Das Feuerwerk und die bösen Geister

Feuerwerke sind eine Kombination aus Chemie, Physik und Kunst. Herstellung und Arrangement erfordern großes handwerkliches Können. Ein prachtvolles Feuerwerk ist ein uraltes Kulturgut. Es soll die bösen Geister vertreiben, von militärischen Siegen und königlichen Feiern künden.

IMAGO / Wirestock

Sie heißen „Sun Warrior“, „Predator“, „Big Rhino“ oder schlicht auch „Präsident“ – die Feuerwerkspakete in diesem Jahr. Sie kommen als „Artillerie“ in praktischen Holzkisten. Und was macht der „böse Lehrer“? Der explodiert.

Feuerwerksbatterien sind in diesem Jahr die Renner unter den Silvesterfeuerwerken. Bei diesen Verbundfeuerwerken werden keine einzelnen Raketen mehr aus Sekt- oder Weinflaschen angezündet und abgeschossen, sondern viele Raketen, die dicht nebeneinander in Behälter verpackt sind. Einmal angezündet bieten sie bequeme ‚All-Inclusive‘-Erlebnisse.

Gern gekauft werden „Silver Salute 25 Schuss Batterien“. Ein schwarzes Loch verspricht die Packung: „Golden Blackhole“.

Solche Leuchtfeuerwerksspektakel können schon mal dicht an professionelle Feuerwerke herankommen wie etwa bei „Riakeo Peking Opera 100 Riakeo – 100 Schuss Verbund“. Hier zu sehen:

Oder darf’s ein Sortiment „Titan gold willow tail gol titan willow Waterfall purple“ sein?

Oder schließlich die „Bad Boys“, die mit 192 Schuss über zwei Minuten ein Feuerwerk an den Himmel zaubern.

Feuerwerksbatterien machen mittlerweile 50 Prozent des Branchenumsatzes aus, so die Branchenverbände, reine Knaller dagegen nehmen mit nur noch vier Prozent Anteil das Schlusslicht ein.

Feuerwerke sind eine Kombination aus Chemie, Physik und Kunst. Herstellung und Arrangement erfordern großes handwerkliches Können, Vielfalt an Farben und Formen ist Ergebnis präziser technischer und chemischer Zusammensetzung.

Ein prachtvolles Feuerwerk ist ein uraltes Kulturgut. Es soll die bösen Geister vertreiben, von militärischen Siegen und königlichen Feiern künden. Vor über 1000 Jahren sollen die Chinesen nach einem Elixier für ewige Jugend geforscht haben, wird kolportiert. Sie entdeckten jedoch nicht den Jungbrunnen, sondern dass ein Gemisch aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle mit viel Rauch und Licht explodiert. Auch der Entdecker Marco Polo berichtete von chinesischer Feuerkunst; die Araber nahmen sich dieser Kunst an und sollen damit das Abendland erleuchtet haben. Siege nach Kriegen wurden mit Feuerwerk gefeiert, Fürsten- und Königshäuser inszenierten im 16. Jahrhundert Hochzeiten, Krönungen und Geburten der Thronfolger mit gigantischen Himmelsschauspielen. Sonnenkönig Ludwig XIV. gab Unmengen an Geld für seine Lustfeuerwerke über den Gärten von Versailles aus. Diejenigen, die mit dem Feuer gearbeitet und die Effekte beherrscht haben, waren Feuerwerker. Sie verdanken der Lust an grellen bunten Lichtblitzen, Knall und Rauch Namen und hohes Ansehen.

Aus dem »Fürwercksbuch« von 1420 weiß man, dass Feuerwerker und Büchsenmeister eine eigene Zunft im Heerwesen bildeten. Zugelassen war nur, wer die zwölf Büchsenmeisterfragen beantworten konnte. Nürnberg war lange Zeit das bedeutendste Zentrum der Feuerwerkerei in Deutschland; als Meisterprüfung musste ein prächtiges Feuerwerk konstruiert werden. Feuerwerker waren »stolze, von Öffentlichkeit und Herrschern anerkannte Magier, Herrscher über Feuer und alchimistische Mächte, Dirigenten im Krieg und Regisseure repräsentativer Unterhaltung«, heißt es in dem alten Buch über Feuerwerkskunst. Kunstfeuerwerk und Kriegskunst hingen eng zusammen.

