Die „Bürgerversicherung“ ist pure Ideologie

Ein SPIEGEL–Bericht zeigt, dass das „ideologisch aufgeladene Projekt“ der sogenannten Bürgerversicherung kein einziges Problem löst, aber viele mit sich bringt.

© Joe Raedle/Getty Images

Der SPIEGEL steht der sogenannten „Bürgerversicherung“, also der Einheits-Zwangsversicherung, keineswegs ablehnend gegenüber, muss aber in einer ausführlichen Analyse einräumen, dass es sich um ein „ideologisch aufgeladenes Projekt“ handle, welches lediglich dazu geeignet sei, „den Umstand zu beseitigen, dass eine Gruppe Privilegierter sich dem gesetzlichen Solidarsystem entziehen kann“. „Allerdings ist das Modell, anders als oft behauptet, kein Ansatz um andere Probleme des Gesundheitssystems zu beseitigen, auch nicht die finanziellen.“

Ausbluten der Privaten Krankenversicherung

Im Gegenteil: Ökonomen sprechen von Mehrbelastungen im zweistelligen Milliardenbereich. Zudem führe die Bürgerversicherung zu einem „langsamen Ausbluten“ der Privaten Krankenversicherungen, so der SPIEGEL: „Die verbliebenen PKV-Versicherten müssten damit rechnen, dass ihre Beiträge explodieren. Viele Anbieter würden am Ende völlig vom Markt verschwinden. Und niemand in der SPD wäre über diesen Kollateralschaden traurig.“ Damit nicht gleich auch noch die Ärzte ruiniert werden, bastelt die Politik an hochkomplexen „Lösungen“, denn ein Viertel der Praxiseinnahmen erzielen Ärzte heute im Durchschnitt mit Privatversicherten, obwohl nur jeder zehnte Patient privat versichert ist.

Und warum das alles?

Warum man Millionen Privatversicherte in massive finanzielle Schwierigkeiten treiben und private Krankenversicherungen ruinieren will, zeigt der SPIEGEL gleich zu Beginn des Beitrages. Er berichtet hier von einem Paar, das in getrennten Wartezimmern Platz nehmen müsse, weil der eine privat und der andere gesetzlich versichert sei. Den Privatversicherten packe wegen dieser Ungerechtigkeit „die Wut“: „Ich finde das asozial“, so zitiert ihn das Magazin. Warum er sich dann nicht einfach freiwillig mit seinem Partner in den Warteraum für die Kassenpatienten setzt, sondern „wütend“ im schöneren Warteraum für die Privatpatienten Platz nimmt, verrät der Artikel allerdings nicht.

Teurer Selbstläufer
Die Schließung der sozialen Grenzen halten weder Ochs noch Esel auf
Stattdessen behauptet der SPIEGEL: „Von der Ständegesellschaft hat sich das Land vor mehr als hundert Jahren verabschiedet. Nur im Gesundheitswesen lebt auch im Jahr 2017 eine Zweiklassengesellschaft fort.“ Diese Behauptung ist offensichtlich absurd. In der Bahn gibt es eine erste und eine zweite Klasse, im Flugzeug kann man sogar zwischen First Class, Business und Economy wählen. Auch gibt es keine Einheitshotels, sondern manche schlafen im 2-Sterne-Hotel, andere im 5-Sterne-Hotel. Die Unterschiede zwischen First Class und Economy sind dabei wesentlich größer als die zwischen den Leistungen für einen privat und einen gesetzlich Versicherten. Auch der SPIEGEL räumt ein, dass das duale deutsche Gesundheitssystem als beispielhaft gelte – „es versorgt im Krankheitsfall alle Versicherten gut“.

Genossenversicherung ist pure Neid- und Symbolpolitik

Bei der Kampagne für die Einheits-Zwangsversicherung, die die SPD mit dem Euphemismus „Bürgerversicherung“ bezeichnet (sonst kennt die SPD bekanntlich eher „Genossen“ als „Bürger“) handelt es sich um eine reine Neidkampagne, damit sich die SPD als Partei der „sozialen Gerechtigkeit“ profilieren kann. „Für die Sozialdemokratie“, so der SPIEGEL, „hat das Projekt die gleiche Bedeutung wie der Mindestlohn vor vier Jahren“. In der Wahrnehmung der meisten Deutschen, so wird in dem Beitrag behauptet, gebe „es kaum ein größeres Gerechtigkeitsproblem als das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung“. Das ist allerdings eine sehr gewagte Behauptung, denn in keiner Umfrage der Meinungsforschungsinstitute vor der Bundestagswahl, die nach den größten Problemen des Landes fragte, tauchten der Wunsch nach einer „Bürgerversicherung“ und die angeblich rasende Wut über die kürzeren Wartezeiten für Privatpatienten auch nur unter „ferner liefen“ auf. An der Spitze standen dagegen die – von der SPD bagatellisierten – Sorgen um die Folgen der Zuwanderung.

