslem eigentlich gar nicht trinken.
Spätesten wenn die Damen zwecks der Kleidung und der Kosmetika rebellieren, wird bereits aus dem Karton gekauft.

Schwabenwilli
4 Jahre her

Auf der “ Welt “ heute die ersten zehn Artikel alle irgendwas mit Corona erst der elfte befasst sich mit der Gräueltat in Frankreich. Das sind die Prioritäten in Deutschland und Erdogan weiß das und genau deswegen erlaubt er sich seine Frechheiten. Derweil in Berlin Islamisten mit ausgestrecktem Zeigefinger ( das Zeichen des IS) demonstrieren. Ja wir haben viele Probleme in diesem Land, das kleinste ist Corona.

LiKoDe
4 Jahre her

Ziel des Islams war und ist seit mehr als 1300 Jahren die Errichtung einer weltumspannenden Herrschaft des Islams in Form einer totalitären Theokratie also des islamischen Kalifats. Seit der Auflösung des Osmanischen Reiches 1922 gibt es in allen islamisch beherrschten Staaten eine stetige Re-Islamisierung und den Willen zur Errichtung eines neuen islamischen Kalifats. Man erinnere sich an die Teilung British-Indiens 1947 und die Entstehung Pakistans. Man erinnere sich an die Gründung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit 1969, da war Recep Tayyip Erdoğan 15 Jahre alt. Man erinnere sich an die Machtergreifung der Mullahs im Iran 1979. Recep Tayyip Erdoğan ist… Mehr

Boudicca
4 Jahre her

Ein wirklich mutiger Text.
Das Appeasement von Deutschland gegenüber der Türkei hat Erdogan den Rücken gestärkt. Jeder Euro von Brüssel verhilft ihm zu mehr Macht.

wydy
4 Jahre her

Hier zeigt sich wieder einmal der „friedliche“ Islam. Unglaublich, aber wahr   Die türkische PEGIDA breitet sich in Europa aus und fordert eine Islamisierung Europas   https://www.welt.de/politik/deutschland/article158814034/Experte-warnt-vor-tuerkischer-Pegida-in-Deutschland.html   http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-07/recep-tayyip-erdogan-cem-oezdemir-nationalisten-tuerkei   Erdogan schickt seine radikalen Hassprediger nach Deutschland und steuert mithilfe von DITIB alle sunnitischen Muslime in Deutschland.   http://www.welt.de/politik/deutschland/article154689954/So-naehren-Erdogans-Prediger-Islamismus-in-Deutschland.html   http://www.focus.de/politik/deutschland/kritik-aus-den-parteien-ankaras-religionsbehoerde-schickt-970-imame-nach-deutschland_id_5462887.html   https://www.welt.de/politik/ausland/article160132361/Tuerkische-Imame-spionieren-in-Deutschland-fuer-Erdogan.html   http://www.welt.de/politik/deutschland/article157140254/Erdogan-Anhaenger-verbreiten-Angst-in-Deutschland.html   „Wie in den 30er Jahren“   Unter Deutsch-Türken zirkulieren Listen von angeblich Gülen-nahen Unternehmern, bei denen man nicht einkaufen soll auch in Deutschland.   http://www.zeit.de/2016/34/tuerkei-fethullah-guelen-anhaenger-druck   Türkei hofiert Islamisten und radikale Islamisten wie Hamas und Hizb-ut-Tahrir   http://www.fr-online.de/tuerkei/extremismus-in-tuerkei-islamisten-geniessen-ankaras-schutz,23356680,34640472.html   Türkische AKP-Partei= Ableger der radikal… Mehr

imapact
4 Jahre her

Das Schwierige am „Islamismus“ dürfte sein, daß er „polyzentrisch“ ist, also eben gerade über keine zentrale Instanz verfügt, welche seine Aktionen steuert. Natürlich geriert Erdogan sich seit längerem als eine Art Anführer, aber auch Saudi-Arabien und (auf schiitischer Seite) der Iran mischen mit. Was jedoch Erdogan anbelangt, ist es kaum noch nachvollziehbar, mit viel Duldsamkeit im „der Westen“ begegnet. In besonderen Maße gilt dies für Deutschland; der Eindruck besteht, daß Erdogan sich einfach alles erlauben kann, ohne jemals auf ernsthaften Widerstand zu stoßen. Da hat tatsächliche Macron ein ganz andere Gangart eingelegt. Nach wie vor erhält die Türkei Fördergelder als… Mehr

Klaus H. Richardt
4 Jahre her
Antworten an  imapact

Erdogan und Iran sind die Haupttreiber des Islamismus. Saudi Arabien dagegen ist heute der Anführer unter den ‚Willigen‘, die unter Donald J. Trump eine neue Friedenspolitik im Nahen Osten versuchen. Die ersten Friedensschlüsse zwischen Israel und den Emiraten deuten daraufhin.