Richtig, Frau Abgeordnete Ludwig! Jetzt warten wir gespannt auf Ihre Presseinformation zur Türkei.
Manchen ist offenbar nichts zu peinlich. Am Freitag vor den Landtagswahlen landete eine Pressemitteilung der CDU-CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag in der Mailkiste, deren Betreff aufhorchen ließ. Sollte zumindest die Fraktion begriffen haben, dass die von Recep Tayyip Erdogan nicht nur in den Krieg gegen die eigene Bevölkerung, sondern gezielt in die Diktatur geführte Türkei doch nicht Partner oder gar Mitglied der EU sein kann?
Erinnern wir uns kurz – denn Stoff, die Türkei NICHT als Partner zu betrachten, gibt es genug.
- Im vorletzten Jahr wurden überwiegend junge, mutige Demonstranten brutal niedergeknüppelt, als sie beispielsweise gegen die von Erdogans AKP gewünschte Bebauung des Taksim-Platzes in Istanbul demonstrierten.
- Staatsanwälte, die offenkundige Verwicklungen der Erdogan-Sippe in Korruption aufdeckten, wurden ohne Federlesen ihrer Ämter enthoben und strafversetzt.
- Künstler und Schriftsteller, die sich kritisch mit der den Muslimbrüdern nahestehenden AKP beschäftigten, mussten das Land verlassen um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden.
- Die türkische Zentralregierung brach vergangenen Sommer einseitig den Waffenstillstand mit der kurdischen PKK, deren Kämpfer sich im Bündnis mit den Kurden in Nordsyrien zu einer Speerspitze im Kampf gegen den fundamentalislamischen IS entwickelt hatten. Seitdem bekämpft Erdogan mit brutalen Mitteln das Volks nicht nur im eigenen Land.
- Als bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr der AKP die gewünschte absolute Mehrheit versagt blieb, ließ Erdogan Neuwahlen ansetzen, bei denen die AKP – oh Wunder – ausgerechnet in den mittlerweile unter Dauerfeuer liegenden, kurdischen Städten im Osten der Türkei erstaunliche Zuwächse erhielt.
- Im Vorfeld der Wahlen kam es zu mehreren Attentaten auf kurdische Jugendliche und friedliche Demonstranten. Bekennerschreiben blieben bis heute aus und manches deutet darauf hin, dass maßgebliche, der AKP nahestehende Kräfte in der Türkei damit ihren Kampf gegen die eigene Bevölkerung vorbereiten wollten.
- Als die laizistische Presse über die Verbindungen des Erdogan-Clans zum terroristischen „Islamischen Staat“ berichtete, wurde die Chefredaktion unter dem absurden Vorwurf der „Spionage“ inhaftiert und erst nach einem Eingreifen des Verfassungsgericht entlassen. Die Anklage ist damit jedoch nicht vom Tisch.
- Als das türkische Verfassungsgericht die Inhaftierung der laizistischen Redakteure als Verfassungsverstoß geißelte, erklärte Erdogan öffentlich, die Urteile des Verfassungsgerichts nicht anzuerkennen. Mittlerweile stellt er sogar dessen Existenz in Gänze in Frage.
- Um sich die Alleinauslegungshoheit über „seinen“ Islam zu sichern und kritische Stimmen gegen seine Politik mundtot zu machen, ließ Erdogan die auflagenstärkste Zeitung seines früheren islamischen Verbündeten Gülen unter Staatsaufsicht stellen. Pressefreiheit? Fehlanzeige.
Und all das ist nur die Spitze eines Eisbergs, in dessen kalten Höhlen zahlreiche Menschen eingekerkert sind, weil sie angeblich mit einem „tiefen Staat“ die Erdogan-Regierung hätten wegputschen wollen oder aus anderen Gründen dem Präsidenten auf die Nerven fielen.
