Das dreifache Scheitern des Erfolgs von SPD, Grünen und FDP

Unklar ist, was mit dem „Deutschlandticket“ in der nächsten Wahlperiode passiert. 2022 war es das Erfolgsprojekt von SPD, Grünen und FDP – nun ist es gleich dreifach gescheitert.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Olaf Scholz bei den Berliner Verkehrsbetrieben im April 2023 kurz vor der Einführung des Deutschlandtickets.

Das Neun-Euro-Ticket war die einzige Erfolgsgeschichte der Ampel. Nie zuvor und nie danach waren SPD, Grüne und FDP so nah zusammen wie im Sommer 2022, als sich neue Bahnkunden auf den Weg nach Sylt oder Rügen machten. Doch es war eben eine Erfolgsgeschichte der Ampel: Der Niedergang war schon in ihr angelegt, auch und gerade weil die Regierungsvertreter zu arrogant waren, um auf die Argumente der Mahner einzugehen. Keine drei Jahre später haben die auf voller Linie Recht behalten.

Das erste Ziel des „Deutschlandtickets“ war es, neue Kunden für den öffentlichen Verkehr zu erschließen. Dieser Versuch ist gescheitert. 9,8 Milliarden Fahrgäste waren im vergangenen Jahr mit Bus und Bahn unterwegs, wie der Dachverband der Verkehrsbetriebe, der VDV, meldet. Das sind immer noch 600 Millionen Nutzer weniger als im Vorjahr der Pandemie, also im Jahr 2019.

Das „Deutschlandticket“ ist vor allem attraktiv für Bestandskunden im städtischen Raum. Sie zahlten und zahlen erst mit 9, dann 49 und nun 58 Euro weniger als vorher für ihre alten Monatskarten, können aber zumindest in der Theorie das Ticket auch außerhalb des eigenen Lebensraums benutzen. Im ländlichen Raum war das Angebot indes nur selten ein Grund, das eigene Auto stehen zu lassen. 15 Millionen Abonnenten wollten die Verkehrsbetriebe erreichen, bei 13,5 Millionen Abonnenten stagniert das 58-Euro-Ticket. Im Januar erlebte die Branche laut VDV eine Kündigungsquote von 8,1 Prozent.

Ein weiterer Grund für die zu erwartende Stagnation: Die Ampel verfehlt mit dem „Deutschlandticket“ auch das zweite Ziel, den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen. Im Gegenteil. Der droht nach drei Jahren Grüne, FDP und SPD zu verkümmern. Zwar lässt es sich als gute Nachricht verkaufen, dass städtische Bestandskunden niedrigere Preise zahlen müssen als bisher. Doch Mathematik ist eine harte Lehrerin: Das Geld fehlt halt an anderer Stelle.

Die Verkehrsbetriebe haben 2023 andere Preise künstlich verteuert, um die Bestandskunden ins „Deutschlandticket“ zu drängen und dieses zum politischen Erfolg zu machen. Doch das hat zu einem Einbruch der Einnahmen in diesen Bereichen geführt. Um 3,2 Milliarden Euro sind die Einnahmen von 2023 auf 2024 an anderen Stellen zurückgegangen, wie der VDV meldet. Noch hält die Finanzierung der Betriebe. Sie profitieren vom politischen Versagen des Ministers Volker Wissing, der das Ticket 2023 nur mit Verspätung an den Start brachte. Durch die Verspätung ersparte er dem Bund das Geld, das die Verkehrsbetriebe nun mit dem „Deutschlandticket“ nachträglich verbraten.

Wenn diese Restposten weg sind, klafft eine Lücke. Bund und Länder geben den Verkehrsbetrieben 3 Milliarden Euro im Jahr für das „Deutschlandticket“. Mindestens eine halbe Milliarde zu wenig, wie der VDV moniert. Noch eine Preiserhöhung sei aber nicht drin, weil dann die Kunden endgültig abspringen würden. Stattdessen droht der Branchenverband mit einer (weiteren) Verödung des Angebots: „Erhebliche Einsparungen und drohende Abbestellungen von Verkehren gehören inzwischen zum Alltagsgeschäft in unseren Unternehmen.“

Der Verfall des öffentlichen Nahverkehrs lässt sich nicht verbergen. In den Bahnhöfen der Deutschen Bahn wird er am besten sichtbar. Die amerikanische Organisation „Consumer Choice Center“ hat europäische Bahnhöfe bewertet. Das Ergebnis des Vergleichs: Auf den vorderen Plätzen liegen Zürich, Bern, Paris, Rom, Wien oder Utrecht. Willst du die deutschen Bahnhöfe vorne sehen, musst du die Tabelle drehen: Der Bremer Hauptbahnhof, der Bahnhof Zoologischer Garten in Berlin, ebenso wie das Ostkreuz in Berlin, belegen die hinteren Plätze. Nur noch im Vorhalten versiffter und heruntergekommener Infrastruktur gewinnt Deutschland internationale Vergleiche.

