Die Stunde der Trennung wird kommen, doch nicht dann, wenn es der Vorstand der Linkspartei möchte, sondern wann es Sahra Wagenknecht will. Die Linkspartei ist nicht mehr Herrin des Verfahrens, sie ist die Geisel in Wagenknechts Plänen. Die Linkspartei leidet letal an intellektueller Auszehrung.
Nun ist es amtlich, der Vorstand der Partei der Linken hat beschlossen, dass Sahra Wagenknecht ihr Bundestagsmandat zurückgeben soll. Der überaus populäre Martin Schirdewan, dessen Namen nur DDR-Historikern bekannt ist, war doch der Großvater einmal Mitglied des ZK der SED, und ansonsten einigen Genossen in der Linkspartei, verkündete: „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“. Da hat Sahra Wagenknecht doch noch einmal Glück gehabt, denn die Linkspartei dürfte zwar eine Vergangenheit haben, doch ihre Zukunft liegt längst hinter ihr.
Wagenknecht hatte sich immer wieder gegen das Siechtum der SED, deren letzter Namen nach SED, SED-PDS, PDS nun Partei Die Linke lautet, die aber eigentlich schon seit 1989 tot ist, gestemmt. Letztlich erfolglos. Hatte die PDS vorgegeben, die Interessen der Ostdeutschen im sogenannten Transformationsprozess zu vertreten, gab sie dem bundesdeutschen Publikum die Protestpartei, stand sie für eine soziale bis sozialistische Politik, so ist davon seit Jahren nichts mehr als eine nostalgische Erinnerung übrig. In den Inhalten unterscheidet die Linkspartei nichts mehr von den Grünen. Deshalb ist diese Partei überflüssig. Sie kann nicht leben, sie kann nicht sterben, noch nicht. Sie weiß nicht mehr, wer sie ist und was sie soll.
Man könnte jetzt eine Chronik der Auseinandersetzung Sahra Wagenknechts mit dem Vorstand der Linken aufblättern, man könnte darstellen, wie die Woken über Jahre die Partei gekapert haben, aber diese Telenovela ertrüge nicht einmal der größte Fan öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Im Kern – bei allen persönlichen Eitelkeiten und taktischen Spielchen – geht es um Folgendes, um die Auseinandersetzung der identitätspolitischen Linken mit der sozialpolitischen Linken. Den Kampf haben schließlich schon seit geraumer die identitätspolitischen Linken, die zwar wissen, was ein transsexueller NGO-Mitarbeiter in Berlin Mitte, nicht aber, was ein Bergmann in der Lausitz ist, gewonnen.
Mit Sahra Wagenknecht verliert die Linke nicht nur ihren bekanntesten Politiker, sondern auch ihren einzigen Strategen. Zurück bleiben die Ideologen, so rhetorisch brillante Parteivorsitzende wie Janine Wissler und Martin Schirdewan, so populäre und bekannte Vorständler wie Tobias Bank oder Jana Seppelt oder die vom Geist des Klassenkampfes in Stalins Manier durchdrungene Katina Schubert, von der man den Eindruck gewinnt, lauscht man ihren Reden, dass sie es zutiefst bedauert, dass es das Ministerium für Staatssicherheit mit seinen reichen Erfahrungen in der Zersetzung des privaten Lebens von Kritikern nicht mehr gibt.
Man erinnert sich noch zu gut an Schuberts Sätze, die sie auf einer Konferenz der Linken 2020 formulierte: „Der Antikommunismus, wo wir dachten, er wäre überwunden, wird im Moment dermaßen lebendig, was wir möglicherweise lange unterschätzt haben … wenige Wochen vor Thüringen wurde in Berlin eine linke Verfassungsrichterin nicht gewählt, die rechte Opposition feiert sich dafür, dass sie das verhindert hat, wir werden nächste Woche wieder eine feministische Juristin zur Wahl stellen – und warum? Weil wir jetzt die sogenannten liberalen Demokraten auch zwingen wollen, die Mauer nach rechts aufzubauen … wenn wir die Rechten isolieren wollen, wenn sie gesellschaftlich geächtet werden sollen, dann müssen wir eine Brandmauer aufbauen.“ In bester kommunistischer Manier will man wieder Menschen aufgrund ihrer Meinung und ihrer Überzeugungen „isolieren“ und „ächten“, weil sie nicht für den woken Kommunismus sind, und man will – und auch darin besitzt man ja historisch einschlägige Erfahrungen – wieder Mauern aufbauen.
