Alles für die Energiewende: Wie Deutschland Nord Stream 2 durchpeitscht

In den USA laufen neue drastische Maßnahmen gegen den Bau von Nord Stream 2 an, daher soll der Bau in Rekordtempo fertig gestellt werden. Ein internes Papier zeigt, wie die deutsche Verwaltung hierfür zum Erfüllungsgehilfen geworden ist.

imago images / Jens Koehler

Das russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist im Westen hochumstritten. Einerseits, da es die klassischen Transitländer für die Gaszufuhr nach Westeuropa, umgeht – und damit der Ukraine das letzte entscheidende Druckmittel gegenüber Russland nimmt. Damit könnte Russland jederzeit die Gaszufuhr für Osteuropäische Staaten wie Polen oder die Ukraine abdrehen, ohne Probleme mit westeuropäischen Ländern zu befürchten, die per Nord Stream versorgt werden. Gerade im Anbetracht der politischen Lage, Polen sieht sich durch Russland bedroht, Teile der Ukraine hat Russland besetzt oder annektiert und unterstützt im Osten die Kämpfer gegen die Regierung, ist das eine durchaus realistische Gefahr, die im Raum steht.

Auf der anderen Seite wird kritisiert, allen voran von der Trump-Administration, dass sich auch Westeuropa durch das Projekt mehr abhängig macht von russischem Gas und damit der Politik der russischen Regierung – schließlich könnte der Kreml auch Westeuropa jederzeit den Hahn zudrehen.

Heft 01-2021
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Im Juli hatte die Nord Stream 2 AG die Fortsetzung des Baus der umstrittenen Pipeline beim Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) beantragt. Die Zeit zur Fertigstellung wird nämlich knapp, im US-Kongress planen Senatoren den “Protecting Europe’s Energy Security Clarification Act” (PEESCA), der US-Sanktionen gegen Nord Stream massiv ausweitet, zusammen mit dem anstehenden US-Verteidigungshaushalt zu verabschieden. Das dürfte das Bauvorhaben scharf treffen, daher will man das Projekt so schnell irgend möglich fertigstellen.

Wie BILD berichtet hat, ist das BSH direkt den Wünschen der Anwälte der Nord Stream 2 AG, einem vollständigen Tochterunternehmen des mehrheitlich vom Kreml kontrollierten russischen Konzerns Gazprom, nachgekommen. Im Oktober wurde zuerst eine Änderungsgenehmigung erteilt. Das reichte den Anwälten aber nicht, eine solche formelle Genehmigung hätte die Tür für den Einspruch Dritter, etwa von Umweltverbänden, offengelassen.

Die Nord-Stream-Anwälte verlangten also eine formlose Zustimmung, die so etwas z.B. nicht ermöglicht. Und wie die BILD vorliegenden Unterlagen zeigen, reagierte das BSH prompt und erteilte einen Tag später statt der nach dreimonatiger Prüfung ergangenen formalen Änderungsgenehmigung wie von Nord Stream Seite gewünscht eine Zustimmung und damit grünes Licht. Mittlerweile ist der deutsche Teil von Nord Stream 2 fertiggestellt.

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Bei vielen Großprojekten in Deutschland ist ein langwieriges Verfahren Standard und Umweltbedenken werden jahrelang ausgefochten – hier darf es nun auf einmal extra-schnell gehen? Ein Widerspruch der Deutschen Umwelthilfe, sonst nahezu unangreifbarer Machtfaktor, wurde hier umgehend zurückgewiesen: mit Verweis auf die weniger formelle Zustimmung.

Auch für eine weiteren Antrag für den Januar 2021, für den offiziell noch keine Entscheidung gefallen ist und gegen den die Umweltverbände NABU und DUH Widerspruch erhoben haben, steht das Ergebnis wohl schon fest: BILD zitiert eine E-Mail des BSH an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit den Worten: “Die eingegangenen Stellungnahmen von Naturschutzverbänden werden umfänglich ausgewertet. Genehmigungserteilung für diesen Änderungsantrag ist noch für Dezember vorgesehen.” Die Entscheidung scheint also auch hier schon festzustehen.

Deutschland braucht Nord Stream für Gaskraftwerke, die die unsichere Energiewende im Hintergrund tragen und die Kapazitätsverluste abgeschalteter Kohle- und Atomkraftwerke auffangen sollen. Und dafür scheinen dem Land alle Mittel recht. Gerne kritisiert man andere Länder dafür, sich mit Putin einzulassen, protestiert im Nawalny-Fall, beschließt Sanktionen. Doch die einzige echte Sanktionsmöglichkeit wird ausgelassen, in der entscheidenden Frage begibt man sich blind in russische Abhängigkeit. Die Unverblümtheit und die Härte mit der dieses Projekt gegen allen Widerstand durchgepeitscht wird, ist für die deutsche Politik schon bemerkenswert – aber für die Energiewende ist anscheinend jedes Mittel recht.

