Ein Kniefall vor dem Zeitgeist

Stauffenberg war Offizier der Wehrmacht. Das sollte inzwischen für eine Verbannung in die Mottenkiste schon reichen. Wann ist er bei von der Leyen dran? Und wer dann?

© Joern Pollex/Getty Images

In Hamburg hängt man an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr das Bild des Namensgebers ab, weil er eine Wehrmachtsuniform trägt. Ein kafkaesker Vorgang – und ein Skandal. Im rosaroten Opportunistenreich der Ursula von der Leyen, die schon gerne mal von „Säuberungen“ spricht, damit aber eine alles niederwalzende politische Überkorrektheit meint, ist nichts mehr sicher, was auch nur den kleinsten braunen Rostfleck der Geschichte trägt. Dabei vergessen sie und ihre Subalternen, dass es auch im Nationalsozialismus immer drei Seiten der menschlichen Medaille gab. Es gab jene, die es sich in diesem System bequem machten, es bis zum Schluss verteidigten. Andere bekamen späte Zweifel, trotz anfänglicher Begeisterung. Viele standen von Anfang an in Opposition, fügten sich dennoch ein in die Diktatur, ohne ihre humanistischen Werte zu verraten.

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Wahrscheinlich gehört von der Leyen zu jenen Rechthabern und Besserwissern, die mit dem Abstand vieler Jahrzehnte großmäulig meinen, man hätte es doch besser machen können. Von Anfang an erkennen müssen, was da in den zwölf Jahren Hitler auf Deutschland zukam. Damit spricht sie allerdings Schmidt einen Reifeprozess ab, der ausschlaggebend für den späteren Bundeskanzler war. Gerade der Altkanzler in der Offiziersuniform der Wehrmacht ist ein Beispiel dafür, wie Menschen sich entwickeln, Fehler begehen, sie erkennen und begradigen. Wenn er nicht den Deutschen zeigen soll, dass man auch unter einer schlechten Sache sein Ich bewahren kann, wer dann? Die Art der Bundeswehrführung, mit ihrer Geschichte umzugehen, unterscheidet sich nicht vom ideologisch getriebenen Hass auf alles Fremde, Unbotmäßige, vermeintlich Inkompatibles in diktatorischen Systemen.

Der Wahn dürfte, denken wir die Sache logisch zu Ende, irgendwann auch vor Stauffenberg nicht mehr Halt machen. Wenn das politische Leichtgewicht Frau von der Leyen beim Einschlafen kurz nachdächte, welchen Identitätsstifter der Deutschen sie noch über die Klinge gehen lassen könnte, dürfte sie erst Recht nicht mehr vor dem Hitler-Attentäter zurückschrecken. Stauffenberg war ein Anti-Demokrat, der, so der britische Historiker Richard J. Evans, an zukunftsweisendem politischem Gedankengut „nichts zu bieten“ hatte. „Als Vorbild für künftige Generationen“ sei er „schlecht geeignet“.  Sein Versuch, Hitler zu töten, Stauffenbergs Wunsch nach Frieden und einem Ende der Judenverfolgung dürften nun nach Lex Leyen jedoch nichts mehr gelten. Stauffenberg war Offizier der Wehrmacht. Das sollte inzwischen für eine Verbannung in die Mottenkiste schon reichen. Ein gruseliger Gedanke.

Drehten die Geschichts- und Interpretationspolizisten im Verteidigungsministerium jeden Stein aller Namensgeber von Bundeswehrkasernen und -einheiten um, fänden sie wohl überall noch ein übrig gebliebenes Staubkorn aus einer Zeit, in der die Wehrmacht viele Offiziere hatte, die dem Nationalsozialismus mit Abscheu begegneten und erkannten, dass sie einem Verbrecher dienten. Die diese Erkenntnis nutzen und einen Reifeprozess starteten, der bei von der Leyen und Vertretern im Kommiss irgendwann stecken geblieben ist.

Der Säuberungskurs der Ministerin ist damit nichts weiter als ein Kniefall vor dem Zeitgeist – eine entgleiste, politischen Opportunität.

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Kommentare ( 95 )

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shadman
7 Jahre her

das passt ja auch – wenn man immer nur nach links fährt, kommt mann irgendwann halt auch rechts raus.

markus marahrens
7 Jahre her

Zum Dank wird ja das neue Wahrheitsministerium geschaffen und auch jede Menge neue Stellen für die dann allfällige Gedankenpolizei.

Hanna Jüngling
7 Jahre her

Ihre letzten Sätze: Ja, das ist auch eine Frage!

Hanna Jüngling
7 Jahre her

Diese pauschale „gefühlte“ Verurteilung der Wehrmachtselite galt allerdings auch nach dem Krieg bis in die 50er Jahre hinein. Als Enkelin eines hohen Militärs, der in der Weimarer Reichswehr, lange vor dem 3. Reich, seine „Karriere“ als Schiffsbau- und Flugzeugbau-Ingenieur begonnen hatte. kenne ich die diesbezgl. Dramen doch einigermaßen gut. Die Reichswehr wurde 1935 in die Wehrmacht umgestaltet. Wer dort einenbereits jahre- oder jahrzehntelangen Berufsweg hinter sich hatte, kam im Traum nicht auf die Idee, auszuscheiden – wohin denn auch? Außerdem fühlten sich diese Männer an ihre Eide gebunden. Als Berufssoldat war es nach der Auflösung der Wehrmacht kaum möglich, eine… Mehr

Kriti-kus
7 Jahre her

Das ist kein Kniefall, sondern eine Bankrotterklärung, die wir der neuen Lage in der Bundesrepilik glauben schuldig zu sein? Ich frage mich, was als nächstes beschlossen wird?
Diese Politik und ihre Befürworter bewegen sich auf sehr dünnem Eis. Was wird unseren jungen Menschen wieder vermittelt? Schämt Euch eurer Großväter und vernichtet seine Bilder, wenn er darauf in einer Uniform zu sehen ist? Die Großmutter muss das Brautbild von der Wand nehmen.Die Braut im Brautkleid und der Ehemann in einer Uniform. Wenn sie das nich tun wollen, sind sie dann Na..i´s?

Johann Thiel
7 Jahre her

Hahaha! :-))) wußte doch, daß Sie mich nicht enttäuschen werden.

Franz Liszt
7 Jahre her

Es wird Zeit die Bilder von Schmidt mit denen von Erdogan zu ersetzen und die von Stauffenberg mit Khomeni. An den letzteren kann prallt jede Kritik, in vieler Hinsicht, ab.

Johann Thiel
7 Jahre her

Das Ergebnis für die FDP wird dann verständlich, wenn man davon ausgeht, daß die Zuwächse in erster Linie durch Wechselwähler von CDU und Grünen zur FDP erfolgten.

Johann Thiel
7 Jahre her

Ihre Antwort ist leider von einer zwingenden Logik, oder kann es sein, daß es Menschen gibt, die zwar gegen diesen ganzen Wahnsinn sind, sich aber einfach nicht trauen die AFD zu wählen, weil man soetwas eben nicht tut?
Sie sehen, ich klammere mich an jeden Strohhalm.

Johann Thiel
7 Jahre her

Wovon 5,6% und woher dieser Wert?