Ob Sahra Wagenknecht das Mandat zurückgibt, ist unklar. Es gibt keine rechtliche Handhabe der Linkspartei, das zu erzwingen. Einen Parteiausschluss würde die Linkspartei rechtlich nicht durchsetzen können. So kann man diesen laut verkündeten Beschluss nicht einmal als symbolisch werten. Er ist nur ein Beleg dafür, dass die Partei inzwischen eine politische Untote ist, dass sie noch durch die Republik und vor allem durch Berlin geistert, doch sie hat sich selbst ihrer Basis und ihrer Funktion beraubt.
Ob Wagenknecht eine neue Partei gründen wird, hängt auch davon ab, wie erfolgreich und vielversprechend die Vorbereitungen dafür laufen. Denn Wagenknecht lotet die Möglichkeiten aus, so geschickt, dass man ihr kein parteischädigendes Verhalten vorwerfen kann. Die Stunde der Trennung wird kommen, doch nicht dann, wenn es der Vorstand der Linkspartei möchte, sondern wann es Sarah Wagenknecht will. Die Linkspartei ist nicht mehr Herrin des Verfahrens, sie ist die Geisel in Wagenknechts Plänen. Darüber täuschen alle kraftmeiernden Kommentare nicht hinweg. Die Linkspartei leidet letal an intellektueller Auszehrung.
Um keinen falschen Eindruck zurückzulassen. Ich schätze einige analytische Beschreibungen Wagenknechts, doch nicht die Konsequenzen, die sie daraus ableitet. Was sie aus der Schar der Roten und Grünen jedoch heraushebt, ist die intellektuelle und analytische Substanz. Es lohnt, mit ihr zu streiten.
Eines ist aber klar, das deutsche Parteiensystem ist im Umbruch. Geschichte hat die Flügel geweitet und hebt wieder an. Schöner sind allerdings die Zeiten, in denen keine Geschichte stattfindet, die langweiligen.
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Wagenknecht wird keine neue Partei aufbauen. Sie war nicht einmal in der Lage die Berliner Demo zu organisieren. Die gesamte Orga stemmte A.Schwarzer und andere. Das ganze Partei Gezerre ist nicht ihr Ding. Schon allein der finanzielle Teil wird sie kaum stemmen können. Namhafte Spender und Unternehmen werden da auch nicht zu ihr kommen. Siehe dazu ihre Bewegung, der Rohrkrepierer namens „Aufstehen“. Alles in den Sand gesetzt. Das Zeitfenster für eine Parteineugründung ist recht klein und es läuft der Linken in ganz Europa die Zeit davon. Die Auswirkungen linker desolater Politik wird jeden Tag für immermehr Bürger spürbar. Linke Parteien… Mehr
Nach dem Weggang von Wagenknecht kann die woke Linkspartei kann ja mit den Grünen fusionieren, zusammen schaffen sie bei der nächsten BT-Wahl vielleicht die 5%-Hürde. Der Trend in Deutschland und anderen EU-Ländern ist klar: es ist eine konservative Wende mit Rückbesinnung auf nationale Interessen im Gange. Fremdgesteuerte und destruktive Elitenpolitik wird zunehmend abgelehnt und eine an legitimen Volksinteressen orientierte Politik eingefordert. Ob sich eine eventuelle Wagenknecht-Partei unter diesen Voraussetzungen neben der AfD behaupten kann, bleibt abzuwarten.
Ich könnte mir vorstellen, Wagenknecht in der AfD zu sehen. Intellektuell stehen sich Weidel und Wagenknecht nahe. Eigentlich auch in den Zielen. Vielleicht will es Wagenknecht nicht wahrhaben. Noch eine < 5% Partei brauchen wir nicht.
Nicht vorstellbar. Die politischen Ansichten liegen so weit auseinander, wie die Erde zum Mond. Und ob es nur 5% werden, da lass ich mich mal überraschen.
Wäre schön, aber ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass Wagenknecht zur AfD überläuft. Sie hat sich auch schon ein paar Male negativ geäußert. Beim letzten Event in Berlin (mit Alice Schwarzer), wollte sie ja die AfD auch nicht dabei haben.
