Ein Jahr nach Breitscheidplatz-Terror: Welche Schuld trägt Merkel?

Anlässlich des Jahrestages des Terroranschlags wird wieder kontrovers diskutiert, ob Angela Merkel Verantwortung trägt. Eine Diskussion, in der leider Zwischentöne wenig Chance haben, gehört zu werden.

© Sean Gallup/Images

Die einen sagen: An Angela Merkels Händen klebt Blut. Wenn Opfer oder deren Angehörige das sagen, sollte man das nicht kommentieren, denn es sind ihre Gefühle und es ist ihr Schmerz, was wohl keiner nachfühlen kann, der nicht selbst betroffen ist. Aber auch von anderen kann man hören und lesen, Merkel sei direkt Schuld. Wieder andere widersprechen und beharren darauf, Merkel trage keinerlei Verantwortung. Wer aber dann? Sind es allein und ausschließlich kleine Beamte in untergeordneten Behörden und deren einzelne Fehlentscheidungen im Fall Anis Amri?

Ich bleibe dabei, dass es weder angemessen ist, Merkel direkt oder allein verantwortlich zu machen, noch sie von jedweder Verantwortung frei zu sprechen.

Einerseits:

Islamistische Terroranschläge gibt es in vielen europäischen Ländern und ebenso auch in Afrika, Asien und den USA. Am 11. September 2001 kamen 3.000 Menschen bei einem islamistischen Terroranschlag in den USA ums Leben, viele Hundert starben in den folgenden Jahren in Bali, in Ägypten, in Mumbai, Paris, Madrid, Ankara und anderen Ländern. Keines dieser Länder hat eine so verantwortungslose Politik der Grenzöffnung betrieben wie Deutschland unter Angela Merkel. Diejenigen, die sagen, „Merkel ist allein schuld, weil sie die Flüchtlinge unkontrolliert nach Deutschland gelassen hat“, übersehen, dass es sich beim islamistischen Terrorismus um ein internationales Phänomen handelt und es schon deshalb die einfachste Logik verbietet, die alleinige Ursache in der verfehlten Flüchtlingspolitik von Merkel zu sehen.

Andererseits:

Merkel von aller Verantwortung frei zu sprechen, wird der Sache auch nicht gerecht. Politiker können es sich nicht so einfach machen, positive Entwicklungen (wie etwa eine boomende Wirtschaft) für sich zu reklamieren und die Verantwortung oder Mitverantwortung für Fehlentwicklungen pauschal von sich zu weisen. Es gab katastrophale Fehler im Fall von Anis Amri, der Anschlag hätte verhindert werden können. Und es wäre ungerecht, nur die jeweilige untergeordnete Behörde dafür verantwortlich zu machen. Politische Verantwortung tragen auch die Entscheidungsträger in den betroffenen Ländern und eben auch im Bund. Mitverantwortung tragen auch jene, die in der Euphorie der Willkommenskultur die Probleme mit dem islamistischen Terror und die Folgen einer unkontrollierten Grenzöffnung nicht wahrhaben wollten und wollen und die nicht die Voraussetzungen für konsequente Abschiebungen von Kriminellen geschaffen haben. Selbstkritik stünde Angela Merkel gut zu Gesicht, und zwar nicht nur mit Blick auf die unwürdige Behandlung der Opfer und der Angehörigen des Terroranschlages.

Zwischentöne?

Ich beobachte jedoch zunehmend, dass solche differenzierten Betrachtungen immer weniger Gehör finden. Ich glaube, es gibt wenige Publizisten in Deutschland, die seit Jahren Merkel (nicht nur wegen ihrer Flüchtlingspolitik) so scharf und in so vielen Beiträgen kritisiert haben wie ich. Aber man macht es sich zu einfach, alle Verantwortung für ein weltweites Problem wie den islamistischen Terrorismus, der nicht nur in Deutschland zuschlägt, allein bei der Bundeskanzlerin zu suchen. Gibt es noch Gehör für solche Versuche, in einer polarisierten und emotionalisierten Debatte mit Zwischentönen zu differenzieren?

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Kommentare ( 174 )

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Viktor Meyer
7 Jahre her

Vielleicht darf ich ergänzend anfügen: Auch Angela Merkel hat einen Vorgesetzten: nämlich nach Artikel 2 GG das Volk, und zwar das deutsche Volk im Sinne von Artikel 116 GG , und nicht etwa alle, die zufällig „länger hier leben“.

Ihr Job ist es, so schwor sie, („ey alta, isch schwör!“), „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden und seinen Nutzen zu mehren“ (Artikel 56, 64 GG).

Es wäre die Pflicht des deutschen Volkes gewesen, sie dafür zur Rechenschaft zu ziehen.

Viktor Meyer
7 Jahre her

Ich sehe das nicht so, Herr Zitelmann. Die politische Verantwortung trägt der Regierungschef. Punkt. Genauso wie ich als Vorgesetzter die volle Verantwortung für die Performance meines Teams trage. Meinem Vorgesetzten ist es völlig egal, wer wann wo Mist gebaut hat, wenn die Zahlen nicht stimmen. Schließlich ist es mein Job, dafür zu sorgen, dass das so ist; dafür hat er mich ja dorthin gesetzt. Sie vermengen hier die juristische Betrachtungsweise mit der politischen. In einem zivilrechtlichen Fall ist es sinnvoll darüber zu streiten, wer welchen Anteil am Schaden verursacht hat, um die Haftung festzulegen. Hier ist es etwas anderes. Angela… Mehr

