Prozessbeginn gegen Polizisten in Dortmund nach tödlichen Schüssen auf Flüchtling

Am 19. Dezember 2023 begann ein Prozess gegen fünf Polizeibeamte. Der Einsatz von Pfefferspray, Taser und Schusswaffe sei rechtswidrig gewesen.

IMAGO / Funke Foto Services

Die Medienberichte zu diesem Fall sind im Wesentlichen bekannt. Der polizeiliche Einsatz hatte im Sommer 2022 für großes Aufsehen gesorgt. Im Schnelldurchlauf: Der 16-jährige (?) Mouhamed Dramé soll an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome erkrankt sein. Er wurde zuvor, mutmaßlich auf eigenen Wunsch, in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Die Ärzte stellten „keine Suizidgefahr“ fest und entließen den jungen Mann. Der landete in einer Jugendeinrichtung „St. Elisabeth“ in der Dortmunder Nordstadt. Dort soll er sich ein Haushaltsmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge an den Bauch gehalten haben. Ein Heimbetreuer rief daraufhin die Polizei. Nachdem Zivilpolizisten inklusive einer mehrsprachigen deutsch-portugiesischen Beamtin bei der Lagebewältigung keinen Erfolg hatten, ordnete der Einsatzleiter gegenüber uniformierten Polizisten an, Pfefferspray zur Entwaffnung einzusetzen. Die Lage lief dabei aus dem Ruder.

Auf die politischen „Nebengeräusche“ der immer gleichen „Aktivisten“, die im Grunde genommen der Versuch sind, auf den Prozess Einfluss zu nehmen, wird hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen. Diese Kampagnen sind allerdings nicht zu unterschätzen. Ich werde meine Auffassung, ausgehend von den bisher bekannten Tatsachen bzw. Annahmen zu diesem Einsatz, kundtun bzw. Verfahren mitteilen.

Nachdem alle Fachexperten aus den Bereichen Integration, Pädagogik, Psychologie, Psychiatrie etc. keine Lösungen im Umgang mit dem Senegalesen fanden, sollte die Polizei innerhalb einer kurzen Zeit den Feuerwehrmann machen. Nun muss man wissen, dass der Fortbildungsstand beim Umgang mit (tatsächlich) erkrankten oder gestörten Personen im polizeilichen Einsatz als sehr unterschiedlich zu bewerten ist. Dabei spielen nicht nur das Studium bzw. die Ausbildung, Fortbildungsseminare und Trainings, sondern auch Lebens- und Berufserfahrung sowie das Interesse für diese spezielle Problematik eine wesentliche Rolle (siehe hierzu Steffen Meltzer in „Deutsche Polizei“ ab Seite 4 hier und ab Seite 21 hier).

Die Beamten gingen gemäß ihrer Vorinformationen wahrscheinlich von einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben aus (Suizidrisiko einer Person) und rückten mit zwölf Beamten an. Davon ausgehend, dass der später Getötete bereits im Vorfeld in Erscheinung getreten war, muss das bei der Beurteilung der Lage zur Gefahrenabwehr eine wichtige Rolle gespielt haben.

Wer sich ein Messer an den Bauch hält und eine entsprechende Vorgeschichte hat, für die selbst Fachexperten keine Lösung hatten, ist eine konkrete Gefahr für sich und andere (Bürger, Polizisten). Die „statische Lage“ kann tatsächlich jederzeit in eine dynamische Lage umschlagen. Darauf müssen die Beamten vor Ort vorbereitet sein. Was konkret den Einsatzleiter zum „Zugriffsbefehl“ (Person entwaffnen), sprich dem Einsatz von Pfefferspray veranlasst hat, muss deshalb in diesem Prozess genauestens geklärt werden.

Es ist bekannt, dass dieses Einsatzmittel mitunter seine Wirkung verfehlt, vor allem bei psychisch stark erregten Personen und/oder Menschen, die unter Alkohol bzw. illegalen Drogen stehen. Es gibt Videos, die aufzeigen, dass Messerangreifer von Pefferspray völlig unbeeindruckt sind und ihr mörderisches Werk fortsetzen. Die Polizisten vor Ort konnten demzufolge nicht ausschließen, dass sie dennoch von dem Messermann angegriffen werden und haben ihre Kollegin mit Tasern und der Maschinenpistole MP5 abgesichert.

