Deutschlands moralisches Totalversagen in der Tragödie von Kabul 

In einem Ausrutscher plauderte die Kanzerin, eigentlich eine Meisterin der Vertuschung, aus, sie habe sich schon seit Wochen auf diese Situation vorbereitet. Nur scheint sie ihre einsamen Planungen niemandem mitgeteilt zu haben. Untersuchungsausschuss ist das Mindeste.

imago images / Jens Jeske

Man stelle sich vor, ein Hochhaus steht in Flammen. Seine Bewohner warten verzweifelt auf Hilfe, manche springen sogar aus dem Fenster in den Tod. Da fährt plötzlich die scheinbare Rettung vor. Die Feuerwehr mit einem kleinen Sprungtuch für lediglich sieben Personen. Der Einsatzführer weiß, dass er noch ein vielfach größeres Tuch zur Verfügung hätte. In seinen Anordnungen ist aber nur der Einsatz des kleinen Tuches vorgesehen. Als gelehriger Deutscher wiegt das für ihn mehr, als die Not der Menschen. Kurzum – Sieben springen und werden gerettet. Der Rest wird seinem Schicksal überlassen. Verweigerte Hilfeleistung ist das Mindeste, was man vorwerfen kann – moralisch gesehen ist es ein Verbrechen.

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Nichts anderes ist auf dem Flughafen von Kabul passiert. Eine Transportmaschine der Bundes-Luftwaffe landete in Kabul. Von Bord gingen Elite-Soldaten der KSK. Aufgenommen wurden sieben (!) Personen. Alle hatten, wie es Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer so schön im Morgenmagazin der ARD formulierte, die notwendigen Papiere bei sich und bekamen nach einem Abgleich mit der Liste der Crew Zugang zur rettenden Maschine. Die Türen wurden verschlossen und der nahezu leere Riesentransporter flog in die Freiheit davon.

Hunderte zum Himmel flehende Frauen, Kinder und Männer wurden einfach zurückgelassen. Die meisten davon waren Menschen, die der Bundeswehr über viele Jahre hinweg als Afghanen treue Dienste geleistet hatten. Es gibt für ein solches Verhalten der Bundesrepublik nur ein einziges Wort: Verrat. Jeder Deutsche mit einem Rest von Anstand muss sich für diese Regierung schämen. Dies umso mehr, als die Hercules-Jets der US-Airforce und der Briten so viele Menschen ohne jede Kontrolle an Bord nahmen, wie es die Tragfähigkeit kaum noch zuließ. Auch sie hatten Befehlshaber, nur waren das Menschen und keine Maschinen. 

Im Kessel von Kabul
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Jetzt versucht man sich in den USA wie auch in Berlin aus der Misere herauszumogeln. Man habe den schnellen Zusammenbruch der afghanischen Armee nicht vorhersehen können. Insider hingegen wissen, dass die CIA und auch der Bundesnachrichtendienst frühzeitig in ihren Berichten die jetzt eingetretene Katastrophe beschrieben. Entsprechende Maßnahmen wurden allerdings nicht eingeleitet. Die Motive liegen auf der Hand: Die größte Niederlage der freien Welt seit Bestehen der NATO sollte in einen Erfolg umgeschminkt werden. Man vertraute aus taktischen Überlegungen auf die Versprechen der islamischen Fundamentalisten, die Regeln der Zivilisation zumindest eine Zeitlang nach dem Abzug einzuhalten. Doch nur kurze Zeit nach dem Abzug wurden von den Taliban in den Provinzen die ersten Menschenrechtsverletzungen begangen.

