Die Deindustrialisierung Deutschlands hat begonnen

Bei einem Betrieb von sechs Kernkraftwerken und der Revitalisierung der Braunkohlekraftwerke würden sich die Stromkosten mehr als halbieren. Das verheimlichen uns Robert Habeck und die gesamte Bundesregierung.

IMAGO/photothek

Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass die Energiemärkte bereits vor dem Ukraine-Krieg aus den Fugen geraten waren. Durch Abbau von Erzeugungskapazitäten (Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke) in ganz Europa und unterlassene Erschließung neuer Öl-, Gas und Kohlevorkommen sowie einem rasanten, aber politisch gewollten Anstieg der Preise von Emissionszertifikaten, vervielfachten sich die Preise von Gas und Strom schon in 2021. Der Ukraine-Krieg hat diese Tendenz noch einmal verschärft.

Der BDI-Präsident Siegfried Russwurm wies auf der Regierungsklausur in Meseberg vom 31.8.2022 darauf hin, dass die Industrie im Verlaufe dieses Jahres 21 Prozent weniger Gas eingesetzt hat. Ein großer Teil ist aber nicht durch Einsparung oder Wechsel zu anderen Energieträgern erfolgt, sondern durch Stilllegung und Herunterfahren der Produktion.

Russwurm: „Das ist kein Erfolg, sondern Ausdruck eines massiven Problems. Die Substanz der Industrie ist bedroht.“ Und weiter: „Die Lage ist für viele Unternehmen schon jetzt oder in Kürze toxisch.“ Die Antwort der Bundesregierung ist nicht etwa, wie in Frankreich einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis zu schaffen, sondern man schaut zu, wie eine Fabrik nach der anderen ihre Produktion schließt. Bemerkenswert ist die Reaktion von Wirtschaftsminister Habeck auf der Meseberg-Pressekonferenz. „Die Situation, dass wir günstiges Gas aus Russland bekommen, wird nicht wiederkehren … Das ist keine gute Nachricht, weil sie jeweils in den betroffenen Industriezweigen bedeuten kann, dass dort ein Strukturwandel und … ein Strukturbruch passieren kann. Wir antworten darauf, … indem wir die arbeitspolitischen Maßnahmen, Kurzarbeitergeld fortführen werden.“ Er will alternative Geschäftsmodelle unterstützen, was einer eleganten Umschreibung von Deindustrialisierung gleichkommt.

Die Industriegewerkschaften sollten sich die Passage ab Minute 30 des Videos mehrfach anhören. Zehn Prozent der deutschen Mittelständler sehen sich vor dem Zusammenbruch.

Stahlfabriken wie in Hamburg und in Bremen machen dicht, Papierfabriken stehen vor dem aus. Der Papierhersteller Hakle ist erst der Anfang. Die Aluminiumindustrie hat ihre Produktion nicht nur in Deutschland weitgehend stillgelegt – Europa hat nach WoodMackenzie bereits 1 Million Tonnen Aluminium verloren. Alarmierend ist auch die Lage von Chemiefabriken und insbesondere in den Düngemittelfabriken.

Deutschland braucht einen wettbewerbsfähigen Industriestrom

Die Akademie Bergstrasse führt eine bedrückende Liste der Opfer der Energiepreisentwicklung auf ihrer Webseite. Warum muss das eine Akademie machen, wann endlich schlagen unsere Industriegewerkschaften Alarm? Ihre wichtigste Forderung müsste die Schaffung eines wettbewerbsfähigen Strompreises sein.

Ich hatte mich sehr gefreut, als im Wahlkampf des Jahres 2021 Bundeskanzler Olaf Scholz sein Ziel für das Industrieland Deutschland auf dem Tag der Industrie formulierte: „Mein Ziel ist ein Industriestrompreis von vier Cent.“ Heute hat sich der Preis fast verzehnfacht. In Frankreich ist den Industrieunternehmen der direkte Zugang zum preiswerten Kernenergiestrom erlaubt. Für rund 4,5 Cent pro Kilowattstunde können Industrieunternehmen insgesamt 120 Terawattstunden, 25 Prozent der französischen Erzeugung, vornehmlich aus Kernkraftwerken, beziehen. Die EU-Kommission hatte eine solche Vorgehensweise schon 2010 abgesegnet.

