Die Demokratie verteidigt sich, indem sie lebt, und sie lebt, wenn sie demokratisch ist, das heißt, wenn sich alle in einem fairen Wettstreit der Ideen und Konzepte einbringen können und die Mehrheit des Demos, des Volkes am Ende entscheidet.
Europa benötigt neue Eliten, vor allem politische Bewegungen, die die Interessen einer Mehrheit von Bürgern vertreten. Die Frage lautet, ob Europa neue Eliten und politische Bewegungen hervorzubringen vermag oder ob der gute, alte Kontinent weltpolitisch ausgespielt hat. Es geht um Besinnung und Erneuerung. Macron, Habeck, Mélenchon, Baerbock, von der Leyen, Tusk, wohl auch die Herren Günther und Wüst, Saskia Esken und Olaf Scholz auf alle Fälle gehören der Welt von gestern an.
Die Zumutung für die wirklich Liberalen und die Konservativen lautet: Avantgarde zu werden. Die Welt befindet sich in einem grundlegenden Wandel und Europa in einer Zeit der Wirren. Dieser Wandel ist objektiv, und Deutschland muss sich ihm stellen, wenn dieses Land den Wandel selbst bestimmen will und nicht verwandelt werden möchte.
Nannten die Kommunisten ihre höchste Form der Demokratie noch Diktatur des Proletariats, lautet der zeitgemäße Name für Diktatur anscheinend wehrhafte Demokratie. Denn gegen wen soll sich die Demokratie wehren? Etwa gegen die, die einige als Feinde der Demokratie markieren, weil sie einen Verbrenner fahren wollen oder es ablehnen, sich zum Vegetarismus zwingen zu lassen oder die biologische Tatsache weiter vertreten, dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt? Heißt die wehrhafte Demokratie wehrhafte Demokratie, weil sie sich mit allen Mitteln gegen die Wirklichkeit wehrt? Wird Obskurantismus in der wehrhaften Demokratie Pflicht? Wehrhafte Demokratie ist eine Contradictio in Adjecto. Die Demokratie verteidigt sich, indem sie lebt, und sie lebt, wenn sie demokratisch ist, das heißt, wenn sich alle in einem fairen Wettstreit der Ideen und Konzepte einbringen können und die Mehrheit des Demos, des Volkes am Ende entscheidet.
Für Baerbock und Habeck, für Faeser und Scholz, für Paus und Schulze, für die Chefs des öffentlich finanzierten, grünen Rundfunks, für die Chefredaktionen eines weitgehend grünaffinen Medienkomplexes, für die teils staatlich finanzierte Mehrheit der Streamer, die man Mainstream nennt, geht es um die Verteidigung ihrer Herrschaft, um die Herrschaft des Brandmauerkomplexes, eines Establishments, dessen Fähigkeit einzig und allein darin besteht, skrupellos seine Posten und Pöstchen zu verteidigen, auch wenn es dafür das Recht biegen und hemmungslos die Leute nach dem alten römischen Grundsatz divide et impera gegeneinander aufbringen muss. Dass es dieses Establishment ist, das statt Lösungen nur Probleme hervorbringt, das Land spaltet, beweist die einfache Tatsache: Wer Mauern errichtet, spaltet, denn Mauern trennen.
Spätestens seit dem Ausgang der französischen Parlamentswahlen und dem Wanken von Frankreichs politischem System, seit der Gründung der Fraktion Patrioten für Europa durch Viktor Orbán, den Ausfällen der deutschen Postmodernen und den fragwürdigen Aktivitäten eines Inlandsgeheimdienstes, der sich immer stärker zu einer Mischung aus politischer Polizei und Propagandaabteilung entwickelt, und einer Justiz, die wie in Halle Zweifel an ihrer Unabhängigkeit erregt, wird deutlich, dass ein Establishment, ein Ancien Regime den Kampf ums eigene Überleben eröffnet hat – und das sogar, bevor es angegriffen wurde. Aber das stimmt natürlich nicht, dieses Establishment wird ja tagtäglich mehr und mehr angegriffen, nicht von einer Opposition, sondern von der Wirklichkeit, weil sich von Tag zu Tag stärker die Realität, die Resultate seiner Herrschaft gegen dieses Establishment selbst wenden. Es sind immer mehr Bürger, die sehr genau wahrnehmen, dass sie täglich weniger Rechte, weniger Freiheit haben, dass der Wohlstand sinkt und die Wertschöpfung vernichtet wird, dass der Westen verliert, in der Ukraine, auf der Welt.
