„Der Spiegel“ und „Focus“ am Montag – Ärzteumschau oder Nachrichtenmagazin?

Nun sollen wir alle am Wochenende lesen: DER SPIEGEL und FOCUS werden jetzt am Samstag ausgeliefert. Nicht mehr der Montag, der Sonntag soll SPIEGEL-TAG sein. Die Medienzeitschrift Horizont  hat mich dazu um Stellung gebeten. Was ich mir davon erwarte, ob es mir gefällt?

„Was macht denn den großen Erfolg der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ aus? Dass sie leichtfüßig daher kommt; nicht nur Information liefert sondern auch Infotainment und, man glaubt es kaum, wenn man die Mutter ehrt: Lesespaß. Das hat man sich redlich verdient, wenn man sich wochentags fleißig per Fraktur durch die Bleiwüste geackert hat. Da hat man sich dann, um Heinrich Heine zu zitieren, Kuchen, Pasteten und Kapaunen verdient und darf sich auch das eine oder andere Götting-Wurst-Zitat schmecken lassen. Sonntag ist eben Familie, Freiheit und Freizeit. Darauf sollten die Sonntagsmedien reagieren. Leichtigkeit ist harte Arbeit; das erfahre ich, wenn ich meine Kolumne für die BamS schreibe, die anders, aber auch leicht daherkommt und das zu Recht auch von einem Wirtschaftskommentator verlangt. 

„Will man am Wochenende wirklich die herabgezogenen Mundwinkel und die schlechte Laune vom ‚Spiegel‘ konsumieren? “

Werden das „Spiegel“ und „Focus“ schaffen? Oder beschädigen sie damit nicht ihren Werte-Kern? Will man am Wochenende wirklich die herabgezogenen Mundwinkel und die schlechte Laune vom „Spiegel“ konsumieren? Wir sind ja darauf konditioniert, dass der Montag der Tag der Bissigkeit ist; und wer ungebissen davongekommen ist, für den beginnt die Woche schon mal nicht so schlecht. Aber Wadenbeißer am Wochenende –  bitte nicht. Und wenn der „Focus“ noch leichter wird, dann wird er endgültig zur „Ärzteumschau am Wochenende“ und ich stecke ihn mir endgültig ein. Aber nur als Nierenwärmer im Rücken beim Langlaufen. 

Mit dem Montag geben die Nachrichtenmagazine ihren Anspruch und ihre Daseinsberechtigung auf: Zu bestimmen, worüber wir während der Woche sprechen. Aus. Vorbei.“

Soweit Horizont. Die Not muss groß sein beim Spiegel, wenn sie den Spiegel-Tag aufgeben. Der Montag gehörte zum Markenkern des Produkts; es war für viele Politiker und andere, die auf der Liste der Bösen beim Spiegel standen, ein gefährlicher Tag. Allerdings hat die Gefährdungszone längst nachgelassen, denn der Spiegel hat ungeheuer an Glaubwürdigkeit verloren sowie an der Fähigkeit, Themen zu setzen. Und auch rein technisch ist der Samstag nicht ungefährlich: Bürohochhäuser sind verwaist, Gewerbegebiete menschenleer, die Schranke vor dem Tor ist geschlossen und dahinter wartet der Wachhund: Was am Samstag per Post kommt landet bei Wirtschaftsadressen buchstäblich im toten Briefkasten. Erst am Montag kommen der Pförtner oder Mitarbeiter der Poststelle und kramen das Altpapier vom Samstag aus dem überquellenden, zur Papiermülltonne mutierten Briefkasten, oder gar aus dem Rinnstein hervor. Hoffentlich hat es nicht geregnet ….Für die, die dann am Montag den SPIEGEL auf den Schreibtisch erhalten, ändert sich nichts – außer dass DER SPIEGEL dann alt ist. Vom Samstag eben.So wird man noch beliebiger, eine gefährliche Entwicklung für eine Medienmarke. Ohnehin wird die Reichweite bald schrumpfen. Die „Reichweite“ wird per Umfragen erhoben und ist die wichtigste Entscheidungsgrundlage für Anzeigenkunden. Nun stellen viele Verlage auf e-Paper um; sie sparen Druck und Papier, gelten als modern und das ist eine sichere Sache, wenn damit rabattierte Abos erfaßt werden: Abos, die etwa an Studenten oder im Wege von Werbeaktionen fast verschenkt werden. Da ist E-Paper allemal billiger als aufwendiger Druck, Papier und Vertrieb. Und bisherige Papier-Exemplare dürfen als verkaufte „Exemplare“ gemeldet werden, wenn sie 10 % des Verkaufspreises erlösen. Das Problem ist nur: Papierexemplare liegen herum oder werden per Umlauf weitergegeben und finden bis zu 5 Leser. E-Paper kann nur einer lesen. Bald wird also die Reichweite sinken, Reichweite und Anzeigenerlöse weiter schrumpfen.

Dazu schreibt der langjährige Chefredakteur von Capital, Ralf-Doeter Brunowsky:

„Allerdings musste man den Spiegel schon bisher nicht mehr am Montag lesen, weil Freitag und Samstag schon alle wichtigen Geschichten über Agenturen verbreitet wurden. Der Drang, zu den “Meistzitierten” zu gehören, macht das eigentliche Heft immer uninteressanter, zumal an dem Spiegel den internen Konflikt anmerkt. Es setzen sich immer mehr die Langweiler in der Redaktion durch.“

PS.: Auch die Kollegen des Medienfachblatts leiden unter dem Rechtschreibautomatismus. Aus Göttinger-Wurst wurde Götting-Wurst. Das ist ärgerlich. Ich leide darunter manchmal wie ein Hund. Aus „Alain“ Finkielkraut wurde in meinem Text über die Anschläge auf Charlie Hebdo „Allein“. Jetzt halten mich viele für einen sprachunkundigen Volltrottel. Es trifft uns alle. Deshalb entschuldige ich mich an dieser Stelle für viele Fehler; nicht ich war`s, sondern der Computer. Und weil man es bei der Korrektur überliest, zur Entschuldigung das ganze Heinrich-Heine-Zitat. Weil es so schön ist, mit der ganzen Wurst. 

Im hungrigen Magen Eingang finden/ nur Suppenlogik mit Knödelgründen,/ nur Argumente von Rinderbraten,/ begleitet mit Göttinger Wurstzitaten./ Ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,/ behaget den radikalen Rotten/ viel besser als ein Mirabeau/ und alle Redner seit Cicero.

Heinrich Heine (1797-1856), dt. Dichter

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