„Länger arbeiten für weniger Rente – wie gemein ist das denn?“, fragen sich viele, die seit 1960 geboren wurden und hohe Steuern und Beiträge bezahlen – aber genau wissen: Altersarmut, und zwar ihre Altersarmut, wird für diese Generation Massenphänomen.Denn Viele aus der heute aktiven, berufstätigen, hohe Beiträge zahlenden Generation werden trotz längerer Arbeit im Alter aufs Sozialamt gehen müssen. Das sind keine guten Perspektiven.
Dass wir zu wenige Kinder kriegen, ist der eine Grund. Und weil nicht geborene Kinder auch keine Kinder bekommen, müssen immer weniger Berufstätige immer mehr Rentner unterhalten. Das ist die schlechte Nachricht. Ein Zahlenbeispiel zeigt das: Es sind die Kinder der Beat-Generation, die 2014 vor 50 Jahren geboren wurden. Genau 1 357 304 Babys erblickten in den Kreißsälen der beiden Teile Deutschlands das Licht der Welt. Die Zahl markierte den Höhepunkt eines Geburtenbooms, der seit den 50er Jahren einsetzte und Deutschland einen der stärksten Bevölkerungszuwächse der Geschichte bescherte. Danach kamen Pillenknick und Geburtenrückgang, erst langsam, dann immer rascher. 51 Jahre später wurden ziemlich genau nur halb so viele Kinder geboren. Daran sieht man: Die Generation Zahnspange, die auf die Generation Beat folgt, ist nur halb so groß. Die Generation Beat mag ein gutes Leben gehabt haben. Im Alter aber wird es knapp werden. Generationengerechtigkeit ist eine gefährliche Sache. Keine gute Nachricht.
Aber es gibt auch eine gute: Weil wir immer länger leben, wird unsere erarbeitete Rente gestreckt – und dabei dünn wie ein Pizzateig. Damit der nicht zu dünn ist, müssen wir länger arbeiten. Das ist gemein, aber ist es wirklich schlimm?
Mal ehrlich: Die Kinder der Generationen Beat wie Zahnspange mussten nie frieren – außer im Skilift. Sie haben nie gehungert – außer bei der Frühjahrsdiät. Und sie stemmen freiwillig in der Muckibude Gewichte – weil körperliche schwere Arbeit Gott sei Dank eher selten geworden ist.
Wir sind so fit wie nie zuvor. Die heute 70-Jährigen sind geistig, biologisch und gesundheitlich so gut drauf wie die 50-Jährigen damals, 1960. Mal ehrlich: Längst nicht alle, aber viele Frührentner von heute wissen doch oft gar nicht wohin mit ihrer Kraft, Lebenslust und Energie. Das ist einer der Gründe, warum heute nicht mehr die Studenten demonstrieren, sondern die Grauen, von Stuttgart 21 bis Dresden-Pegida.
Und es wird immer besser: Die Kinder des Jahres 2000 werden fast alle 100 Jahre alt, sagen die Forscher übereinstimmend. Das ist die gute Nachricht. Aber mit 63 in die Nahles-Rente und bis 100 Rente kassieren – diese Rechnung wird nicht aufgehen.
Deshalb ist es auch so grundfalsch, dass die Große Koalition die Frührente wieder zum Leben erweckt hat. Nicht, weil ich jemandem die frühe Rente missgönnen würde. Aber Sigmar Gabriel und Angela Merkel tun so, als könnten sie wegen einiger zufälliger Milliarden Überschuss in der Rentenkasse die Grundrechenarten außer Kraft setzen. Und da lautet das Ergebnis: leider, leider, länger malochen.
Übrigens gilt das auch für eine Gruppe, die dabei gerne außen vor gelassen wird: Beamte. Die Pensionsleistungen werden explodieren – von derzeit rund 30 Mrd. auf 130 Mrd. im Jahr 2040 (Die Zahlen unterscheiden sich geringfügig je nach Abgrenzung; aber dies ist die Dimension um die es geht). Auch dies ist nicht finanzierbar. Pensionäre, gewohnt in Kategorien des Rechts zu denken, pochen auf ihre Ansprüche. Aber wenn kein Geld da ist, hat das Recht seine Wirkung verloren. Bislang gilt diese Regel für Beamte nur in sehr abgemilderter Form. Während gerade privat finanzierte Renten- und Lebensversicherungen wegen der Null-Zins-Politik in die Knie gehen, sind sie noch ungeschoren; allerdings gibt es bereits erste Kürzungen. Aber es werden unausweichlich massivere werden. Die Demographie wirkt für alle.
Schon jetzt leidet der Staat nicht an einem Mangel an Einnahmen – sondern an einem Mangel an Investitionen. Um rund 40 Prozent stiegen die Staatseinnahmen seit 2005; trotz der angeblich so furchtbaren Finanzkrise. In den nächsten Jahren kommen voraussichtlich nochmal 50 Milliarden dazu. Trotzdem verrottet die Infrastruktur, wind Bildung und Forschung chronisch unterfinanziert.
Und ja, es ist ungerecht, dass es ein paar goldenen Jahrgängen besser geht, während in Zukunft Renten, Betriebsrenten und Pensionen schmelzen wie der letzte Rest Schnee auf den Skipisten. Aber was ist gerecht?
1891, als Otto von Bismarck (1815–1898) die Soziale Rentenversicherung einführte, musste bis 70 geschuftet werden. 7 Monate später waren die Rentner dann „weg vom Fenster“, wo sie ihre paar Rentenmonate elend und krank verbracht haben. Da waren sie nämlich im statistischen Durchschnitt tot. Dafür lachten die Beitragszahler – denn sie waren mit 1,7 Prozent dabei statt mit 18,7 Prozent wie heute. Damals wurde 70 bis 80 Stunden in der Woche rangeklotzt, und zwar hart und ohne Urlaub.
Von den 65- bis 74-Jährigen arbeiten in Norwegen 18,7%, in der Schweiz 16%, in Schweden 12%. In Deutschland nur 7,2 %. Länger arbeiten wird unausweichlich sein, und es fällt auf, dass die skandinavischen Sozialstaaten da voran gehen.
Wenn man darüber nachdenkt, wird schnell klar: Lieber leben wir unter Sozialministerin Andrea Nahles (44, SPD), die sich kurzfristig reich rechnet, als unter Otto von Bismarck, der schlau war wie ein Fuchs. Denn wenn der wieder die Rente berechnen würde – müssten wir wieder bis 85 arbeiten. Mindestens. Die Frage ist nur: Wer bezahlt?
(Dieser Beitrag ist kürzer auch auf Bild.de und BildamSonntag zu lesen)
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