Aber wir diskutieren die Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke. Der grüne Wirtschaftsminister bietet einen faulen Kompromiss eines Streckbetriebs von zwei Kernkraftwerken bis zum nächsten Frühjahr an. Er verheimlicht uns, dass die Stilllegung jedes weiteren Kernkraftwerkes die Merit order weiter nach links schieben wird und den Strompreis massiv steigen lässt. In der Merit order, der Einsatzreihenfolge von Kraftwerken, werden die Kraftwerke nach ihren Erzeugungskosten in ansteigender Form sortiert. Bei steigendem Bedarf werden immer teurere Kraftwerke hinzugeschaltet. Die teuersten sind die Öl- und Gaskraftwerke.

Das folgende Bild zeigt, dass bei einem Betrieb von sechs Kernkraftwerken und der Revitalisierung der Braunkohlekraftwerke die Stromkosten sich mehr als halbieren würden. Das verheimlichen uns Robert Habeck und die gesamte Bundesregierung.

Quelle EWI

Wie man sehen kann, ist der Einfluss gesicherter Grundlast durch Kernkraft und Braunkohle in einem Strommarkt mit extrem hohen Gasstrompreisen von fundamentaler Bedeutung zur Bekämpfung des Preisanstiegs. Nicht das Fummeln an der Merit order, wie es die Bundesregierung jetzt plant, hilft uns langfristig weiter, sondern die Beendigung der Stromverknappung mit preiswerter Stromerzeugung. In dem in der Abbildung gewählten Modell, berechnet nach dem Merit order tool des EWI (Energiewirtschaftliches Institut der Universität Köln) halbieren sich die Stromkosten l um mehr als die Hälfte, wenn preiswerte Kernkraft und Braunkohlekraftwerke weiterbetrieben werden.

170 Euro pro Megawattstunde (17 Cent pro Kilowattstunde) sind immer noch dreimal so viel wie vor der Energiekrise, aber es würde den Kern des Industriestandorts in Deutschland erhalten lassen. Aber manchmal gewinnt man den Eindruck, dass sich die Politik mit der Erosion des Industriestandortes Deutschland schon abgefunden hat.


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Kommentare ( 66 )

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Ananda
2 Jahre her

Seit wann nennt man das Ruinieren der Wirtschaft und unseres Wohlstandes „Strukturwandel“ (Habeck).
Das nennt man mal ein ordentliches Framing.

thinkSelf
2 Jahre her

Mit seinem Auftritt hat Habeck Mal wieder bewiesen daß er die Bewohner dieses Landes perfekt repräsentiert.

thinkSelf
2 Jahre her

Seit 2012 überschreiten die Abschreibungen in der Wirtschaft die Investitionen. Das war der Zeitpunkt an dem die „Wirtschaft“ erkannt hat das das Land hier, außer als Absatzmarkt (zumindest bis alle Pleite sind) keine Zukunft mehr hat. Man lutscht die alten Anlagen noch aus und macht die Bude dann dicht. Des weiteren hat sich die Politik damit „nicht abgefunden“, sondern das ist ihr ganz bewusst gewähltes Ziel. Und da die Masse der deutschen Bevölkerung ihren Arsch inzwischen auf staatlichen Bullshitjobs (direkt und indirekt) platt drückt ist denen das auch egal. Das Deutschland (und auch Europa) sich nicht wie die USA als… Mehr

Franjo
2 Jahre her

Wen interessieren solche Artikel eigentlich?
Sind für eine absolute Minderheit geschrieben die nichts ausrichten kann. Der grün-rot-gelb-schwarze Mainstream kennt doch die Fakten und ignoriert sie. Wissentlich laufen diese Zeitgenossen in die Krise und kümmern sich nicht um solche Nebensächlichkeiten.
Es gibt niemanden in Deutschland in verantwortlicher Position der diese Thesen vertritt und der den Irrsinn beenden will.
Diese Zeilen könnte man sinnvoller füllen mit Survival Tipps im Blackout oder wie man sich Wild besorgt in Staatswäldern oder den verantwortlichen Politikern die Notstromaggregate und die Vorräte klaut.