Viele Feuerwerksbücher beschrieben friedliche und militärische Anwendungen von Feuerwerk. Balthasar Neumann, jener Barock-Baumeister, inszenierte Feuerwerke und baute Feuerwerksschlösser. Es half ihm, dass er gelernter Artillerie-Ingenieur war. Im 18. Jahrhundert konnten sich viele Höfe teure Lustfeuerwerke nicht mehr leisten und ließen wenigstens große Bilder von Feuerwerken malen. Heute wollen Grünbewegte prächtige Feuerwerke durch mickrige Lasershows ersetzen.

Nur die Konstanzer glaubten gar, mit einem Verbot eines der größten Feuerwerke Europas zum legendären Seenachtsfest das Weltklima retten zu können. Doch das grüne Umweltbundesamt hat seine »Berechnungen« überprüft und erklärt, »die CO2 Emissionen aus Feuerwerkskörpern sind von geringerer Bedeutung«, außerdem hat es seine »Schätzungen« über Feinstaub aus Feuerwerken aufgrund einer »neuartigen Berechnungsgrundlage« halbiert.

Feuerwerkskörper sind mehr als nur etwas Schwarzpulver. Salpeter – also Kaliumnitrat – war schon früh bekannt. Das birgt den für eine Verbrennung notwendigen Sauerstoff. Denn das Prinzip Feuerwerk ist immer gleich: Eine möglichst hohe Konzentration von Sauerstoff in einem möglichst kleinen Volumen sorgt für den nötigen Wumms. Mit Kaliumperchlorat erreicht man deutlich höhere Temperaturen beim Abbrand. Eine Ausstoßladung brennt in einem Mörser – im Prinzip ein einfaches Rohr, das an einem Ende abgedichtet ist – ab, die Brenngase treten aus einem Mörser hinaus und schießen die Feuerwerksbombe hinauf.

Quantensprung: Kleinstmögliche Änderung eines Zustandes in einem physikalischen System

Oben am Himmel in 100 oder 200 Meter Höhe angekommen, zündet die Zerlegeladung, meist Schwarzpulver, das auf einem Trägermaterial aufgebracht ist. Diese Ladung zerlegt die Bombe in Einzelteile, zündet die Leuchtsterne und schleudert sie in alle Richtungen. Der wichtigste Bestandteil eines Feuerwerksspektakels ist Schwarzpulver: also eine Mischung aus 70 Prozent Salpeter, 18 Prozent Holzkohle und 12 Prozent Schwefel. In der Feuerwerksfabrik wird das Gemisch unter Zugabe von Wasser zwei bis drei Stunden lang vermischt. Dem explosiven Gemisch wird dann 24 Stunden lang Feuchtigkeit entzogen. Erst dann ist das Schwarzpulver einsetzbar.

Die Sterne in den Feuerwerksbomben zaubern die Farben an den Himmel. Um kleine Körner wird ein Klebstoff gelegt, die in den Chemikalien eingelagert sind. Diese chemischen Zusätze sind nach den Farben benannt, die dann bei der Explosion am Himmel zu sehen sind. Natrium oder Kryolith ergeben bei der Verbrennung gelbe Farben, Magnesium rote, Bariumnitrat zaubert grüne Farben, Silbereffekte werden mit Titan erzeugt. Die hohe Kunst der Feuerwerker liegt in der Zusammensetzung der chemischen Elemente: die genaue Berechnung, welche Farben bei welcher Verbrennungstemperatur entstehen.

