Den Preis für die gemeinste Überschrift des Jahres gebührt dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier. „Verlage empört. Jetzt will Google nicht mal mehr ihr Recht verletzen“. Es hat ja was: Da wollen die Verlage Geld dafür, wenn Suchmaschinen längere Texte verwenden. Aber jetzt macht Google genau das – und bietet nur noch die kürzest mögliche Version als Suchergebnis an, natürlich mit ohne Text. Was wollten die Verlage, aber irgendwie genau so doch nicht. Google führt die Verlage am Nasenring durch die Arena.
Es zeigt eigentlich, wie mächtig die Suchmaschine ist; wer nicht vorkommt, ist nicht. Kleinere Suchmaschinen wie die der Telekom, waren weniger zimperlich: wer Kohle will, fliegt raus. Aber darüber hat sich kaum jemand so wirklich aufgeregt; wen jucken die Brosamen, die Google übrig läßt. Die Details beschreibt Niggemeier präzise.
Das Vorgehen zeigt aber auch die Hilflosigkeit. Google bietet ja tolle Dienste an und hat sich mit dieser Leistung eine beherrschende Marktstellung aufgebaut. Es kommt fast einer Infrastruktur gleich, wenn auch nur virtuell und nicht aus Asphalt oder Schienen. Und wenn sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel seinen Allmachtsphantasien hingibt und Google zerschlagen will, dann kann es ihm gehen wie den Verlegern: Stellen wir uns vor, Google schaltet unter dem Druck Gabrieles morgen Google-Maps ab – da fände vermutlich Gabriel am Abend den Weg von der Kneipe ins Bett nicht mehr.
Wettbewerb läßt sich eben nicht so einfach erzwingen. Unsere famose „Internet-Botschafterin“ Gesche Joost sprach noch gestern bei „Disput Berlin!“ davon, dass wir in Deutschland keinen kalifornischen Kapitalismus wollen, keine solchen Cowboys und Goldgräber. Klar, wollen wir die nicht, weil wir sie nicht haben und niemals kriegen. Deshalb müssen wir also froh sein, wenn sie uns gnädig mitnehmen in ihren Suchergebnissen und ihre Dienste hier anbieten. Deutschland hat die Zukunft verschlafen. Das kann böse enden. Die digitale Welt dringt in immer mehr Bereiche ein, die wir noch für physische Produkte oder unverzichtbare Dienstleistungen halten. Richard David Precht erwartet, dass demnächst auch der Hausarzt überflüssig wird -einfach weil die modernen, am Körper getragenen Sensoren alle wichtigen Körperfunktionen ständig messen und auswerten und vom Smartphone der genauere ärztliche Rat kommt als vom Onkel Doktor, der uns nur einmal im Jahr sieht und eine Zufallsmessung im Labor anstellt. Auch die scheinbar sichere Welt der Hochschulen ist bedroht, wen man sich Nobelpreisträger auf den Bildschirm holen kann aus Standford oder vom MIT, die man auch noch scrollen kann – wer wird und will da noch die Fachhochschule Rosenheim besuchen?
Da finden wir in Berlin ja schon Supi, dass wenigstens Zalando an die Börse geht – allerdings ein Geschäftsmodell, das nun wirklich schon bekannt und ausgelutscht ist, was nicht gegen seinen kommerziellen Erfolg spricht: Aber so richtig Zukunft ist es auch nicht. Die wird woanders programmiert. Und wir verbieten das dann – und sind beleidigt, wenn sie es uns nicht geben, so wie Google jetzt die Verlage zappeln läßt? Das kann es nicht sein. Deutschland braucht keine ewig Schirrmacher wiederkäuende Datenschutzdiskussion, sondern eine Diskussion, wie wir Standort der digitalen Zukunftsindustrien werden und nicht bei der Blechbiegerei stehenbleiben im Digitalen Niemandsland.
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