Eine Neujahrsbotschaft an den Bundestag

Mit der Etablierung einer höheren staatstragenden Gesinnungsmoral in unserem Lande ist deren Protagonisten offenbar auch der demokratische Respekt vor Andersdenkenden abhandengekommen, denn jegliche abweichende Meinung wird niedergemacht.

© Sean Gallup/ Getty Images

Wenn wir den „Neusprech des Jahres 2016“ von denen, „die schon länger hier leben“ und denen, „die neu dazu gekommen sind“, zu seinen originären Wurzeln zurückverfolgen, dann entlarvt sich von dort aus der moralbefreite Blickwinkel eines historisch einmalig zu nennenden soziologischen Großexperimentes an unserer Gesellschaft, mit dem man dem Deutschen Volk mehr zu nehmen versucht als nur seine Selbstbestimmung und seine Geschichte.

Es sollte ja eigentlich alle bekennenden Demokraten in unserem Lande beruhigen, dass im Deutschen Bundestag in Berlin 630 gewählte Volksvertreter unterschiedliche Auffassungen über den richtigen politischen Weg formulieren und diskutieren; deren wichtigste Aufgaben sind nämlich die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierungsarbeit. Alternativlose politische Entscheidungen, eine staatstragende Einheitsmeinung und eine völlig außer Kontrolle geratene Regierung sind also gesetzlich nicht gewollt – jedenfalls zum Stand dieser aktuellen Internetseite des Deutschen Bundestages mit Datum vom 31. Mai 2013.

Wie weit aber der gesellschaftspolitische Wahn einer politisch korrekten Einheitsmeinung in unserem Lande bereits fortgeschritten ist, entlarvt ausgerechnet der einheitsmedial „nicht auszuschließende“ Terroranschlag von Berlin. Während sich das Land noch in Schockstarre befand und der Opfer und ihrer Angehörigen gedachte, wurden diese bereits im Internet instrumentalisiert, ganz besonders im vorauseilenden Kampf gegen den „wachsenden Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft …“.

Eine zwangsalimentierte Nachrichtensendung hatte am Tatabend mit Unterstützung eines als „Terrorismusexperten“ auftretenden Co-Moderators versucht, aktuell eingehende Fakten über diesen Terroranschlag unter vielen stockenden „Ähs“ und „Mhs“ politisch korrekt relativierend in homöopathischen Mengen an ihre geschockten Zuschauer weiterzugeben. Erstaunlicherweise waren ausländische Medien in der aktuellen Faktenlage zeitgleich schon sehr viel weiter, teilweise musste man sich öffentlich-rechtlich sogar auf solche Berichte berufen.

Folgerichtig war das allererste Opfer des Terroranschlages von Berlin dann auch das erste Opfer dieses gesamtmedialen Eiertanzes; der ermordete polnische LKW-Fahrer wurde nämlich beim öffentlichen Gedenken an die Terroropfer glattweg „vergessen“.

Anmerkung: Der vorgebliche „Terrorismusexperte“ dieser öffentlich-rechtlichen Anstalt ist laut Wikipedia übrigens „seit Juni 2007 … Leiter der ZDF-Hauptredaktion „Aktuelles“ und stellvertretender Chefredakteur des ZDF…“ – man könnte hier also auch von einer verdeckten Co-Moderation auf Chefebene sprechen, was die unmittelbaren Fragen aufwirft:

  • Brauchen wir in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zukünftig etwa politische Medienkommissare für ein regierungsamtlich korrekt betreutes Denken der „Bevölkerung“?
  • Werden wir inzwischen nicht nur mit gut verdaulichen Informationshäppchen ruhiggestellt, sondern streckt man diese „sprachregulierten“ Portionen etwa auch noch zeitlich so geschickt, dass sich in einer „einheitsmedial betreuten Bevölkerung“ keinerlei Empörung mehr aufbauen kann?
  • Wird in der Bundesrepublik Deutschland etwa nur noch eine „beschützende Wahrheit“ veröffentlicht, und wenn ja, wen oder vor wem soll diese „Wahrheit“ eigentlich schützen?

Es hat ja leider eine gewisse geschichtliche Tradition in Deutschland, sich im Ernstfall nicht auf Regierungsmedien zu verlassen, sondern sich lieber über „Auslandssender“ zu informieren …

So warnt denn der amtierende Bundespräsident, der wie kein anderer eine integrierende, die Einheit des Staates und des Volkes repräsentierende Autorität sein sollte (Bundesverfassungsgericht, dort Punkt 91), immer noch beharrlich vor „Systemverächtern“ an den Rändern der Gesellschaft, während dieses System offenbar schon längst aus seiner regierenden Mitte heraus mit parlamentsbefreiten Weichenstellungen nachhaltig ausgehöhlt worden ist.