Das Besondere an solchen Sternen: Sie können mehrere Farbschichten übereinander haben und so bei der Explosion beispielsweise erst in rot, dann in blau und kurz darauf in gelb erstrahlen. Nur wirklich runde Kugeln können verwendet werden, denn sonst könnten die von den Pyrotechnikern geplanten Formen und Effekte am Himmel nicht perfekt entstehen. Die letzte Schicht, die um diese Kugeln gelegt wird, ist Schwarzpulver.

Doch warum leuchten die Sterne gerade in diesen Farben? Die Antwort steckt in den Energieniveaus der Elektronen. Die umkreisen den Atomkern auf Bahnen in unterschiedlichen Abständen. Wird zum Beispiel ein Metallatom durch Hitze angeregt, so können Elektronen aus seiner Bahn herausgerissen werden. Beim Zurückspringen der Elektronen wird Energie frei – in Form eines kleinen Lichtblitzes. Licht in einer bestimmten Frequenz wird abgestrahlt – und damit auch in einer bestimmten Farbe. Diesen Augenblick nennen Physiker Quantensprung oder genauer: die kleinstmögliche Änderung eines Zustandes in einem physikalischen System.

Gigantische Feuerwerksspektakel lässt man gern in den Emiraten am Golf abbrennen

Die Sternenkugeln werden in einer Halbschale um einen Zünder gelegt. Daneben können noch Effekte für Geräusche und besondere Formen wie goldene Palmen eingebaut werden. Zwei auf diese Weise bestückte Halbschalen werden dann vorsichtig aufeinander gelegt und ein Zünder eingesetzt. Die beiden Halbkugeln werden miteinander fest verbunden, erst verschnürt, dann verklebt. Der Klebstoff, der dabei verwendet wird, besteht aus Mehl und Wasser. Der Feuerwerkskörper wird nun auf eine Halbschale mit Schwarzpulver gesetzt. Die Menge des Pulvers ist berechnet nach der Explosionshöhe und nach der Verbrennungstemperatur, die wiederum auch die Farbtöne bestimmt. Die Lunte ist aus Baumwolle gefertigt, die in Schwarzpulver getaucht wurde. Dann ist die Bombe fertig.

Jeder Arbeitsablauf in einer Feuerwerksfabrik ist gefährlich – Unfälle gibt es trotz hoher Sicherheitsstandards bei der Produktion immer wieder. Jedes Labor ist deshalb in einem eigenen Haus untergebracht, zwischen denen sich künstliche Hügel erheben. Jedes Gebäude ist mehrfach gegen Blitzeinschlag gesichert. Alle elektrischen Kabel wurden außen verlegt.

Allenthalben finden Feuerwerksfeste und Weltmeisterschaften der Feuerwerker statt, gigantische prächtige Shows. Geheimtipp sind die Herrenhäuser Gärten in Hannover. In diesem Jahr wird dort der 33. Internationale Feuerwerkswettbewerb ausgetragen. Er beginnt am 17. Mai mit einem Team aus den USA, im Juni aus den Niederlanden, im August aus Kanada, im September aus Italien und endet schließlich am 20. September mit einem englischen Team. Daneben gibt es landestypische Gastronomieangebote. Gigantische Feuerwerksspektakel lässt man übrigens gern in den Emiraten am Golf abbrennen.

Die Natur liefert die Vorbilder für das Potpourri der feurigen Blumen, künstlichen Wasserfälle, Vulkaneruptionen, Mosaike und römischen Feuerspiele. Aus dem Feuerwerk, dem pyrotechnischen Spektakel, ist eine Kunst geworden, die auf chemische Verbindungen, Explosionen und Verbrennungstemperaturen basiert. Jedes Feuerwerk braucht eine ausgeklügelte Dramaturgie und Choreographie, an der Pyrotechniker schon Monate vor dem Spektakel arbeiten. Solche Spektakel ziehen hunderttausende von Besuchern an. Jeder Pyrotechniker versteht sich als Künstler mit einer großen Bühne. Für ihn geht es um neue Farben und Motive.