Der Befehl des Einsatzleiters hat eine Folgekette an Ereignissen ausgelöst. Die Anwendung der Tasers war folgerichtig, da der Messermann (wohl) auf die Beamten zugerannt ist. Hier sollen sich jedoch die bisherigen Zeugenaussagen in den bisherigen Ermittlungen widersprechen. Zwei Beamte schossen ihre Taser ab, von denen nur einer traf. Es stehen lediglich Medieninformationen (die sich aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ergeben) zur Verfügung, daraus folgernd sind mehrere Umstände objektiv zu ermitteln:

  • Welche Informationen hat der Beamte an der MP5 aufgenommen, bevor er entschieden hat, die Waffe einzusetzen?
  • Wie war sein konkretes Sichtfeld beschaffen?
  • Welche Zeit insgesamt und welche persönlichen Wahrnehmungen standen ihm für seine Entscheidung zur Verfügung?
  • Hat er bemerkt, dass ein Taser sein Ziel verfehlt hat und den zweiten Taser, der traf, überhaupt registriert? Falls ja, wie war aus seiner Sicht dessen Wirkung?
  • Welche Fluchtrichtung der eingesprühten Person nahm der Kommissar an der Waffe wahr?
  • Wie hielt der Senegalese sein Messer und mit welcher Geschwindigkeit bewegte er sich auf die Beamten zu? Oder „flüchtete“ er?
  • Hat die Staatsanwaltschaft das alles andere als selten vorkommende Phänomen „Suicide by Cop“ in ihren Ermittlungen einbezogen? Dabei lassen sich Menschen mit suizidaler Absicht vorsätzlich durch Polizisten erschießen, indem sie diese mit Angriffen etc. provozieren.

Die Handhabungssicherheit an der MP5 von Heckler & Koch ist bei den Beamten sehr verschieden trainiert und ausgeprägt. Suboptimal trainierte Beamte haben dann nicht mehr genügend freie Informationseinheiten zur Verfügung, um die Waffe ausreichend professionell einzusetzen, währenddessen gut trainierte Beamte damit keine Probleme haben. Auch dieser Umstand wäre aus meiner Sicht zu klären. Wie oft wurde an der MP5 trainiert? Hatte der Polizeibeamte überhaupt die dienstliche Möglichkeit, ausreichend seine Fähigkeiten an der Waffe zu erhalten oder zu verbessern?

Dieser Beitrag soll keinesfalls zum Nachteil des Schützen gedeutet werden. Immer mehr Probleme im Land und ein Aufgabenzuwachs für die Polizei haben dazu geführt, dass auch hier und da an den Trainingszeiten gedreht wurde. Das darf dem Beamten, falls das zutreffen könnte, nicht nachteilig ausgelegt werden. Es sind vielmehr weitere Informationen notwendig. Die angeklagten Polizeibeamten müssen nun ausbaden, was ihnen andere eingebrockt haben.


Steffen Meltzer ist Autor des Buches Ratgeber Gefahrenabwehr, erhältlich im TE-Buchshop >>>

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Kommentare ( 37 )

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Alrik
1 Jahr her

Die Polizeibeamten hätten den Einsatz verweigern sollen und es den Fachleuten der Jugendhilfeeinrichtung überlassen können sich um den Jugendlichen zu kümmern.
Im schlimmsten Fall wäre ein der Betreuer zu Schaden gekommen, was immer noch besser ist als wenn ein jugendlicher Geflüchteter verletzt oder gar getötet wird. Ich bin mir sicher die guten Menschen die jetzt von Polizeigewalt reden hätten Verständniß dafür wenn die Polizei auf solche Meldungen einfach nicht mehr reagiert.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Das Problem lässt sich schnell erklären: Die Polizei wird mit Aufgaben betreut, die sie gar nicht bewerkstelligen kann. Da wird nicht einfach nur die Tür nach Europa geöffnet, sondern auch noch jeder eingelassen und damit auf die Gesellschaft losgelassen, der nicht nur mit unserer Kultur im Kriegszustand steht, sondern auch noch mentale Probleme hat. Also so etwas wie die Inklusion in der Schule, bloß gesamtgesellschaftlich. Was das für Polizei bedeutet, ist klar: Eine massive Erweiterung ihres Aufgabenspektrums hinein in psychologische Betreuung von frei umherlaufenden Psychopathen, die gar nicht frei herumlaufen dürften. Dass die Polizei dies nicht zu leisten vermag, weil… Mehr

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  Ralf Poehling

Diejenigen, die sagen „Wir schaffen das“ sind doch durchweg Leuite, die selbst egentlich gar nichts direkt beitragen um Es zu schaffen und real direkt nicht direkt mit den den Problemen betroffen sind, Leute die nur angeben / bzw vorgeben was Andere zu tun und zu lassen haben. Wenn die „Exdperten“ mit dem Mann nicht „fertig“ wurden bzw. zurecht kamen kann es ja nicht sein, daß das Problem dann auf die Polizei „abgewälzt“ wird. Bei einem Polizeieinsatz bei so etwas muß immer damit gerechnet werden, daß die Polizei auch schießt und Täter tötet. Polizei ist ja wohl deshalb bewaffnet um sich… Mehr

Pumpernickel
1 Jahr her

Auf der ‚Flucht‘ nach Deutschland wurde angeblich seine ganze Familie getötet. Nun sind sie doch da, um auf Steuerzahlerkosten dem Prozess beizuwohnen und das ganze Dorf zu ‚entschädigen‘

Wer hat die Polizei gerufen? Die Sozialarbeiter!