Dieterfc
2 Jahre her

Eine KWH Braunkohlestrom hat Gestellungskosten von 4-6 cent, dank steigender co2 Zertifikate erreicht die KWh in diesem Jahr gemäß ISE jetzt mit 12-14 cent, also das Preisniveau von PV Anlagen. Also alleine 10cent Inflation durch co2 Zertifikate auf günstige Braunkohle , die wir auch noch selbst im Überfluss ohne Import haben. Das alleine drückt die Dummheit dieses Landes genügend aus, das hat 0 mit Putin zu tun. Was also wird mit dem Strompreis in diesem Winter nun passieren , alleine wegen dieser Steuer…….genau, mindestens 10cent. Und dasist nur ein Energieträger. Die Sonne stellt keine Rechnung, hört man immer von den… Mehr

Final Man
2 Jahre her

Die Frage lautet: „Warum machen die alle mit?“
Ich habe heute noch ein englischsprachiges Video gesehen, in dem gezeigt wurde, dass eigentlich alle größeren Unternehmen mit im Boot sind für einen anstehenden mega Klimalockdown. Keine Mobilität, kein Fleisch usw. Man kennt ja die Verschwörungstheorien. Vor Zeiten hätte ich noch gesagt, das ist Blödsinn, da hat wieder jemand zu viel Zeit gehabt und ein kleines Verschwörungsvideo gebastelt. Langsam bin ich mir aber nicht mehr so sicher, ob da nicht doch irgendwas dran ist.

Spoekenkieker
2 Jahre her

„Aber manchmal gewinnt man den Eindruck, dass sich die Politik mit der Erosion des Industriestandortes Deutschland schon abgefunden hat.“

Es ist doch inzwischen offensichtlich und für jedermann erkennbar, dass Habeck und die Grünen diese Preise UND die Deindustrialisierung WOLLEN. Überraschend für mich allenfalls die nicht vorhandene Gegenwehr von Lindner und Parteikollegen…..jetzt regieren die wirklich falsch.

Last edited 2 Jahre her by Spoekenkieker
magistrat
2 Jahre her

Wozu braucht es Aluminiumschmelzen in Europa, wenn das gleiche Aluminium in Brasilien wesentlich billiger und natürlich umwelschädlicher hergestellt werden kann? Liebe Leute: investiert dort, lehnt Euch zurück und genießt das Walten der Natur- und Marktgesetze. Ein ebenso schauerlich-schönes Schauspiel wie das Walten eines Hochwassers.

Iannis70
2 Jahre her
Antworten an  magistrat

Äh, wie war das gleich mit dem Argument, man dürfe sich nicht abhängig machen von ausländischen Produzenten? Der CDU wirft man vor, sich völlig abhängig von russischem Gas gemacht zu haben. Was genau wäre denn anders, wenn man sich völlig abhängig von brasilianischem Aluminium macht.

Lizzard04
2 Jahre her

„Aber manchmal gewinnt man den Eindruck, dass sich die Politik mit der Erosion des Industriestandortes Deutschland schon abgefunden hat.“ Sehr geehrter Herr Varenholt, Sie wissen, dass es sich bei dieser Bewertung um eine viel zu freundliche Umschreibung der Realität handelt. Die Grünen Verantwortlichen finden sich nicht mit der Deíndustrialisierung Deutschlands aufgrund der hohen Energiepreise ab, nein, dies ist das offensichtliche und klare Ziel ihrer Politik! Sie sprechen es nur noch nicht mutig in die Mikrophone, solange ihr Werk noch nicht vollendet ist. Gehen die Bürger nicht auf die Straße wird es bald nichts mehr zu retten geben!

Boris G
2 Jahre her

Danke für diese mahnenden Worte! Heute höre ich im DLF-Interview Werner Plumpe, Wirtschaftshistoriker, der ganz ungewöhnlich für den linken Kölner Propagandasender eindringlich auf den Verlust der Konkurrenzfähigkeit des produzierenden Gewerbes in Deutschland hinweist und an die grausamen sozialen Konsequenzen eines solchen Niedergangs erinnert. Wacht die links-grüne Journaille langsam auf?