Die Finanzkrise ist längst nicht vorbei

Der Internationale Währungsfonds warnt in seinem aktuellen Stabilitätsbericht: Die Schulden von Regierungen, Haushalten und Unternehmen der G20-Staaten sind auf einem neuen Höchststand.

© Jim Watson/Getty Images

So viele Schulden gab es noch nie – und dies, „obwohl“ die Zinsen für Staatsanleihen in den meisten Ländern nahe bei Null Prozent (teilweise sogar darunter) liegen und auch die Zinsen für Unternehmensanleihen und private Anleger so niedrig sind wie noch nie. Rechnet man die Verschuldung von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten in den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern zusammen, dann belaufen sie sich laut dem aktuellen IWF-Bericht auf 135 Billionen Dollar oder 235 Prozent (!!) der jährlichen Wirtschaftsleistung. Sie sind damit so hoch wie noch nie.

Schulden steigen immer schneller

Wer so naiv ist zu glauben, dass die Schulden wegen der Null-Zinsen langsamer steigen als sonst, der irrt. Das trifft zwar für Deutschland zu, nicht jedoch für den Rest der Welt. Dort steigen die Schulden sogar noch schneller, gerade weil es das Geld (fast) umsonst gibt. Staaten, Unternehmen und private Haushalte sind noch stärker verschuldet als vor Beginn der Finanzkrise. Laut IWF betrug der Schuldenanstieg von 2006 bis 2016 allein beim US-Staat 11,1 Billionen Dollar und allein bei chinesischen Unternehmen 14,4 Billionen Dollar. Die Schulden steigen auch stärker und schneller als das Bruttoinlandsprodukt.

Finanzkrise ist nicht vorbei

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Ich reibe mir immer wieder die Augen, wenn ich in Medien von der Finanz- und der Eurokrise in der Vergangenheitsform lese, so als seien diese Krisen vorbei. Das ist natürlich vollkommen absurd. Die Anleihenkaufprogramme der EZB und der Fed gehen ja weiter und auch die Leitzinsen sind (trotz minimaler Erhöhung in den USA) nach wie vor fast bei Null. Würde die EZB die Zinsen deutlich anheben, dann wären Länder wie Italien und Griechenland bald pleite und der Aktienmarkt würde massiv einbrechen. Und das soll „normal“ sein? Nein, wir sind mitten in der Finanzkrise, nur das nicht mehr darüber gesprochen wird, weil wir uns alle langsam an die Nullzinspolitik gewöhnt haben.

Zentralbanken führen sich wie Planungsbehörden auf

Die Zentralbanken führen sich wie Planungsbehörden in einer Planwirtschaft auf, die ihre Aufgabe nicht mehr darin sehen, die Geldwertstabilität zu garantieren, sondern die Marktkräfte zu beseitigen. In Europa hat die Zentralbank den für die Marktwirtschaft entscheidend wichtigen Preismechanismus teilweise außer Kraft gesetzt, weil echte Marktzinsen praktisch abgeschafft wurden. Die maßlose Verschuldung der Staaten wurde dadurch nicht eingedämmt, sondern sogar noch erheblich verstärkt.

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„Je länger die Phase der niedrigen Zinsen andauert“, warnt der Ökonom Thomas Mayer, „desto stärker werden die Preise für Vermögenswerte verzerrt und desto größer ist die Gefahr, dass der Ausstieg aus der Politik der niedrigen Zinsen einen erneuten Einbruch der Wirtschaft und eine weitere Finanzkrise zur Folge hat.“ Ein erneutes Aufflammen der Finanzkrise, das kann man mit Sicherheit vorhersagen, würde von Politikern und Medien dann dem „Kapitalismus“ zugeschrieben, obwohl sie in Wahrheit gerade aus einer Verletzung kapitalistischer Prinzipien resultierte. Wenn die Diagnose falsch ist, ist auch die Therapie falsch. Und diese Therapie heißt: Noch mehr Staat, noch weniger Markt.