Der Wohlstand der westlichen Welt, das sozialdemokratische Zeitalter hat Europa träge gemacht. Geistige und politische Strömungen wie der Postmodernismus, der aus dem Marxismus, dem Poststrukturalismus und dem Dekonstruktivismus hervorgegangen ist und nach 1968 wie eine fortschreitende Autoimmunerkrankung Kultur, Medien, Wissenschaften und schließlich das politische Establishment ergriffen hat, das besonders seit den 2000er Jahren sich heftig nach links bewegte, erlangten die Herrschaft. Nach dem Platzen der Subprime-Blase, mit der Weltfinanzkrise im Jahr 2009 verbündete sich das Finanzkapital mit den sogenannten emanzipatorischen Parteien und Bewegungen, mit den Grünen, den LGBTQ sowie postkolonialen und genderistischen Zirkeln.
Während die Industrie, vor allem die Finanzindustrie und die Tech- und Unterhaltungskonzerne von den sogenannten emanzipatorischen Parteien und Bewegungen symbolisches Kapital erhielten, verfügen spätestens seit 2010 die sogenannten emanzipatorischen Parteien und Bewegungen über märchenhafte Finanzmittel, auch von Stiftungen, die gegen die Demokratie und die Freiheit und Selbstbestimmung der Bürger mit Milliardensummen wie die Open Society von Georges Soros operieren. Für die Finanzindustrie wirkt sich zudem die Große Transformation als die Große Umverteilung von den Bürgern zu ihnen aus. Sie profitieren von hohen Energiepreisen, von der Förderung der erneuerbaren Energien. Grün ist die neue Blase, ist die bisher einträglichste Blase in der Geschichte der westlichen Welt. Wenn sie platzt – und sie wird platzen –, stehen die Bürger im Bankrott, während BlackRock und Co das größte Geschäft gemacht haben werden, das überhaupt auch nur erträumbar ist. Deshalb haben sich Prinz John, der Sheriff von Nottingham und Robin Hood zusammengeschlossen im großen Fischzug gegen die Bürger. Und auch im Ukraine-Krieg wird verdient, ein Aspekt, der in einer hochemotional aufgeladenen Diskussion selten Erwähnung findet.
Zur Probe aufs Exempel: Wann haben deutsche Medien eigentlich einmal über die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ, Shanghai Cooperation Organisation) berichtet? Der Organisation, in der sich Staaten in Wirtschafts-, Sicherheits- und Handelsfragen abstimmen, mit Sitz in Peking, gehören Belarus, China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan an. Das Bündnis hat auch eine nicht zu vernachlässigende verteidigungspolitische Komponente, erhebt den Anspruch, 40 Prozent der Weltbevölkerung zu vertreten, und besitzt seit 2004 einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Aber das ist noch nicht alles. Offizielle Dialogpartner des Bündnisses sind Staaten wie Armenien, Aserbaidschan, Kambodscha, Nepal, Sri Lanka, die Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, Malediven, Myanmar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait. Von den 14 Dialogpartnern kamen erst nach 2022, nach Russlands Überfall auf die Ukraine, der überwiegende Teil, nämlich acht Staaten hinzu. Übrigens auch Katar, wo Robert Habeck 2022 den wirkungslosen Bückling vollführte. Der Kreis der BRICS-Staaten hat sich erweitert, der Organisation gehören nun Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika, Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate an. Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate traten dem Block übrigens am 1. Januar 2024, auch erst nach Russlands Angriff auf die Ukraine, bei.
Im Mai erreichten laut Economist die Beziehungen zwischen den Ländern der Sahel-Zone und dem Westen „einen Tiefpunkt“, „als Niger den USA befahl, ihre Truppen bis September abzuziehen – nachdem man bereits eine französische Anti-Terror-Mission hinausgeworfen hatte – und russische Militärberater willkommen hieß“. Man muss dazu wissen, dass Niger ein Viertel des europäischen Urans liefert. Im Juni hat Niger den Franzosen die Abbaulizenz von Uran entzogen und sie stattdessen den Russen übergeben. Der Economist fasst zusammen: „Nigers Abkehr vom Westen erfolgt inmitten dessen, was viele im französischsprachigen Westafrika als zweite ‚Unabhängigkeit‘ bezeichnen. Sie wird von einer neuen Generation von Nationalisten vorangetrieben, die in den ehemaligen französischen Kolonien von Senegal bis Tschad und in den drei Kernländern der Sahelzone Burkina Faso, Mali und Niger die Macht übernommen haben.“ Niger, Mali und Burkina Faso haben überdies ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit mit Russland abgeschlossen. China und der Iran sind ebenfalls in der Region unterwegs.
