Der Fußball-Rekordmeister FC Bayern hat einen bairischen Leitspruch: „Mia san mia“ (Wir sind wir), der bedeutet: Wir machen, was wir wollen, und wenn die Anderen (= Ihr) das nicht akzeptieren, ist es deren Problem.
Politisch pflegte die CSU dieses „Mia san mia“, aber seitdem sie bei Landtags- und Bundestagswahlen nicht mehr über 50 Prozent der Stimmen erhält, sondern nur noch um 35 Prozent, wirkt das nicht mehr glaubhaft.
Neben dem eindeutigen Wir, das sich gegenüber einem Ihr klar abgrenzt, gibt es auch ein unscharfes, das grundsätzlich offen lässt, wer „dazu“ gehört und auch alle einschließen kann. Dieses unbestimmte Wir beherrscht in Deutschland den aktuellen Regierungsdiskurs zur Energiepolitik.
Ein Ihr, gegenüber dem sich das Wir abgrenzt, kommt weder bei Scholz noch Habeck vor. Es gibt nur ein alternativloses Wir, und dieses hat je nach Kontext einen verschiedenen Begriffsumfang: Personbezogen meint es Kanzler bzw. Vizekanzler, im engen Sinn die Bundesregierung und ihre Minister; im weiteren Sinn den Staat und schließlich alle zusammen, Regierende und Regierte. Aber wer ist mit diesem großen WIR, das ganz selbstverständlich klingt, faktisch gemeint? Was ist der gemeinsame Nenner dieser Gemeinschaft?
Neben den „Deutschen“ kommt als Träger des großen WIR auch der im Grundgesetz (Präambel) genannte Verfassungsgeber in Frage: das „Deutsche Volk“. Aber dieser Ausdruck ist politisch noch inkorrekter als „die Deutschen“: Politische Texte, in denen das „deutsche Volk“ häufiger vorkommt, werden deshalb vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft.
Mit dem Wörtchen „wir“ will die Regierung in der Energiekrise alle ansprechen und einbeziehen. Diese kommunikative Integration bleibt aber beschränkt auf eine Diskurswelt, die wenig mit den Fakten zu tun hat: „Dass wir den Gasverbrauch reduzieren“ (Habeck), heißt ja nicht, dass jemand, der die Energiepolitik der Bundesregierung für falsch hält, nun privat für deren Folgen einsteht und sich mit ihr solidarisch „unterhakt“ (Scholz).
Das Wir ist eine Sprechblase, die im Winter im Praxistest platzen könnte. Was bliebe dann? Ein „diverses“ oder „vielfältiges“ Deutschland mit vielen Ich- und Wir-Gruppen – also genau das Gegenteil des großen WIR, das sich Kanzler und Vizekanzler wünschen.