Während die Ampel in den letzten Zügen liegt, bringen Abgeordnete der Grünen, SPD und Linken einen Antrag ein, um noch schnell den Paragraphen 218 zu kippen und Abtreibung zu legalisieren. Nicht zuletzt würden dadurch Friedrich Merz und die CDU vorgeführt, die nur unter Aufgabe der kategorischen Brandmauerrhetorik tatkräftig gegen diesen Vorstoß opponieren könnten.
Dass man um politischer Spielchen willen bereit ist, die Verfassung zu unterlaufen und auszuhöhlen, ist kein Geheimnis. Ein neuer Tiefpunkt ist nun erreicht, da man völlig ohne Not eine jahrzehntelang erprobte, fragile und sorgfältig austarierte gesetzliche Regelung aushebeln will, und damit auf praktischer Ebene unzählige Leben ungeborener Kinder in Gefahr bringt. Dies stellt nochmals eine Steigerung der Verachtung gegenüber der Verfassung und ihren Grundlagen dar, die alle bisher von den Ampelparteien aufgebotene Destruktivität nochmals überbietet.
Medial flankierter Vorstoß
Zufälligerweise opportun bringen sich Mainstreammedien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Stellung, um den Vorstoß medial zu flankieren: Carolin Kebekus besingt in der ARD Abtreibung als „Schwangerschaftsabbruch“, der „doch kein Verbrechen“ sei – allein die Art und Weise, wie sie diese Worte wider Metrum und Rhythmus auf Bonny Tylers „It’s a heartache“ zwingt, ist in sich bereits kriminell.
Dass sowohl die Zwangsgebührenzahler, die sie finanzieren, als auch die Zuschauer nur da sind, weil sie nicht abgetrieben wurden, und dass auch sie selbst nur auftreten kann, weil ihre Mutter sie geboren hat, entgeht der Entertainerin. Diese ist übrigens nicht nur selbst erst vor kurzem Mutter geworden, und freut sich nun also öffentlich darüber, wenn anderen Frauen dieses Privileg vorenthalten bleibt, sie sprach sich auch bereits für Kinderrechte aus – wie Kinder, die gar nicht leben dürfen, diese Rechte in Anspruch nehmen sollen, bleibt Kebekus‘ Geheimnis.
In der Welt dürfen indes Abtreibungslobbyisten euphemistische Desinformation über Abtreibung verbreiten, inklusive unsinniger semantischer Verschleierungsversuche: „Die Schwangerschaft“ werde abgesaugt, heißt es da, wenn beschrieben wird, wie ein Embryo aus der Gebärmutter herausgerissen wird.
Abtreibung – ein Tabuthema
Dabei ist erstaunlich, dass über Abtreibung in Deutschland im Grunde überhaupt keine Debatte geführt wird. Weder praktisch noch weltanschaulich-philosophisch wird erörtert, was es bedeutet, wenn jedes Jahr ca. 100.000 Kinder weniger geboren werden, weil ihre Mütter sie nicht gebären und ihre Väter sie nicht aufziehen wollen. Psychische Folgen werden nicht thematisiert, und, da nur unzureichend statistisch erfasst, der Einfachheit halber mit „nichtexistent“ gleichgesetzt.
Alle Parameter, die man diskutieren müsste, sind mit Tabus belegt: Wer etwa mit Hinblick auf die fatal niedrige Geburtenrate pragmatisch darauf hinweist, dass sich Deutschland eine derart hohe Zahl an Abtreibungen schlicht nicht leisten kann, läuft Gefahr, als Frauenfeind zu gelten, der Frauen als Gebärmaschinen betrachte. Kurios, dass ausgerechnet jene, die diese Anschuldigung ins Feld führen, oftmals zugleich Leihmutterschaft verteidigen – und damit tatsächlich die Instrumentalisierung der Frau als Brutkasten.
Im schlimmsten Falle wird der Kritiker in die rechte Ecke geschoben, weil Befürwortung von Mutterschaft gern in die Nähe von nationalsozialistischer Ideologie gerückt wird. Diese benannte bekanntermaßen Gebärfreudigkeit zum Erhalt des Volkes nicht nur als Tugend, sondern sah, etwa durch das menschenverachtende Lebensbornprogramm, auch praktisch eine Art „Zucht“ vor.