Sandra L
7 Jahre her

Jedes Verbrechen, das von einem Täter begangen wird, der nur deshalb illegal einreisen konnte, weil Merkel im September 2015 bewusst einen massiven Rechts- und Verfassungsbruch begangen hat, ist in der Tat Merkels volle Verantwortung und auch Schuld. Dazu zählt bspw. der bestialische Sexualmord an einer Neunzehnjährigen in Freiburg, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatte. Verbrechen, die von Tätern begangen wurden, die seit Jahren unbehelligt illegal einreisen können, weil Merkel diese illegalen Einreisen ebenfalls rechtswidrig tatenlos geschehen lässt, sind ebenfalls Merkels Schuld. Dazu zählt der Massenmord in Berlin durch Amri und die Ermordung einer 70-jährigen Frau im Mai 2016… Mehr

Maria Raphael
7 Jahre her

Ich gebe ihr nicht die Schuld für das grundsätzliche Problem des islamischen Terrors. Ich mach sie allerdings gesteigert verantwortlich für den völligen (gewollten) Kontrollverlust und die aktive Ermöglichung solcher Zustände. Ihre Eiseskälte den Opfern gegenüber verschlimmert den allgemeinen Eindruck noch dazu. Also ja, Merkel ist schuld. An ihren Händen klebt Blut.

Michael Bodef
7 Jahre her

Ich denke es ist aktuell sehr schwer, zu diesem Thema und anderen.., überhaupt noch politischen Zwischentöne relevant einzubringen und so notwendige politische Diskussionen „breiter aufzustellen“… Es hat seite Jahren eine massive Polarisierung der Gesellschaft stattgefunden, in vielen Themenfeldern.., hervorgerufen durch Leugnen von Realitäten und oft unverantwortlichem „Nichthandeln“ des gewählten politischen Personals. Die dafür verantwortlichen Protagonisten der mittlerweile abgewählten Regierungsparteien stellen sich aber gewohnt „taub“.., und laufen wie Roboter ohne Hirn einfach weiter…., weiterhin „funktional“ mit Blick auf die eigenen Interessen natürlich.. – dafür reichen die weniger komplexen „hard ware“ verdrahteten Urinstinkte.. Deutschland scheint politisch nun leider dort angekommen zu sein,… Mehr

Hans Brautlecht
7 Jahre her

Wären die Täter nicht hier, wäre nichts passiert – so einfach!

Boudicca
7 Jahre her

Wetten! Neujahr werden wir wieder die schwurbeligen Sprüche von Merkel hören. Sie wird uns zu unserem Leidwesen versichern, die ganze Kraft in eine Groko mit der SPD zu legen und eine „stabile“ Regierung mit Schulz (Finanzminister) zu bilden. 2018 wird noch keine Lawine losgehen, aber ein Festival der Spesen und Posten für alle abgehängten Genossen. Die für Merkel etwas leidige Angelegenheit mit dem Breitscheidplatz liegt nun in den Händen des bewährt großzügigen Genossen Beck und damit aus ihrem Blickwinkel. Uff, nach Weihnachten kräht doch kein Hahn mehr nach alten Geschichten. Merkel wird weiter so machen und der nächste ihrer Gäste… Mehr

Alex Georg
7 Jahre her

Das ist die Frage: Ist man Schuld an seiner Inkompetenz oder sind die schuld, die einen Inkompetenten weiterhin Unheil anrichten lassen. Mit dem berühmten Satz „Wir schaffen das“ hat sich Merkel doch als vollständig inkompent demaskiert und bewiesen, dass sie nicht die leiseste Ahnung hat, wo die Belastungsgrenzen von Verwaltung, Justiz, Polizei, Schule, etc. liegen. Wie man so jemanden ein Land regieren lassen kann, ist eigentlich unbegreiflich. Aber nach ihren eigenen Worten regiert sie ja nicht, sondern sie „durchregiert“. Das heisst, sie macht was sie will und niemand fällt ihr in den Arm. Bundestag und Medien tragen m.E. die Verantwortung,… Mehr

Hartwin Brückner
7 Jahre her

Leider hat der Autor die Gesetze der Logik nicht berücksichtigt. Ohne die Grenzöffnung für Illegale wäre Amri niemals nach Deutschland gekommen.
Natürlich kann und muss man Grenzen schützen…
Der Vergleich mit Terror in muslimischen Ländern oder Frankreich ist falsch. Frankreich hat bereits durch seine Kolonialzeit sehr viele Muslime im Land…und Terror braucht eine Basis von Unterstützern, was eben viele Muslime sind.
Hätte sich Merkel an das Gesetz gehalten hätte sich diese nicht in Deutschland ansiedeln können…und deswegen kaum Raum für Terror gewesen.
Das ist Logik, Herr Zitelmann….und deswegen ist Merkel Schuld am Terror.

Dr. Dr. Zitelmann
7 Jahre her
Antworten an  Hartwin Brückner

Leider gibt es den Terror der Islamisten fast überall: Madrid, London, New York sind nur wenige Beispiele. Der Terror, der in vielen Ländern in Asien und Afrika stattfindet, wird hier kaum angemessen wahrgenommen. Deshalb ist es halt falsch, monokausal die Ursache in Merkels Flüchtlingspolitik zu sehen. Aber dass auch sie eine Verantwortung trägt, habe ich in meinem Artikel ausdrücklich gesagt – und bin damit denen entgegengetreten, die das leugnen.

Matthias Schnitzler
7 Jahre her

Ob 2001 wirklich ein ‚islamistischer‘ (das ist eine Erfindung des Westens – der Islam ist _immer_ auch politisch!) Anschlag war, das ist in meinen Augen vollkommen unklar. 2001 kann genau so gut das Terrormanagement der damaligen US-Regierung gewesen sein. Letzteres halte ich persönlich übrigens für wahrscheinlicher als einen Anschlag von durchgeknallten Muslimen.