Dem militärischen Versagen wurde ein moralisches hinzugefügt, verbunden mit einer unverschämten Lüge. Dass dem so ist, zeigt ein unbeabsichtigter Ausrutscher der deutschen Kanzlerin, eigentlich eine Meisterin der Vertuschung, als sie herausplauderte, sie habe sich schon seit Wochen auf diese Situation vorbereitet. Nur scheint sie ihre einsamen Planungen niemandem mitgeteilt zu haben. Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ist das mindeste, was jetzt passieren muss, ganz davon abgesehen, dass eine massive Verstärkung deutscher Präsenz spätestens jetzt, nachdem auch die Franzosen Spezialkräfte entsenden, selbstverständlich sein müsste. Wahrscheinlich lassen aber die bürokratischen Vorschriften auch das nicht zu, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern. 

Eine weitere Schäbigkeit kommt hinzu. Verzweifelt bemühte sich die Verteidigungsministerin bei der Benennung der deutschen Einsatzkräfte, die Bezeichnung KSK nicht in den Mund zu nehmen. Wie sollte man auch gerade noch als verkappte Nazis diffamierte Soldaten als Retter in der Not darstellen? Auch hier stellen sich Fragen über Fragen. Jetzt ist es die Stunde der Oppositionsparteien, Tacheles zu reden, damit die Wähler am 26. September diesen grausigen Offenbarungseid nicht vergessen haben. 

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Kommentare ( 137 )

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Epouvantail du Neckar
3 Jahre her

Na, zumindest scheint sich die WELT in der Transformation vom Bundesausschreibungsblatt zu einem kritischer fragenden Journal zu befinden. Dass ich das noch erleben darf!

moorwald
3 Jahre her

Nun ja, „Deutschland“ sollte man nicht allzu wörtlich nehmen. Gemeint ist natürlich immer die deutsche Politik, also das offizielle Handeln. Da läßt sich das Versagen einwandfrei zuschreiben.
Sie und ich sind Zuschauer.

Tacitus
3 Jahre her

Ich teile Ihre Meinung. Deutschland hat nicht versagt. Insofern muss Deutschland als Land nichts aufarbeiten.
Versagt haben Menschen, die leider in Deutschland immer noch politisch agieren dürfen, obwohl sie schon mehrfach versagt haben: Frau Merkel, Frau Kramp-Karrenbauer und Herr Maas haben versagt. Das ist das Problem, mit dem Deutschland ungerechtfertigterweise in Verbindung gebracht wird.

Der Winzer
3 Jahre her

Herr Gafron,
die AfD redet seit ihrer Gründung 2013 Tacheles.
Nur allzu viele wollen das leider nicht hören …

Manfred_Hbg
3 Jahre her

ANBEI Wenn es interessiert kann heute Mittwoch /20h zum Thema Afghanistan und NATO Truppenabzug im  „Einprozent Livestream“ ein Interview mit den AfD Bundestagsabgeordneten Jan Nolte sehen: > „Wir können heute um 20 Uhr den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte als Gast begrüßen. Als Soldat und Verteidigungsexperte besitzt er das nötige Wissen, um für uns die Lage in Afghanistan und die Konsequenzen einschätzen zu können.“ Hinweis:  Also jetzt gegen 18:45h bekomme ich nur ein „Adresse nicht gefunden“ angezeigt. Doch ich vermute mal, dass sich das um/gegen 20h dann ändern wird. Einfach mal den Wecker stellen und probieren…. . https://einprozent.us15.list-manage.com/track/click?u=9ead3b68c9d608188a6fed600&id=7437ef51d3&e=5f70df0a07 ~~~~~~~~~ 2.)  Und hier… Mehr

Beobachterin
3 Jahre her

Den „War on Terror“ haben eindeutig die Terroristen für sich entschieden. Nicht zu vergessen, diese Krieg wurde von den Vereinigten Staaten ausgerufen. 9/11 war die Initialzündung. Präsident Bush, auf dessen Konto Millionen Todesopfer gehen, rief die „Operation Enduring Freedom“ aus. Derselbe, der jetzt auf Twitter dazu aufruft für die afghanischen Menschen zu beten. Was für ein Hohn, wenn man bedenkt, dass geheime Gefangenenlager bis heute für Folter und Rechtsverbrechen stehen. Kein Präsident nach ihm hat die Schließung von Guantanamo zu Wege gebracht. Nicht der sympathische Herr Obama, nicht der böse Donald Trump und Mr. Biden, der wohl auch nicht. Die… Mehr