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Kommentare ( 116 )

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Andreas M
6 Jahre her

es kann aber auch nicht sein, dass sich junge, gesunde Gutverdiener oder Selbstständige für nen Appel und nen Ei privatversichern, dabei nur „für sich“ versichert sind, während die Masse der gesetzlich Versicherten noch Rentner, Arbeitslose, Geringverdiener und Kulturbereicherer mitfinanzieren. Und wenn es dann im Alter in der PKV langsam ungemütlich wird, wird pünktlich vor dem 55.Geburtstag mal eben ein sozialversicherungspflichtiger Job angenommen. Zumindest für ne Weile. Und in dann kann der, der bisher nichts für die Gemeinschaft beigetragen hat sich bequem bis zum Tode von den übrigen GKV-Versicherten mitfinanzieren lassen….
Und wer derartige Zustände anprangert dem wird Neid vorgeworfen? Lächerlich!

Bernd Reinhardt
6 Jahre her

Ich kann die Sichtweise der meisten Kommentatoren nachvollziehen.
Das Thema halte ich für sehr wichtig. Es sollte deshalb politisch und gesellschaftlich intensiv und wertfrei diskutiert und eine Lösung beschlossen werden.
Ich bezweifle, dass dieses bei den ganzen Lobbyisten möglich ist.

Rainer
6 Jahre her

Der Unterschied bei einem erste Klasseplatz in der Bahn ist, dass der immer mehr kostet als der Zweite Klasseplatz. Die PKV ist für einige billiger als die GKV. Es geht darum, dass alle gleichermaßen in das Solidarsystem zahlen und nicht, dass einige die weniger zahlen sogar sich vorbeischmuggeln können. Die Gutverdienenden können, dann immernoch Zusatzversicherungen abschließen mit denen sie die Ärzte quersubventionieren können. Ich sehe hier keine Neiddebatte sondern lediglich den Versuch eine Ungerechtigkeit aus dem Weg zu räumen. Wo kriegt man denn sonst für weniger Geld als ein Zweite Klasseticket als ein Erste Klasseticket?

Joachim Buschle
6 Jahre her
Antworten an  Rainer

bemerkenswerte sozialistische (Un-)Logik: der Denkfehler besteht darin, dass man eine
sozialistisch begründete Scheinversicherungs-Gebühr mit einer nach Risikoäquivalengesichtspunkten kalkulierten Prämie vergleicht. Das sind mindestens Äpfel mit Birnen -eher Apfelbrei mit Birnenschnaps. Die sozialistische GK (Schein-)V ist nämlich keine Versicherung sondern ein gesetzliches Umverteilungsinstrument, in dem es nicht mal ansatzweise eine Beitragsäquivalenz gibt.

flo
6 Jahre her

Ich gehe davon aus, daß die Abgeordneten der SPD selbstredend auch auf alle Privilegien verzichten, die sie als Abgeordnete bisher offensichtlich als gottgegeben beanspruchenWenn Egalité, dann egalité, wenn Manie dann Manie.

Peter
6 Jahre her

SPD plant die Einführung einer Bürgerschule Die Konzepte für eine Bürgerschule zielen darauf ab, die Trennung zwischen staatlichen und privaten Schulen aufzuheben. Gerechtigkeit ist das Ziel. Man verspricht sich davon ein gerechteres Lernen das allen Kindern zugute kommen soll. Alle bisherigen staatlichen Schulen wie Haupt- und Realschule, Gymnasium, Stadtteilschule etc. werden zu Bürgerschulen zusammengefasst. Alle Privatschulen wird es untersagt Schulgeld zu erheben damit diese ausgeblutet werden können. Allerdings sollen Spenden weiterhin erlaubt sein. Schüler von Privatschulen sollen verstärkt in Bürgerschulen aufgenommen werden, sofern dies die Eltern wollen. Schulanfänger sollen gleich in Bürgerschulen eingeschult werden, ein Wechsel in Privatschulen ist nicht… Mehr

Mensch nach staatlichem, deutschen Recht
6 Jahre her

„es versorgt im Krankheitsfall alle Versicherten gut“. Was ist daß denn für ein Schwachsinn? Die Schulmedizin versorgt alle Versicherten schlecht! Sie behandelt die Symptome und nicht die Urachen! Würde man die Ursachen behandeln, dann würde der Patient ja irgendwann mal wieder richtig gesund und wer will das schon? Jeder gesunde Patient ist ein Kunde weniger, den man zusammen mit der Pharmaindustrie abschöpfen kann. Gut man schöpft nicht den Patienten ab, sonderen die Krankenkassen, also uns alle! Weshalb heißen die Krankenkassen überhaupt Krankenkassen und die Krankenhäuser Krankenhäuser? Ich könnte dies alles unterlegen, aus meinen Erfahrungen mit meinem Multiplen Myelom. Ich habe… Mehr

EinSödernUndKaudernHier
6 Jahre her

Die PKV ist ein gescheitertes Experiment. Das ursprüngliche Kalkül, das die jungen und weitestgehend gesunden Mitglieder plus Finanzmarkterträge die höheren Aufwendungen für die alten und kranken Mitglider abfedern, ist nicht aufgegangen.
Schlimmer noch – durch die fehlenden Wett-Erträge am Finanzmarkt kommen kaum noch neue Versicherte dazu. Der Kollaps dieses Systems ist absehbar und die Gekniffenen sind diejenigen, die den Versprechungen der privaten Versicherer Glauben geschenkt haben.