Aber ja, eigentlich ist in Deutschland alles abgedeckt, die Freien Wähler haben ja schon ein paar Überschneidungen mit der AfD. Inhaltlich kein Platz mehr für noch eine weitere Partei. Aber wer weiß…
Es ist, leider, Wunschdenken, dass das klassisch-linke Parteienspektrum SPD + PdL keiner Alternative analog zur CDU/CSU und FDP bedarf. Geschweige denn Sahra und Alice zusammen zu wünschen, so reizvoll (auch) eine daraus wohl resultierende Aufregung sicher wäre. – Der gesamten Altparteienlandschaft gebührt Kontra wenn nicht Auswechslung. Sahra ist/wäre da sogar schon etwas spät dran, könnte aber mit der ‚Basis‘ fusionieren. Bildete sich noch eine liberale Partei (was zeitnah den FW und dem BD öbläge), wäre es quasi eine Reinkarnation eines 3-Parteiensystems, welche immerhin ein ‚Wirtschaftswunder‘ auf die Beine brachte und ~2 Jahrzehnte laufen ließ. Vlt. noch besser aber m.E. doch… Mehr
Wagenknecht mochte nicht einmal AfD Sympathisanten bei ihrer Berlin Demo teilhaben lassen. Niemals würde die zur AfD wechseln wollen.
Trotz schöner Worte ist die Frau eine waschechte Kommunistin und die AfD sollte weiteren Linken keine Plattform geben, ebenso Merkel CDUler sollten schön draußen bleiben.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und eine Wagenknecht noch keine Partei. Welches Zugpferd wird sich ihr noch anschließen und Leute mit Ahnung?
Ich würde mir wünschen, dass sie es schafft! Zumindest war sie eine Stimme einer ernsthaften Opposition und jedenfalls den Mumm hatte den Windmühlen der öffentlichen Medien entgegenzutreten.
Fallobstparteien haben wir jeden genug, da braucht es nicht noch eine neue.
Die Entwicklung der Partei, vom ,,real existierenden Sozialismus“,über ,,demokratischen Sozialismus “ (beides schlimm genug)zur Partei in der Tradition Maos und Stalins ,ist fast abgeschlossen.
Die Linkspartei hat doch noch Gregor Gysi und Gesine Lötzsch in Berlin sowie Sören Pellmann in Leipzig, die die 3 Direktmandate bei der BTW2021 geholt haben und der Partei mit ihren 4,9 Prozent die lukrativen Pöstchen im Bundestag „gerettet“ haben.
Ja, aber das deckt eben nur Leipzig und den ehemaligen Ostteil Berlins ab. Selbst in West-Berlin sieht es bereits eher dünn aus mit Wählerstimmen für die Linken.
Und Herr Gysi ist nun auch schon 75. Wer weiß, wie lange er noch Kraft und Energie hat, bei den Linken mitzumischen…
Da würde ich noch einen zweiten Grund vermuten. Ich vermute sehr stark, dass die SED die Rest ihres, m.E. immer noch sehr großen, Vermögens nicht mit den Grün*Innen teilen wollen.
Wir sind doch wieder im Sozialismus. Bevormundung bis ins private, Planwirtschaft, Ausgrenzen und mundtot machen der Nichtlinken, Zensur, Denunziation. Alles da, was das deutsche Sozialistenherz so mag.
Die Linken haben sich schon immer gegenseitig zerfetzt, siehe Trotzki/Stalin, Mao/Chrustchov oder, im schlimmsten Fall, die nationalen gegen die internationalen Sozialisten in den 30er Jahren. Nur eines ist sicher: wo sie an der Macht sind, wächst bald kein Gras mehr.
Alles klar!
Die Reinigungskraft, also die, die die wegen des glänzenden Absatzes nun barrierefrei den Feudel im Lager schwingen kann, kauft sich gleich nach Feierabend von ihrem Mindestlohn ein Aktienpaket.
Und was die Insidervorteile der Arbeitnehmer betrifft: In fast allen Fällen sind es die Arbeitnehmer die vom Konkurs ihres Unternehmens zuletzt erfahren, während die Cleverlis aus der Geschäftsführung sich schon nahtlos neuen Herausforderungen stellen und die Aktienbesitzer, also auch die Ihre Putzfrau, längst ihr Portfolio bereinigt haben.