Mit solchen Totschlagtopoi wie „frauenfeindlich“ und mindestens latent „rechtsextrem“ ausgestattet, brauchen sich Abtreibungsbefürworter kaum noch einer belastbaren Diskussion stellen, und das, obwohl sie ein verfassungswidriges Anliegen verfolgen.
Die unumwundene Bezeichnung von Abtreibung als Auftragsmord, wie es Papst Franziskus problemlos über die Lippen kommt, oder der freimütige Hinweis darauf, dass es gerade die Abtreibung ist, die in Nazi-Manier Leben nach willkürlichen Maßstäben als lebensunwert betrachtet und zur Tötung freigibt, ist deutschen Lebensrechtlern verwehrt. Sie müssen versuchen, Argumente verklausuliert, extrem höflich und in höchstem Maße wissenschaftlicher Sachlichkeit verpflichtet vorzubringen, um nicht bereits im Ansatz mundtot gemacht zu werden.
Angriff auf grundgesetzlich verankerte Menschenwürde
Dabei ist die eklatante Parallele kaum zu übersehen, wenn man sich dem Problemkomplex in weltanschaulicher Hinsicht stellt: Das Grundgesetz hat sich bewusst in Abgrenzung und Abwehr zum Zivilisationsbruch des Dritten Reiches in wagemutiger Klarheit dazu bekannt, dass die Würde des Menschen unantastbar sei.
Wäre die Tötung eines Kindes legal, nur, weil es sich noch in einem frühen Stadium seiner Entwicklung befindet, wäre dies faktisch eine klare Abkehr vom Grundgesetz. Mit allen Implikationen: Wer die Tötung eines Menschen für gerechtfertigt hält, weil er ungeboren ist, kann auch jeden anderen Parameter heranziehen, um eine Tötung zu rechtfertigen. Dies ist der Grund für die inkonsequente „Lösung“, Abtreibung unter bestimmten Umständen straffrei zu stellen. Man will Abtreibung ermöglichen, ohne die Grundlage der Gesellschaft auszuhebeln. Diesen Konsens zu Lasten der Menschenwürde zu zerstören, zeugt von Gedankenlosigkeit.
Es ist aus Sicht der deutschen Verfassung völlig unstrittig, dass das Lebensrecht dem Individuum nicht zugebilligt wird, sondern dass es darüber natürlicherweise und „unveräußerlich“ (GG) verfügt. Ebenso ist hier klar, dass das Menschsein und das Recht auf Leben nicht an Bedingungen geknüpft sind, wie etwa, dass ein Mensch erwünscht sei, oder nicht behindert. Oder „lebensfähig“ – letzteres ein besonders unsinniger Maßstab, da erstens niemand aus sich heraus ohne äußere Unterstützung leben kann, und da zweitens jeder Mensch früher oder später auf natürliche Weise verstirbt. Im Sinne der Abtreibungsbefürworter wäre demnach kein Mensch lebensfähig: Muss man einen Tag, ein Jahr, oder hundert Jahre lang leben, um als lebensfähig zu gelten? Wie viele Jahre muss man ohne Kontakt zu anderen Menschen in der Wildnis Nordkanadas überlebt haben, bevor man als lebensfähig genug gilt, um nicht mehr getötet werden zu dürfen?
Aber Abtreibungsbefürworter wollen sich nicht darüber Rechenschaft ablegen, dass sie mit ihrer Position nicht nur den Boden des Grundgesetzes verlassen, sondern auch den einer belastbaren Ethik – wie konsequente Denker auch vorexerzieren. So „schockte“ der Philosoph Peter Singer mit der Feststellung, dass die Tötung Neugeborener nicht in sich ein Problem darstelle (sondern nur zum Beispiel im Hinblick auf die Eltern, die dies unglücklich machen würde). Dabei bleibt Singer einfach nur konsequent bei den Maßstäben, die die Pro-Choice-Bewegung anlegt. Diese hingegen scheut verständlicherweise vor der eigenen Verkommenheit zurück. So entzieht sie sich rationalen und logischen Argumenten, um sich nicht eingestehen zu müssen, wie menschenverachtend die eigene Haltung ist.
Das Totschlagargument Selbstbestimmung
Denn in wissenschaftlicher Hinsicht war noch nie klarer als heute, dass die gern angeführte Behauptung, es handle sich bei einem Ungeborenen nicht um einen Menschen, nicht aufrechtzuerhalten ist: Außer der Empfängnis gibt es keinen wissenschaftlich belastbaren Ansatz für den Beginn des Menschseins.