Doch die Deutsche Bahn ist ein stolzes Unternehmen. Ja, mögen sich deutsche Bahner denken: Unsere Bahnhöfe sehen vielleicht aus wie der letzte Rotz. Aber das Angebot, das wir dort vorhalten, ist noch viel, viel mieser: Nur 62,5 Prozent der Fernzüge fahren pünktlich. Also das heißt, sie halten die Verspätungen in einem gewissen Rahmen. Vor 20 Jahren lag die Quote noch bei 84,3 Prozent. Tendenz: weiter fallend. Ein Sprecher der Bahn führt diese Verspätungen auf eine überlastete und veraltete Infrastruktur zurück. Das Geld für die Sanierung – da schließt sich der Kreis – fehlt auch wegen des „Deutschlandtickets“.

Mit diesem verfolgte die Ampel noch ein drittes Ziel, an dem SPD, Grüne und FDP gescheitert sind: Das Ticket sollte den deutschen Tarifdschungel radikal durchforsten. Und in der Tat. Für Touristen war es ein Gewinn: Sie konnten das Ticket am Automaten ziehen und losfahren. Das war für deutsche Verhältnisse erfreulich einfach. Im Sommer 2022. Mittlerweile hat Wissing ein kompliziertes bürokratisches Verfahren erdacht, das dem Verkauf vorgeschaltet ist. Wer jetzt als Tourist mit dem „Deutschlandticket“ durchs Land will, muss sich erst der Qual dieses Antragsverfahrens unterziehen – auf seine Weise auch eine deutsche Sehenswürdigkeit.

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Kommentare ( 45 )

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anita b.
1 Monat her

Was war am deutschlandticket eine Erfolgsgeschichte? Es war ein Geschenk ans Volk, das begeistert angenommen wurde(wie alkes , was es umsonst gegeben wurd) . Es hat mich an ddr erinnert. Nur ausser für gute Stimmung , wofür war es denn gut?

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  anita b.

Lieber bekomme ich für meine Steuern gute Stimmung als noch mehr Bereicherungen oder Flachland-Alimentierung – all die Landstriche, die unendlich viele Milliarden vor Entvölkerung bewahren sollten. Umsonst ist es nicht wirklich – ich arbeite seit Jahrzehnten in der Privatwirtschaft und zahle mehr Steuern als Mancher brutto verdient. Als Großstadt-Bewohner, an ÖPNV gewöhnt, will ich dafür halt etwas Lebensqualität haben. Man braucht sich nicht zu wundern, dass so viele Leute die Linksgrünen wählen, wenn den Linken Metropolen überlassen werden. Die Welt urbanisiert sich immer noch – und überall in den Metropolen fährt man ÖPNV nicht wegen einem Klima-Glauben, sondern weil es… Mehr

Klaus Uhltzscht
1 Monat her

Da Einwanderer aus Afrika oder Afghanistan momentan noch nicht ihre eigenen Autos nach Deutschland mitbringen können, ist für sie das Deutschlandticket attraktiv. Hier erklärt sich auch das Interesse der Staats- und Parteiführung an maximaler Einwanderung, um dadurch recht einfach das Planziel an Deutschlandticket-Abonnements zu erreichen oder zu überbieten.

Fieselsteinchen
1 Monat her

Das Deutschlandticket mag zwar oberflächlich betrachtet, m ein gutes Angebot für den urbanen Raum sein, bleibt aber dennoch ein trojanisches Pferd der Bewegungskontrolle weg vom Individualverkehr und hin zur Überwachung (Kreditkarte/online) 15-min-Städte. Viele Senioren oder Menschen, die sich bewusst gegen Digitalisierung stellen (“off grid”) blieben auf der Strecke. Hinzu kommt, dass der ÖPNV wegen Verspätungen, Streiks, den Gerüchen (Ungewaschen/Alkohol/Döner/Pisse), der Affenschnauzenmandate und der Kriminalität kein erstrebenswertes Verkehrsmittel ist. Wer frei und sicher bleiben möchte, fährt Auto! Und dem “Kliiimaaa” ist das sowieso egal!