Folgen der Nullzinspolitik

Durch die Nullzinspolitik ist die Aufnahme neuer Schulden scheinbar kein Problem und die Parteien können weiterhin soziale Wohltaten in großem Stil verteilen, um ihre Wähler bei Laune zu halten. Doch die Nullzins-Politik hat dramatische Folgen. Die Preise für Immobilien, Anleihen, Aktien und andere Vermögenswerte steigen immer stärker, es bauen sich neue Blasen auf. Um überhaupt noch eine Rendite zu erzielen, investierten private und institutionelle Investoren in immer riskantere Anlagen. Alles ist möglich – so konnte das Pleiteland Argentinien eine 100-jährige Staatanleihe platzieren und wem die Zinsen in Deutschland und den USA zu niedrig sind, der hat die Wahl zwischen Zinspapieren aus dem Irak oder einer 40jährigen Amazon-Anleihe. Auch im Immobiliensegment setzen Anleger auf immer riskantere Anlagen, weil „Core“-Immobilien ausverkauft sind und bei realistischer Rechnung fast keine Rendite mehr bringen.

Gefahr für die Banken

Gefahr droht durch die Nullzinspolitik zudem für die Banken. Der IWF legt dar, dass ein Drittel der als bedeutend für das Weltfinanzsystem eingestuften Banken mit einer Bilanzsumme von zusammen 17 Billionen Dollar nicht genug verdienen. Etwa die Hälfte dieser schwachen Geldhäuser schafft es nicht einmal, die eigenen, meist schon bescheidenen Ertragsziele zu erreichen. Das ist das direkte Ergebnis der Bankenrettungspolitik, nach der fast jede Bank heute als „too big to fail“ betrachtet wird. Der für eine Marktwirtschaft entscheidend wichtige Auslesemechanismus wurde im Finanzsystem, das stärker reguliert ist als jeder andere Wirtschaftszweig, außer Kraft gesetzt. Sollte es zu einem Einbruch in der Wirtschaft und an den Aktienmärkten kommen, stehen viele Banken vor dem Aus und „müssen“ wieder durch Steuergelder gerettet werden, was die Staatsverschuldung weiter erhöht.

Gefahr für die Altersvorsorgesysteme

Gleichzeitig drohen die Altersvorsorgesysteme zusammenzubrechen: Angesichts des demografischen Wandels in vielen westlichen Ländern ist klar, dass eine nach dem Umlageverfahren organisierte staatliche Rentenversicherung nicht mehr das leisten kann, was sie einmal versprochen hat, zumal sich die Politiker scheuen, die Lebensarbeitszeit im eigentlich notwendigen Maße zu verlängern. Wegen der schon heute absehbaren schweren Krise der gesetzlichen Rentenversicherung wäre die Ergänzung durch private Altersvorsorge umso wichtiger.

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Doch auch private Lebensversicherungen und betriebliche Pensionsfonds kommen durch die Nullzinspolitik in Not, weil sie die früher auf Basis höherer Zinsen kalkulierten Renditen nicht mehr annähernd erwirtschaften können. Die Menschen fangen an zu verstehen, dass die Gefahr der Altersarmut massiv steigt, was die gesellschaftliche Unzufriedenheit erhöht.

Durch die gigantische Schuldenaufnahme und die Intervention des Staates bzw. der Zentralbanken werden die Probleme vergrößert und in die Zukunft verlagert. Dies geschieht so lange, bis das System entweder durch radikale kapitalistische Reformen wieder gesundet (leider das weniger wahrscheinliche Szenario) oder aber bis es zusammenbricht bzw. aus der Krise Demagogen emporsteigen, die mit ihren Heilsversprechen die Massen mobilisieren und in die Unfreiheit führen.

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Kommentare ( 26 )

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Deli Delinix
7 Jahre her

Ja, das ist in der Tat makaber.