Deutschland und Europa stehen vor grundsätzlichen Auseinandersetzungen. Die eigentliche Frage lautet: Siegt die Reaktion, die Linke und die Grünen, oder gewinnt der Fortschritt? Der setzt voraus, dass man die Wirklichkeit der Welt des 21. Jahrhunderts analysiert und davon ausgehend ein rationales Konzept entwickelt, dessen Einzelheiten man nicht in die Welt hinausposaunen sollte, sondern das man stattdessen nur klug und konsequent zu verwirklichen hat – und das von den Interessen der Nationen in Europa und für Deutschland von deutschen Interessen ausgeht.
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Der Westen bekommt das, was er verdient. In seiner Arroganz hat er es sich mit Russland und China verdorben. Die Sanktionen gegenüber Russland haben das Fass zum Überlaufen in der Welt gebracht. Die meisten Staaten in der Welt haben nur auf ein Signal gewartet, um den Westen die Stirn bieten zu können. Sie haben das Signal bekommen und haben gehandelt. Der Westen ist mehr oder weniger isoliert. Er kann seine „regelbasierte“ Ordnung, wo nur er die Regeln bestimmt, nicht mehr auf alle Staaten anwenden. China verkauft seine Dollarpapiere in großem Umfang. Statt, dass sich die EU den neuen Verhältnissen anpasst,… Mehr
„Deutschland und Europa müssen ihren Wandel selbst bestimmen“
Im ehem. Ostblock und den neuen Bundesländern würde das sogar funktionieren.
Im Westen dagegen ist das zum Scheitern verurteilt, schon alleine an der Zahl der Stühle für die einberufenen Stuhlkreise.
Natürlich sind deutsche Abgeordnete im Bundestag und EU-Parlament nur ihrem Gewissen verpflichtet.
Wenn man allerdings keins hat, dann kommt eben das raus, was derzeit zu bewundern ist.
Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ein hervorragender Beitrag, Herr Mai. Super analysiert und formuliert. Nahezu jeder Satz geht runter wie Öl. Eine Kritik bleibt. Putin – Überfall auf die Ukraine. Putin mag die Ukraine überfallen haben und jeder Krieg ist verabscheuungswürdig. Man muss aber auch die andere Seite sehen. Den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt es schon viele Jahrzehnte und selbst in der Sowjetunion waren sich die einzelnen Teilstaaten nicht grün, wohl nur zusammengehalten durch harte Hand. Das setzte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion und des gesamten Ostblockes fort. Der Ukrainekrieg hätte verhindert werden können, er hätte auch bereits beendet sein können.… Mehr
Sehr gut, lieber Herr Mai. Fortschritt ist eigentlich grundsätzlich technologiegetrieben und diese abhängig von günstigen Rahmenbedingungen, Intelligenz, Mut und Leistungsbereitschaft. Wenn Frau von der Leyen -wahrscheinlich in Abstimmunv/Auftrag von Scholz,Habeck und Merz – einen ihren Arbeitgeber, d.h. Victor Orban derart in der Öffentlichkeit niedermachen kann, sagt das mehr über das ancien regime, als über Victor Orban. Meine Spende für 2024 geht wegen Ihnen und dem Herausgeber, der sich aktuell wie kein Zweiter für Artikel 5 einsetzt, heute noch raus. Nur eine breite Gegenöffentlichkeit kann uns, d.h. D. und die EU noch in die richtige Richtung bewegen. Demokratie funktioniert in dieser… Mehr
Fortschritt? Es gibt bereits zeitlose Werte, wie Achtung und Respekt dem Nächsten gegenüber, (nicht dem Fremden, der hierher kommt, um von den hier arbeitenden Menschen, „kostenlos“ verköstigt zu werden), die jeden Fortschritt längst überholt haben und nicht verbesserungsfähig sind. Entweder findet dieses kaputte, kranke, parasitäre, intrigante Verräter-Europa dahin zurück, oder der wirtschaftliche Abstieg kommt absolut sicher und die Armut im Koffer. Mit der Ratio (Vernunft) hat das Ganze wenig zu tun. Auch war und ist Kant ganz sicher nicht der Verteidiger der menschlichen Vernunft, das ist jemand ganz anderes. Wahr ist, daß die Ampelregierung, rational handelt. Sofern deren Prämissen wahr… Mehr
Erschreckend ,dass das Wording auch bei Herrn Mai funktioniert.
Das ein Kontinent mit dem Bürokratiemonster EU gleichgesetzt wird,ist dem Verein,über den Martin Schulz sagte,er würde am eigenen Aufnahmeverfahren, wegen fehlender Demokratie scheitern,
offensichtlich gelungen.
Alles schön und gut, aber wie soll das passieren.
Das herrschende System hat sich längst gründlich eingegraben, in jeder Hinsicht und es ist unfähig zu Korrekturen. Also gehts gegen die Wand.