Last edited 1 Monat her by Fieselsteinchen
Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  Fieselsteinchen

> Viele Senioren oder Menschen, die sich bewusst gegen Digitalisierung stellen (“off grid”) blieben auf der Strecke.

Die gleiche Chipkarte, wie ich sie zuvor hatte – nur mit anderen Farben. Kontrolliert wird nur dann, wenn mich ein Schaffner kontrolliert – private PKW kann man hingegen lückenlos verfolgen, die schicken ständig was an den Hersteller. Die Möglichkeit, so weit zu fahren, wie man am Tag hinkommt, ist das genaue Gegenteil der 15-Minuten-Städte. (Zugegeben – einige Touren, die ich noch auf das Wochenendticket gemacht habe, sind mit dem heutigen chaotischen Verkehr nicht mehr machbar.)

Der Ingenieur
1 Monat her
Antworten an  Haba Orwell

Der Verkehr ist nur deshalb chaotisch, weil unendlich viele Milliarden ins Ausland transferiert werden, damit z.B. die Ukraine laut Handelsblatt 4 neue AKWs (zu den bereits vorhandenen 15) bauen kann und einen Wirtschaftsboom mit +5% Wachstum hinlegt, während bei uns kein Geld mehr zur Verfügung steht, um die marode Infrastruktur wie Straßen und Brücken zu sanieren.

Zusätzlich wird von den Rot-Grünen der Verkehr in den Städten künstlich „chaotisiert“, indem sie z.B. bei Hauptstraßen die Hälfte der Fahrspuren wegnehmen, sie zu 30-km Zonen erklären sowie in Wohn- und Geschäftsbereichen für viel Geld die meisten Parkplätze entfernen.

abel
1 Monat her

Wenn man den Stadtbewohnern schon das Auto benutzen austreiben will muß man halt mit einem kleinen Geldgeschenk aufwarten. Der zweite Grund ist die Asylindustrie denn auch da zahlt natürlich der Steuerzahler für das günstige Deutschlandticket (für Stadtbewohner) kräftig mit. Wie sollen unsere Gäste ihre Freizeiträume (die Shopping Center) erreichen.

abel
1 Monat her

In den Großstädten wohnen die meisten Niedriglöhner. Ohne das Geldgeschenk Deutschlandticket (dank Steuerzahler) lohnt sich dort zu arbeiten (für Niedriglöhner) noch weniger. Vor dem Deutschlandticket hat die Monatskarte bei uns 99€ gekostet. Das Monatsticket dürfte wohl inzwischen 140€ kosten wenn das Deutschlandticket gestrichen wird.(bei der Inflation in den letzten Jahren). Aber bitte keinen Neid auf die Stadtbewohner da RotGrünLinks eine Menge dafür getan haben daß die Städter öfters mit dem ÖNV fahren. Deren Verkehrspolitik in den letzten 10-Jahren der 30er Zonen, Einspurfahrbahnen, Blitzeranlagen, fehlendes kostengünstiges Parken und Fahrrad first haben schon dafür gesorgt NICHT gemütlich einmal kurze Strecken mit dem… Mehr

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  abel

In den Großstädten wird auch Hochtechnologie entwickelt und entsprechend bezahlt – vor ein paar Jahren kriegte ein promovierter KI-Softwareingenieur in den USA im Schnitt 600 Tsd. jährlich. So etwas geschieht nicht in einem halb ausgestorbenen Dorf. Hat je jemand eine Dorf-Uni wie MIT gesehen? Umverteilung gibt es bereits dadurch, dass in Buntschland Gesetze zur flächenmässigen Netzabdeckung beim Mobilfunk und Internet zwingen, obwohl die Sache nur in Metropolen wirtschaftlich ist. Ohne das müsste ein Landei, der im Internet surfen will, erst mal mit dem Esel in die Stadt fahren. Garantiert gäbe es dann wenigstens weniger Web-Meckerei, welch luxuriöses Leben die paar… Mehr

P.Schoeffel
1 Monat her

Mit der Definition von Erfolg beim „Deutschlandticket“ habe ich ein klitzekleines Problem. Daß die Fahtkarten genommen werden, wenn sie im Vergleich zu vorher fast verschenkt werden, weil der Steuerzahler die Differenz zu den wirklichen Kosten drauflegt ist eher nicht so erstaunlich.