Rainer Zitelmann
7 Jahre her

Haben Sie mich eben zum Vorsitzenden der FDP erkoren? Prima. Bin leider nur einfaches Mitglied. 🙂

Родион Раскольников
7 Jahre her

Das Vertrauen in die Währung schwindet und wenn alle zur Bank rennen, gehen 90% leer aus. Oder sollte ich besser 99% sagen? Die Einlagensicherung ist ja nur noch bei 1% und der Rest wird fleißig verliehen.

Rainer Zitelmann
7 Jahre her

Ich würde daher keiner Bank größere Beträge anvertrauen. Besser kurz laufende Staatsanleihen kaufen, auch wenn man ein wenig Negativzinsen zahlen muss.

bummi
7 Jahre her

Immmer nur noch mehr Markt als Lösung. Das ist ein Irrweg der FDP. Da wäre es schon logischer die großen Banken zu verstaatlichen wenn sie denn sowieso nicht pleite gehen dürfen.

Rainer Zitelmann
7 Jahre her
Antworten an  bummi

Besser wäre es, wenn auch Banken pleiten gehen dürfen. Wie gut Staatswirtschaft funktioniert, haben wir ja in den vergangenen 100 Jahren in vielen Ländern beobachten können.

Matthias Losert
7 Jahre her

Die Finanzkrise ist ein Symptom – was durch billiges Notenbankgeld beruhigt wurde.
Hr. Prof. B. Lucke regte immerhin einen Währungsdiskurs – kleinere Euroregion – an. Leider versäumte Politik und Medien einen ernsthafteren Diskurs.

Mit der Ind.4.0 kann das Wachstum im Güterkreislauf abgebildet werden, was auch Folgen für die „Geldbeschaffung“ haben wird.
Das jetztige Geldsystem ist an seine Leistungsfähigkeit gelangt, wie es kürzlich ein EZB-Mitglied vermutete.
Die nächste Währungsreform kommt – hoffentlich wird mehr Grips hineingesteckt als bisher.

Friedrich - W ilhelm Becker
7 Jahre her

wer alle seine „the economists“ – ausgaben noch einmal durchgeht wird konstatieren müssen: 2018 könnte das ende des dollar sein und der beginn einer neuen zeit mit einer neuen währung. the new world order sozusagen der internationalisten, der globalisten und der sonstigen eliten – der ca. 2000 menschen, die zusammen ein vermögen besitzen, das größer ist als das bip des united kingdom! – meine ahnung hat hoffentlich gelogen!

Friedrich - W ilhelm Becker
7 Jahre her

es ist doch nicht zu verkennen, daß heutzutage auf künstliche art und weise finanzieller reichtum erzeugt wird, ohne daß dieser reichtum mit realwirtschaftlichen produktionsprozessen verbunden ist. der fachbegriff hierfür stammt aus dem englischen und ist der begriff für die zerstörung der realwirtschaft: finanzialisierung! nur wenige kennen den sachverhalt und versuchen vergeblich dagegen aufzustehen. der grund für dieses fehlende bewußsein der meisten ist schmerzlich offensichtlich und doch so einfach: die profiteure des systems und die mächtigen im system bereichern sich schamlos auf kosten der meisten menschen durch die finanzialisierung und deshalb wird sie auch nur sehr selten thematisiert! einer der profiteure… Mehr

Cathys
7 Jahre her

Die Strategie heißt einfach nur Zeit schinden! Die Schachfiguren müssen noch ausjustiert werden!

Cathys
7 Jahre her

Richtig, und gemäß dem NEusprech ist die „faktische Steuer“ dieses Informationssystems eine sogenannte “ Demokratieabgabe“!
Wir leben in Herrlichen Zeiten, wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt, ganz einfach!!! Der „moralische Neusprech Imperativ “ funktioniert hervorragend!!

Cathys
7 Jahre her

Leider haben Ihre durchaus gerechtfertigten Einwände, diese komischen „DEUTSCHEN“ Beitragszahler noch nicht verinnerlicht. Sonst hätte man so nicht gewählt! Die Raute des Grauens hat noch zuviel Macht!