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Momentan frönt man im Deutschen Bundestag nämlich gemeinsam einer alternativlosen Einheitsmeinung, und insbesondere die vormals wertekonservativen Mitglieder der größten Fraktion im Deutschen Bundestag fallen eher durch erratisches Extremverhalten auf; im Bundestag schweigen sie zu Rechtsbrüchen der gewählten Regierung und auf Parteitagen brechen sie in Beifallsorgien aus, wie man sie sonst nur aus totalitären Staaten kennt.

Im politischen Berlin ist momentan also wenig Kontrolle oder gar Selbstkontrolle für das unbedingte Einhalten der demokratisch vorgegebenen politischen Spielregeln zu erkennen. Sehr viel eher wird dort schon der gemeinsame politische Wille zu einer staatstragenden Kontrolle aller übrigen Meinungsträger sichtbar. Nun ja, für eine hochmoralische Einheitsmeinung, eine hochmoralische Einheitspolitik und für eine völlig aus dem Ruder gelaufene Einheitsregierung gibt es halt auch keine demokratischen Entsprechungen – es gibt allerdings auch keine rechtsstaatliche Entsprechung für eine Einschränkung der durch unser Grundgesetz garantierten uneingeschränkten Meinungsfreiheit …

Es zeugt jedenfalls von einer außerordentlichen Chuzpe der herrschenden Klasse und ihrer willfährigen Vasallen, wenn die veröffentlichte Meinung in einer parlamentarischen Demokratie einen Linksruck von Regierung und Opposition der staatstragenden Gesellschaft als deren eigenen Rechtsruck zu verkaufen im Stande ist – und offenbar auch noch damit durchkommt.

Man sagt ja, das erste Opfer in einem Krieg sei die Wahrheit. Dazu braucht man heute aber offenbar gar keinen Krieg mehr, denn dafür gibt es in unserem Land ja inzwischen eine politisch korrekte Sprachregelung und eine alternativlose öffentliche Meinung.

Und wo man gerade noch gestern eine mediale Vielfalt unterschiedlichster gesellschaftlicher Blickwinkel auf aktuelle Ereignisse finden konnte, sucht man bereits heute vergeblich nach aktuellen Meldungen über ganz bestimmte Ereignisse. Die medial veröffentlichte Meinung in unserem Lande hat schon längst mehr als nur ihre Vielfalt verloren, sie fühlt sich inzwischen augenscheinlich nur noch einem gemeinsamen gesellschaftspolitischen Wunschdenken verpflichtet. Aber diese politisch korrekte Mehrheitsöffentlichkeit genügt den neuen elitären Machtansprüchen offenbar immer noch nicht, weil sich die Herrschenden weiterhin kritischen Analysen und Darstellungen in den verbliebenen öffentlich zugänglichen Minderheitsmedien stellen müssen – und diese kritischen Medien vermehrt Zulauf aus einem zunehmend verstörten Wahlbürgertum erhalten.

Mit der Etablierung einer höheren staatstragenden Gesinnungsmoral in unserem Lande ist deren Protagonisten offenbar auch der demokratische Respekt vor Andersdenkenden abhandengekommen, denn jegliche von diesem Mainstream abweichende Meinung wird seither in eine rechte Schmuddelecke verbannt und mit der Nazikeule niedergemacht. Meinungsfreiheit ist nun aber nicht das Recht, sich von unpassenden Meinungen frei zu machen, sondern ebendiese demokratisch ertragen zu müssen, solange sie nicht mit Grund- und Strafrecht kollidieren. Die fortgesetzte gesellschaftliche Diffamierung von kritischen Minderheitsmedien gipfelte jüngst IM Versuch, diesen Minderheitsmedien unter dem pseudodemokratischen Deckmäntelchen einer „hochmoralischen Anregung“ an deren Werbeträger mal eben die wirtschaftliche Basis zu entziehen. Das endete zwar zunächst einmal als Rohrkrepierer für die Macher selbst. Aber die wirtschaftliche Langzeitwirkung bei den betroffenen Minderheitsmedien dürfte trotzdem existenziell gewesen sein, auch wenn der angerichtete wirtschaftliche Schaden wohl nicht ausgereicht haben wird, um die betroffenen Minderheitsmedien rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2017 mundtot zu machen.

Es liegt für die Regierenden daher offenbar nahe, in einem nächsten Schritt nicht mehr so ganz neue Wege für eine widerspruchsbefreite Indoktrination der Wählerschaft zu beschreiten, beispielsweise mal eben gallertartig dehnbare Begriffe wie „Populismus“, „Hate-Speech“ und „Fake-News“ im Beifall einer desinformierten Öffentlichkeit in das Strafrecht „einzubinden“. Denn dann kann man endlich nach Gutsherrenart ganz alleine darüber entscheiden, welche alternativlose regierungsamtliche Wahrheit am Ende unserer Demokratie schließlich noch veröffentlicht werden darf.

Eine Frage an unsere demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten: Will jetzt, gerade noch rechtzeitig zu den Bundestagswahlen 2017, eine panisch um sich schlagende Bundesregierung der vorgeblich tumben und verführbaren deutschen „Bevölkerung“ tatsächlich ihre grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit entziehen?