Deshalb bleibt nur der Rekurs auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau. So behauptet auch Kebekus in ihrem Lied, Männer hätten zu schweigen, weil Abtreibung nur Frauen etwas anginge. Man stelle sich eine Gesellschaft vor, in der jeder die Augen vor Unrecht verschließt, weil es „ihn nichts angeht“ – abgesehen davon, dass Väter an der Entstehung des Kindes zu 50 Prozent mitbeteiligt sind.
Ebenso wie Wissenschaft und Forschung die Entwicklung des Kindes im Mutterleib immer transparenter gemacht und damit das Argument, es handele sich hier nur um „Schwangerschaftsgewebe“, obsolet gemacht haben, muss nun in gesellschaftspolitischer Hinsicht der Mythos der Selbstbestimmung fallen.
Zweierlei ist daran als Irreführung zu entlarven. Da wäre einmal der Opfernimbus. Frauen gerieren sich hier als Unterdrückte, die in ihrer freien Entfaltung zu fördern seien. Tatsächlich sind sie es, die an dieser Stelle Macht ausüben, und zwar zum Schaden der Schutz- und Wehrlosen. Dies ist eine moralische Bankrotterklärung der Frau, die sich doch so gern als ethisch dem Mann überlegen in Szene setzt. Frauen entscheiden hier nicht über ihren Körper, sondern über das Leben eines anderen Menschen – dessen Rechte und Würde sie missachten, weil er sehr klein und unförmig ist.
Abtreibung ist Ausdruck mangelnder Selbstbestimmung
Diese Täter-Opfer-Umkehr kann von Lebensrechtlern nicht thematisiert werden, da umgehend der Fall einer Schwangerschaft aufgrund von Vergewaltigung ins Feld geführt würde. Im ersten Quartal 2024 waren dies nach offiziellen Angaben von 28.210 Abtreibungen ganze 15. Das ist bereits relativ viel: Für das gesamte Jahr 2023 ergeben sich 35 Abtreibungen aufgrund „kriminologischer Indikation“ – von 106.218. Überdies ist Abtreibung in diesem Fall bereits straffrei möglich. Eine generelle Legalisierung von Kindstötung im Mutterleib würde hier also keine praktische Änderung der Situation bewirken.
Hinzu kommt die irrige Ansicht, dass Abtreibung Frauenrechte stärke und Frauen nütze. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Abtreibung ist die frauenfeindlichste Antwort einer Gesellschaft auf die Nöte von Schwangeren. Anstatt finanziell und sozial Frauen auszustatten und – neudeutsch – zu „empowern“, werden sie in zum Teil schwersten emotionalen, psychischen und materiellen Krisensituationen allein gelassen, und sollen mit der Zustimmung zur Tötung ihres Kindes eine Problemlösung herbeiführen. Die Gesellschaft drückt sich vor Verantwortung und Mitgefühl. So belegen etwa Aufzeichnungen der Beratungsstelle 1000 plus, dass viele Frauen eine Abtreibung vornehmen lassen wollen, weil sie massivem Druck durch den Partner ausgesetzt sind.
Sieht Förderung von Emanzipation also so aus, dass man Frauen dazu anhält, sich diesem Druck zu beugen? An keiner Stelle wird deutlicher, dass Bekenntnisse zu Gleichberechtigung pure Heuchelei sind.
Und schließlich werden Frauen hier ausgerechnet einer einzigartigen Fähigkeit beraubt: der, Leben zu schenken. Frauen tun dies unter großen Opfern und Schmerzen, und es ist keinesfalls eine ungefährliche Prozedur. Dass sich Frauen diesen Strapazen stellen, um neues Leben zu ermöglichen, ist Ausweis einer beeindruckenden Stärke, über die nur sie verfügen. Es ist vielleicht mit einer der tragischsten Aspekte der Abtreibung, dass Frauen hier im Namen ihrer Selbstbestimmung das, was ihr Selbst ausmacht, aufzugeben bereit sind: Statt Lebensspenderinnen zu sein, lassen sie sich zu Lebensbeenderinnen degradieren – und sehen in dieser Verleugnung der eigenen Größe, Kraft und Würde den Inbegriff ihrer Selbstverwirklichung.