Manfred_Hbg
3 Jahre her
Antworten an  Beobachterin

Zitat: „Die NATO sollte sich auch ein paar Fragen stellen (lassen). 1. Frage: Warum wurden die Waffen nicht vor dem Abzug der Truppen vernichteI > Öhm, na ja, diese Frage hat eigentlich vor etwa 14 Tage schon Biden (indirekt)beantwortet indem er einen Reporter auf seine Frage „ob er(Biden) dann doch noch amerik. Soldaten nach Afghanistan(Kabul?) schicken wolle“ geantwortet hat: „nein, das afhganische Militär sei nun gut ausgebildet und kann sich selber helfen“. Wuhahaha……, jau, man sieht es -toll susgebildet sind sie. Da haben „unsere“ afghanischen Party-Boys aus der Event-Szene wahrscheinlich eine bessere Kampfausbildung und -erfahrung. Wenn Dumm- und Realitätsverlust quitschen… Mehr

Kassandra
3 Jahre her
Antworten an  Beobachterin

Aber der „sympathische“ Mr. Barack Hussein Obama II hat anscheinend einen jetzigen Talibanführer aus Guantanamo frei gelassen. Plus 4 weitere. Immerhin!
https://www.dailymail.co.uk/news/article-9901613/Mastermind-steaming-Taliban-takeover-Kabul-released-Guantanamo-Obama-2014.html
Zu Ihren Fragen: Kollaboration?
Der „böse“ Mr. Trump hat das kritisiert: „Can anyone even imagine taking out our Military before evacuating civilians and others who have been good to our Country and who should be allowed to seek refuge? In addition, these people left topflight and highly sophisticated equipment. Who can believe such incompetence? Under my Administration, all civilians and equipment would have been removed.“ https://www.donaldjtrump.com/new

Last edited 3 Jahre her by Kassandra
Lemmy
3 Jahre her
Antworten an  Beobachterin

9/11 war eine Initialzündung? Ich sehe es eher als eine Kriegserklärung. Was hätte ein amerikanischer Präsident nach diesem Ereignis machen sollen? Einen Untersuchungsausschuss einberufen bei Kaffee und Kuchen???

Fui Fujicato
3 Jahre her

Also keiner ??? Von Kämpfen der hochgerüsteten afghanischen Armee + afghanischer Sicherheitskräfte gegen die Taliban (300.000 vs. 60.000 Mann) habe ich nichts gehört !!!
Kämpfe fanden bei der „Eroberung“ Kabuls durch die Taliban meines Wissens nicht statt !!!

SwingSkate
3 Jahre her

Das Merkel-Regime ist sich seiner seit 2015 erkennbaren Linie treu geblieben möglichst viele Bewohner fremder Kontinente nach Deutschland umzusiedeln. Diesmal ist eine besonders raffinierte Konstellation gelungen: Wurde mittlerweile medial fast etwas abschätzig von „Migranten“ und „Wunsch nach besserem Leben“ berichtet, sind jetzt wieder die „Schutzsuchenden“ im Rampenlicht. 
PS: Ohne einen nicht unerheblichen Rückhalt in Bevölkerung und Armee wären die Taliban-Strauchdiebe niemals so weit gekommen.

Reiterhofer
3 Jahre her

Wenn die AfD im September 51% bekäme, ob dann die Flughäfen in Frankfurt, Berlin und Köln-Bonn ähnliche Bilder sähe? Laut ÖR und Co. könnte man fast daran glauben. 😉

Kontra
3 Jahre her

Aus KSK werden jetzt „Fallschirmjäger“! Hauptsache in diesem durch und durch kaputten Land funktioniert das Framing noch! Nun fehlt mir im ÖR nur noch die Wortschöpfung Taliban****innen, dann können sie komplett einpacken!