Als Antworten bieten sich an:

  • Die demokratisch gewählte Bundesregierung muss heute eine vorgeblich dumme, ungebildete und unmündige „Bevölkerung“ erzieherisch vor ganz bösen Nazigedanken schützen, denn „je länger das Dritte Reich tot ist, umso stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen“ (Johannes Gross).
  • Die demokratisch gewählte Bundesregierung muss heute ihre eigene Meinungshoheit durch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit von andersdenkenden Kritikern in öffentlich zunehmend verleumdeten Minderheitsmedien durchsetzen, denn „ein marxistisches System erkennt man daran, dass es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert“ (Alexander Issajewitsch Solschenizyn).
  • Und die demokratisch gewählte Bundesregierung hat sich bereits selbst dazu ermächtigt, die „Bevölkerung“ mit Hilfe bewährter antirevanchistischer Wanderarbeiter, die im Aufdecken von volksrepublikschädigendem Verhalten besonders geschult sind, vor einer neuen Nazi-Diktatur zu bewahren, denn „der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus“ (Ignacio Silone).

Ein solch fataler Flashback in die jüngere deutsche Geschichte aber könnte tausende, zehntausende, vielleicht sogar hunderttausende gut-gläubige Menschen in unserem Lande dazu verführen, unsere bestehende freiheitlich-demokratische Grundordnung willentlich in die totalitäre Tonne zu treten. Denn viele von ihnen fühlen sich ja bereits heute als moralisch ermächtigter Teil einer weltumfassend-bunten Neuen Einheitsgesellschaft und sind begierig darauf, unsere bestehende gesellschaftliche Ordnung zu transformieren, um diese Welt „endlich zu einem gerechteren Ort zu machen“. Ja, diese Menschen haben bereits Geschichte geschrieben und werden vielleicht auch weiterhin Geschichte schreiben, aber mit Teddybären und offenen Grenzen werden sie die Symbolik der deutschen Vergangenheit nicht auslöschen:

Bahnhöfe werden Bahnhöfe bleiben und Mauern Mauern; und beides sollte uns mit tiefem Ernst der Diktaturen auf deutschem Boden gemahnen, die beide von staatstragenden Einheitsideologien geprägt waren. Denn wenn eine gewählte Regierung erst einmal damit anfängt, ihre eigene Wahrheit gegen die Wahrheiten des Staatsvolkes zu verteidigen, dann bedeutet das üblicherweise das Ende einer Demokratie. Und damit eröffnen sich erschreckende Parallelen zwischen denen „die hier gerade regieren“ und denen, „die hier auch schon mal regiert haben“…

Hallo Sie, ja, Sie, unsere demokratisch gewählten Volksvertreter im Deutschen Bundestag:

Sie hatten Sich doch in einer demokratischen Abstimmung freiwillig zur Wahl gestellt, Sie sind demokratisch gewählt worden, Sie haben demokratische Verantwortung für das Deutsche Volk übernommen und Sie sind dabei allein Ihrem Gewissen verpflichtet. Sie müssen jetzt also endlich mal ganz schnell aufwachen, denn es wird höchste Zeit.

Sollte Ihnen in nächster Zeit also irgendein Gesetzestext der aus dem Ruder gelaufenen Deutschen  Bundesregierung zur Abstimmung vorgelegt werden, der Ihnen aus unserer jüngeren geschichtlichen Vergangenheit heraus irgendwie bekannt vorkommen muss, dann verwerfen Sie ihn bitte umgehend und lehnen ihn grundgesetzlich ab – oder noch besser, beenden Sie diesen gefährlichen Spuk ein für alle Male durch ein konstruktives Misstrauensvotum!

Und wenn Sie sich schon nicht dem Deutschen Volk verpflichtet fühlen, das Sie ja eigentlich als seine demokratisch gewählten Vertreter in den Deutschen Bundestag entsandt hatte, dann sollten Sie mit ihrem persönlichen Verhalten als demokratisch gewählte deutsche Volksvertreter wenigstens Ihren Respekt vor den Opfern der beiden deutschen Diktaturen bekunden, insbesondere vor den alliierten Soldaten, die einstmals für diese unsere Demokratie gestorben sind – und vielleicht auch vor denjenigen unserer muslimischen Mitbürger, die sich, entgegen einer politisch korrekt vereinheitlichten öffentlichen Meinung, vorbehaltlos zu unseren gemeinsamen freiheitlichen Grundwerten bekennen.

Die Verteidigung dieser Demokratie sollten Sie sich für das Wahljahr 2017 ganz fest vornehmen!

Es bleibt dann also abschließend nur noch zu wünschen, dass unsere Demokratie am Ende doch noch obsiegen wird und nach den Bundestagswahlen 2017 diejenigen „die hier heute noch regieren“ zu denen gehören werden, „die hier auch schon mal regiert haben“…

Uli Weber ist Geophysiker und Publizist.

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