Someone
6 Jahre her

Exakt!

Joachim Buschle
6 Jahre her

bitte das nächste mal-bevor man solchen Unsinn hier postet- wenigstens rudimentäre Kenntnisse der Materie aneignen. Das versicherungsmathematische Grundprinzip, auf dem die ganze Prämienkalkulation basiert, ist, dass sich ein Alters / Geschlechts -und Risikokollektiv SELBST trägt. Die Mechansimen hierfür sind: Beitragsrückstellungen + Zinseszinseffekte in jungen Jahren , ‚Verrentung‘ der Beitragsrückstellungen zur Stabilisierung der Beiträge im Alter. Aber ich konstatiere: Ihre Aussage ist nicht ganz falsch: die Versicherungen haben die Prämien immer zu gering tarifiert, weil Sie implizit von einem Abwanderungsgewinn junger Leute zu anderen Versicherungen ausgegangen sind. Der Abwanderungsgewinn war die der alten PKV zufallenden Beitragsrückstellungen, die der junge Versicherte angehäuft… Mehr

DocMac
6 Jahre her

as140 muss unglaublich viel Zeit haben und Schaum vor dem Mund, wenn er an seine Idee von „Gerechtigkeit“ denkt, so oft, wie er/sie hier postet! Die „Bürgerversicherung“ führt direkt von der „2-Klassen“- in die Vielklassenmedizin, weil es dann eine Vielzahl von Zusatzversicherungen geben wird. Das erklärte Ziel von mehr „Gerechtigkeit“ wird so ganz sicher nicht erreicht werden. Dass eigentlich versicherungsfremde Leistungen, die nicht nur aus Kostenübernahme für Migranten bestehen, aus dem Steuertopf bezahlt werden müssten, wurde immer mal wieder verlangt, aber nie konsequent verfolgt, zumindest solange die Kassen der GKV gefüllt waren. Schade eigentlich!

Markus Gerle
6 Jahre her

Schade, auch in diesem Artikel fehlen wesentliche Aspekte, die bei der Einführung einer sog. Bürgerversicherung zu berücksichtigen wären. Als Selbständiger bin ich in der PKV und würde die Einführung einer Bürgerversicherung begrüßen. Die PKVen stehen anscheinend schon jetzt kurz vor dem Exitus. Anders kann ich mir nicht erklären, warum z. B. die DKV zweimal in Folge meine Tarife im zweistelligen Prozentbereich erhöht hat. Wenn ich die Prämiensteigerungen linear extrapoliere, so werden sich im Alter selbst Leute mit sehr gutem Einkommen die Versicherung nicht mehr leisten können. Klar, im Falle einer Bürgerversicherung, müssten alle PKV-Versicherten in die Bürgerversicherung wechseln können, da… Mehr

Heinrich Schumann
6 Jahre her
Antworten an  Markus Gerle

Die Tarife der PKV werden doch im Alter nur deswegen unangemessen hoch weil man seit vielen Jahren jungen Menschen durch ständige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze verwehrt wird in die PKV zu wechseln das wird doch jetzt von Lauterbach frech ausgesprochen man möchte die PKV austrocknen weil sie besser ist? In der Tat. Die Bürgerversicherung macht nichts gerechter und nichts besser. Es sind dann alle nur gleich schlecht versichert und im Krankenhaus erhöht sich der Personalnotstand weiter.

Someone
6 Jahre her
Antworten an  Heinrich Schumann

Kann schon sein, aber die GKV wird den Versicherten zumindest nicht in den garantieren Ruin treiben, denn der Beitrag bemisst sich nach dem Einkommen! – Die PKV dagegen erhöhen ihre Beiträge jedes Jahr um 10% wie es ihnen gefällt!

cisplatin
6 Jahre her

Die – neuerliche – Forderung nach einer Bürgerversicherung stellt auch die wirtschaftliche Realität unseres Gesundheitssystems dar:
die demographische Realität, massiv potenziert durch die seit 2015 hochaktuelle sozial-demographische Realität macht eine neue Finanzierungsgrundlage notwendig.
Die aktuelle Debatte verausgabt sich im – menschlich nachvollziehbaren – Ungerechtigkeitsempfinden, verkennt jedoch die wahren, tatsächlich sehr dringenden Gründe, die Kostenseite neu ordnen zu müssen.
Die Politik hat in der jüngsten Vergangenheit die Weichen dafür gestellt (§95 SGB V). So soll die medizinischen Versorgung sichergestellt werden, wenn die aktuelle Infrastruktur „bereinigt“ wird.
Dieser Prozess vollzieht sich bereits.