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Kommentare ( 96 )

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Mausi
3 Jahre her

Der Artikel hätte sich auf die Frage nach der Schnelligkeit und den Methoden bei der Durchführung dieses Projekts beschränken sollen. Und dazu mehr Sachinfo liefern können. Das Thema sinnvoll für die D/europäische Energieversorgung oder für Geopolitik sind weitere Themen, die aber gesonderte Artikel verlangen und schlecht als Rahmen oder Aufpolsterung dienen.

Last edited 3 Jahre her by Mausi
Fruufus Maximus
3 Jahre her

Es ist wohl die einzig wirklich im Verantwortungsbewusstsein für Deutschland und seine Wirtschaft getroffene Entscheidung der Merkelregierung in den letzten 5 Jahren. Was es daran zu bedauern gibt, dass Polen und die Ukraine kein Erpressungspotential gegen Russland auf Kosten Westeuropas haben, ist nur schwer zu verstehen, ebenso ist nicht nachvollziehbar, warum wir dadurch von Russland abhängiger werden, als bisher. Wobei anzumerken gilt, dass Moskau selbst zu Hochzeiten des kalten Krieges immer ein sicherer Energielieferant war. Was hindert die USA daran, trotzdem ihr Flüssiggas nach Europa zu liefern, dort anstatt Militärbasen auch Flüssiggasterminals zu errichten und in Wettbewerb zu russischem Gas… Mehr

Klaus H. Richardt
3 Jahre her

Das muss man zweimal lesen: Ein junger Deutscher führt moralische Bedenken ins Feld! Wir, die wir im 2. Weltkrieg, je nach Zählweise, für 22 – 25 Mio tote Russen verantwortlich sind, haben moralische Bedenken?? Der Westen hat im 2+4 Vertrag zugesagt, die Natogrenze an der alten DDR-Ostgrenze zu belassen. Und wo steht die Nato heute im Osten? Wir müssen mit allen unseren Nachbarn in Frieden leben, auch mit den Russen. Und Energiealternativen zu haben, hat noch nie geschadet. Lesen Sie doch mal meinen TE-Artikel zum Thema Nordstream 2.

Andreas aus E.
3 Jahre her

Pro/Contra-Artikel – gute Idee!

Audix
3 Jahre her

Es herrscht Meinungsfreiheit, wenigstens noch bei TE. Hier darf jeder der will auch Nonsens verbreiten. Gut so.

NighthawkBoris
3 Jahre her

Besser Gaskraftwerke als auf Sonne und Wind zu setzen, denn das sind Ideen von Geistesgestörten. Säßen in unserer Regierung halbwegs intelligente Mitteleuropäer, hätten diese alles beim Alten gelassen. Und hätten gut daran getan. Die Verursacher dieser immensen Steuergeldvernichtung sollten dafür haftbar gemacht werden, allen voran das Rhetorik-Genie A. Merkel.

Zamdug Cuhziv
3 Jahre her

Leider scheint es so zu sein, dass uns grüne Teletubbies regieren werden …
Das könnte für uns schlimm ausgehen …

Audix
3 Jahre her

Wenn wir die Kernenergie abschalten, sind wir immer in der Stromerzeugung vom Ausland abhängig. Von russischem Gas oder US – Flüssiggas, für das es in absehbarer Zeit keine Entladeterminals gibt. Sonne und Wind sind unsere Traumfreunde, die uns leider zeitweise im Stich lassen. Grüne Träume haben uns in die Sackgasse geführt. Ohne das Russengas wird es hier sicher dunkel, mit Russengas auch, aber nicht so oft. Es dauert wohl noch lange bis wir zur Kernkraft zurückkehren und den deutschen Besserwisserweg verlassen. Die Wende kommt erst, wenn wir genug gelitten haben. Deutsche Kehrtwenden gab es schon öfter in der Geschichte nach… Mehr

GP
3 Jahre her

Die benötigten Gaskraftwerke bauen die Rußen dann auch noch. Die Deutsche Stromversorgung auf Basis von Braunkohle und Kernkraft war faktisch unabhängig vom Ausland. Die neue „Zappelstromwirtschaft“ hängt am Russischen Gas als technisch unverzichtbares Back-up. Das ist keine gute Politik, egal wie zuverlässig der Gaslieferant auch immer ist und wie immer er heißt, man macht sich ohne Not politisch erpressbar. Aber die Deutschen haben ja genau diese Politik gewählt. Wir schaffen das….

Silverager
3 Jahre her

Russland ist Europa, soweit ich es in der Schule gelernt haben.