Bei dieser Betrachtung ist die „Energiewende“ auch ein Erfolg: Überteuertes Gas und Strom werden auch gekauft.

Alles ein Frage der Perspektive.

Lesterkwelle
1 Monat her

Es ist und bleibt unbegreiflich, welcher Teufel Wisssing dabei geritten hat, das einfache Ticketautomatenverfahren auf ein kompliziertes, nur mit Hilfe eines Mobiltelephons zu bewerkstelligendes umstellen. Und staendig muss das smartphone betriebsbereit geladen sein.Wie einfach und unkompliziert war das Papierticket. Aber als „Digital“-minister musste er sich wohl beweisen. Analog ist Teufelszeug!

Klaus Uhltzscht
1 Monat her
Antworten an  Lesterkwelle

Es geht hier um die Bewegungskontrolle der Bevölkerung. Raten Sie mal, ob die App auf dem Smartphone noch ein Ticket anzeigt, wenn z.B. die Staats- und Parteiführung Fahrten zu unerwünschten Demonstrationen unterbinden möchte.

Alleswasrechtist
1 Monat her

Der ÖPNV ist inzwischen auch, was den eigenen Leib, das eigene Leben anbetrifft, auf die hinteren Plätze durchgereicht worden. Sein Angebot wird in mehreren Städten ausgedünnt, um Kosten zu reduzieren; eine Attraktivitätsoffensive sieht anders aus. Bei der Bahn kommt auf die gigantische Ausfall- bzw. Verspätungsquote noch hinzu die ebenso weiter steigende Mängelquote und es sind nicht zuletzt die Toiletten. Ohnehin sind die in den neuen Intercitys die mehr mit Viehtransport gemeinsam haben als mit entspanntem Reisen spärlich nur noch verbaut, genauso in den neueren Regiozügen, und dann von Neukunden (oder waren es Neubürger, ich komme da so leicht durcheinander;-)) belagert.… Mehr

Meruem
1 Monat her

Das Deutschlandticket ist doch nur ein grosser Betrug. Können Subventionen ein „Erfolg“ sein? Ich lege 100 Euro-Scheine auf die Strasse und wenn die Leute sich dann darum reissen… ist das dann ein „Erfolg“?

Simplex
1 Monat her

Die Menschen im ländlichen Raum gucken in die Röhre und finanzieren diesen Großstadtquark mit. Wer in NRW wohnt, der kann billig mit dem RRX durch die Lande juckeln, bis nach Koblenz und dann ab an die Mosel zum lustigen Besäufnis. Wer im Osten bei Finsterwalde, Hodenhagen oder Mönkebude wohnt, der kann sehen, wie er von a nach b kommt. Und er bezahlt diesen Vorzugspreis für die städtische Bevölkerung mit. Er selbst ist aufs Auto, den Verbrenner, angewiesen, den die Stadtgrünen am liebsten verbieten wollen. So aber besparen sie die Landeier, die demnächst das nächste Krankenhaus in 200 km Entfernung suchen… Mehr

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  Simplex

> Die Menschen im ländlichen Raum gucken in die Röhre Extrem viel Geld geht in „strukturschwache Regionen“, das flache Land – mittlerweile leben die meisten Leute in den Städten (weltweit), während für die Landwirtschaft 1-2% der Bevölkerung reicht. Bei diesen Verhältnissen ist es absurd, alles zu verteufeln, was vorwiegend die städtische Lebensqualität erhöht und nicht direkt dem kaum noch besiedelten flachen Land dient. Da könnte man doch glatt das Spiel umgekehrt treiben – wozu eine teure Straße für ein paar Dorfbewohner? Auf einem Landweg kommt man mit dem Traktor genauso durch. Wer sich ob des Weges zum Supermarkt beschwert, kann… Mehr

Karl Renschu
1 Monat her
Antworten an  Haba Orwell

Wenn man sich nun ob der Bürgerferne des erlauchten Politiker echauffiert, sollte man dann nach Berlin oder gar in dessen Wohnortnähe ziehen?