Und Nein, der gute Junge hat das Messer nicht gegen sich selbst gerichtet; er hat aktiv Menschen bedroht. Kein Pfeffer, kein Taeser konnte ihn stoppen

Abartig, …

Juergen Semmler
1 Jahr her

FREISPRUCH für die Polizeibeamten !

Sie haben u.a. auch verhindert, dass der psychisch kranke Senegalese morgen…übermorgen ….arglose Bürger in einer Fußgängerzone oder im Bus oder der Bahn absticht, wie zahlreiche solcher Vorfälle bereits belegen.

Faeser und Co. gehören auf die ANKLAGEBANK wegen FAHRLÄSSIGKEIT und fast schon billigender Inkaufnahme von tödlichen Angriffen auf ihre „Mitarbeiter im Streifendienst“.

Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her

Wäre ich von dem Fall betroffen, würde ich als Beschuldigter mit Staatsauftrag zum Handeln losgeschickt eine Aussage vor Gericht verweigern. Wenn ein Polizist, der genau so ein Mensch ist, wie der Auslöser des Einsatzes, der in Folge seines Dienstauftrages, seine vorgegebene Arbeit tut, von seinem Auftraggeber, eben diesem Staat jedoch für die Konsequenzen seines staatlich angeordneten Einsatzes, selbst vor Gericht gestellt wird, da hört mein Verständnis von Rechtsstaat auf. Die Herren Staatsanwälte, die scheinbar nicht wissen, was sie da tun, mögen in einem solchen Fall selbst vor Ort gehen und die Sache im Sinne ihres Rechtsverständnisses lösen. Um es klar… Mehr

Waldilein
1 Jahr her

Es ist einfach unfassbar, dass der Ausländer zum Opfer gemacht werden soll.
Mit tun die Polizisten Leid, wie kann man nur so mit ihnen verfahren. Die Polizisten haben doch vorher alle milden Einsatzmittel versucht.
Es ist beschämend, was in diesem Land los ist. Wir wollen diese Flut von Ausländern hier nicht.

Ali Mente
1 Jahr her

Man soll dem Schützen eine Auszeichnung und Beförderung geben und gut ist! Er hat 12 Polizisten vor einem gefährlichen und wahnsinnigen Messermann beschützt!

Siggi
1 Jahr her
Antworten an  Ali Mente

Und wer weiß, was dadurch noch verhindert wurde. Von diesen tickenden Zeitbomben haben wir sehr viele im Land. Die Herkunftsländer haben nun sehr viele Probleme weniger.

reconquistadenuevo
1 Jahr her

Ohne den zwangsläufigen Massenimport von Kriminalität infolge der nicht nur geduldeten, sondern geförderten illegalen Massenimmigration säße dieser Polizist nicht auf der Anklagebank. Hier müssten ganz andere sitzen !
Wer unter den heutigen politischen und gesellschaftlichen Umständen noch Polizist werden will, dem ist leider  nicht mehr zu helfen. Intelligenz fängt bekanntlich bei der Berufswahl an

DeppvomDienst
1 Jahr her

Nachdem ich jahrelang Wache an Wache als Notarzt im Rettungsdienst immer ein sehr enges Verhältnis zur Polizei hatte, hat sich diese Einstellung leider durch Erfahrung mit der neuen Generation um 180° gewandelt. Kürzlich nahm die Behörde Borken mir und meiner Frau unsere legalen Waffen ab, die wir wegen ständigen Bedrohungen durch Familienclans in einem Schrank der höchsten Stufe angemeldet, gemeinsam im Schlafzimmer sicher lagerten. Die Beamtin hatte einfach nur meine 2 Jahre alte Anmeldung verschwinden lassen, etwas wofür die Behörde wohl bekannt ist. Meine naive Einstellung, das wenn kein Widerspruch kommt, alles ok sei, war dumm und wurde eiskalt und… Mehr

Paprikakartoffel
1 Jahr her

Sie haben vollkommen recht. Die Untersuchung ist absolut notwendig. Ich glaube, daß vielen einfach der „Rassismus“-Dauerjaulton des wohlgefütterten Vorfelds und die entsprechende Mediendarstellung auf die Nerven geht. Die Polizei ist nicht schlechthin „rassistisch“. Wenn man die kulturelle Zusammensetzung in der zu ergoogelnden Stichprobe „Tatverdächtige“ „Hauptbahnhof“ „Köln“ „Vornamen“ (Landtag NRW) einschätzt, dann ist der Polizeikontakt gerade dieses Toten kein statistischer Ausreißer.

Last edited 1 Jahr her by Paprikakartoffel