Denn Diktaturen sind keine Partner …
Stoff genug also für eine aufrechte, den Menschenrechten verpflichtete Union, endlich Konsequenzen zu ziehen und die Gespräche mit der Türkei auf Eis zu legen. Denn „Diktaturen sind keine Partner“ – weder wenn es darum geht, Flüchtlinge und illegale Wirtschaftsmigranten aus Europa fernzuhalten, noch und erst recht nicht dann, wenn diese Diktaturen auch noch die Aufnahme in ein Bündnis freier, weitgehend aufgeklärter Staaten erzwingen wollen, welches sich „Europäische Union“ nennt.
Also klickte ich die Pressemitteilung erwartungsvoll an in der Hoffnung, nach der regierungsamtlich verordneten Medikation aus Valium und Meth nun endlich auch mal klare, kritische Positionierungen der Fraktion zur irregeleiteten Politik der Chefetage zu lesen. Denn wie gesagt: „Diktaturen sind keine Partner“! War Volker Kauder endlich aufgewacht und seiner Vasallenrolle entronnen? Hatte er sich an die hehren Grundsätze erinnert, derentwegen er als junger Mann einst die CDU im Ländle als politische Heimat gewählt hatte?
Doch was bekam ich dann zu lesen? Ganz oben drüber stand als Autorenname die – obgleich mir bis zum heutigen Tage nicht aufgefallen – möglicherweise weit über ihren Wahlkreis Rosenheim hinaus bekannte Daniela Ludwig.
Nun ja, dachte ich noch kurz – es ist im politischen Geschäft nicht ungewöhnlich, erst einmal Minenhunde vorzuschicken. Insofern hätte die CSU-Direktkandidatin aus dem schönen Oberbayern ja durchaus ein solcher Minenhund der Fraktionsführung sein können.
Nur kleine Diktaturen sind keine Partner
Aber mitnichten. Denn schon die nachgeschobene Überschrift sollte mich eines Besseren belehren. Da stand deutlich und unmissverständlich: „Malediven sind fragwürdiges Partnerland der ITB“.
Es folgte eine Erklärung, die dann allerding auch für die Türkei wortgetreu gelten kann:
„Hinter der Traumstrandkulisse verbirgt sich allerdings eine Diktatur, die Regimekritiker rücksichtlos verfolgt und die Demokratie weitestgehend abgeschafft hat. Darüber hinaus zählen … mittlerweile zu den korruptesten Ländern der Welt. Es ist durchaus möglich, dass es mithilfe des Tourismus gelingen kann, eine etwas freiere Weltanschauung in dieses Land zu bringen. Der Weg zeigt jedoch nicht in Richtung Demokratisierung – ganz im Gegenteil.“
Richtig, Frau Abgeordnete Ludwig! Nur – warum fällt Ihnen so etwas nur zu den Malediven ein? Oder lassen Sie es mich anders formulieren: Wenn die Erdogan-Türkei dauerhaft Deutschlands Partnerland in der ganz großen Politik ist – dann sollte wirklich niemand ein Problem damit haben, dass die ähnlich gestrickten Malediven einmalig als Partner bei der Internationalen TourismusBörse auftreten. Und darauf einstellen, dass dann demnächst die Nordkoreaner dran sind, sollten Sie sich vorsorglich auch.
Was Sie aber auf jeden Fall tun sollten: Ihre Prioritäten überdenken. Denn – wie gesagt – wer mit dem Muslimbruder und Demokratie-Abschaffer Erdogan kuschelt, der sollte auch vor einem Bussi von Abdulla Yameen nicht zurückschrecken. Oder war es etwa doch eine Art Minenhund-Aktion? Wollten Sie mittels Malediven testen, wie die Aussage „Diktaturen sind keine Partner“ beim Wahlvolk ankommt?
Besteht am Ende vielleicht doch noch ein kleiner Rest Hoffnung, dass Sie sich nicht nur lächerlich machen wollten? Ich warte gespannt auf Ihre Presseinformation zur Türkei. Die Schablone haben Sie ja schon –Sie müssen nur „Malediven“ durch „Türkei“ ersetzen. Und als Überschrift bietet sich an: „Türkei ist fragwürdiges Partnerland der EU“. Also – eigentlich schon alles fertig. Sie müssen es nur noch umsetzen, Frau Ludwig.
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