Etwa ein bis drei Stunden nach Ende des Feuerwerks sind die Feinstaub-Werte gesunken

Während weltweit lustvoll eindrucksvolle Spektakel an den Himmel gezaubert werden, tönt in Deutschland unisono: verbieten, verbieten, verbieten. Vor allem die private Jahresendböllerei ist schon seit Jahren im Visier. Das Muster ist immer dasselbe: Tibetanischen Gebetsmühlen gleich schwappen vor Silvester NGO-Phrasen übers Land. Die Feuerwerke an Silvester vergiften, die Feinstaubbelastung sei zu hoch, Tausende von vorzeitigen Toten drohten durch den »Gold Blauer Himmel«, oder durch das »Wolfdog 130-Schuss-Verbundfeuerwerk« oder durch den »Beast of Burden / Powerbox 1 Next Generation« oder gar durch die alten Wunderkerzen.

Doch der Blick in die Statistiken des Umweltbundesamtes zeigt: Der Feinstaubanteil steigt zwar zum Jahreswechsel wie zu erwarten durch explodierende Knallkörper ein wenig an. Doch ähnlich schnell verteilen sich die Partikel wieder. Etwa ein bis drei Stunden nach Ende des Feuerwerks sind die Werte wieder drastisch nach unten gegangen. Von „hochbelasteten Innenstädten“ kann angesichts der Daten keine Rede sein. Gut, in Orten der Verwahrlosung wie in Berlin-Kreuzberg oder Neukölln sieht das möglicherweise anders aus, wenn Auto- und Mülltonnenbrände dazukommen.

Der Feinstaub konzentriert sich auf die Orte, an denen Feuerwerke abgebrannt werden; die Werte sinken außerhalb schnell ab, auf dem Land zeigen die Daten kaum Feinstauberhöhungen aus Silvesterknallern. Trotz Feuerwerk werden die Tagesgrenzwerte an den meisten Orten in Deutschland nicht überschritten. Die Rückstände von Feuerwerkskörpern sind vollkommen anders zusammengesetzt als die von Verbrennungsprozessen. Hier sind es Rußteilchen mit Kondensaten, dort bei Feuerwerkskörpern bleiben lösliche Salze übrig. Salzstaub ist harmlos, es handelt sich um wasserlösliches Kaliumsulfat und Kaliumcarbonat. Es werden keine schwermetallhaltigen Salze bei der Zusammenstellung der Feuerwerkskörper verwendet. Die müssen in ihrer Zusammensetzung übrigens zugelassen werden.

Nicht schädlich dagegen ist wasserlöslicher Salzstaub, wie er bei einem Feuerwerk entsteht. Sonst müsste der Aufenthalt in salzhaltiger Luft am Meer oder das Streuen von Salz im Winter verboten werden.

Als Verbrennungsprodukt des Schwarzpulvers sind im Rauch Kaliumsulfat, das auch als Dünger dient, und Kaliumcarbonat enthalten, also Pottasche, wie sie als wichtiger Bestandteil in Pflanzenasche vorkommt. Die Umhüllungen bestehen übrigens meist aus Recycling-Pappe und Papier, von denen Papierfetzen übrig bleiben. Feuerwerksbatterien, die beim Silvesterfeuerwerk beliebter werden, lassen sich im Altpapier entsorgen.

Alle Feuerwerkskörper, die hierzulande verkauft werden, sind von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung untersucht worden. Dazu gehören eine Stunde mechanisches Rütteln auf einem Rütteltisch, 48 Stunden warmlagern bei 75 Grad und Auseinandernehmen zum Prüfen, ob die zulässigen Massen eingehalten wurden, sowie schließlich das Anzünden auf einem Sprengplatz.

Dem Philosophen und Soziologen Theodor Ludwig Wiesengrund Adorno wird der Satz über die himmlischen Shows zugeschrieben: »Die Feuerwerke sind die perfekteste Kunstform. In dem Moment, wo sie am schönsten ist, entzieht sie sich dem Blick der Zuschauer.«

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Kommentare ( 4 )

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BK
2 Tage her

So schlimm die Diktatur in der Ostzone auch war, aber den stinkenden Trabbi, das Feuerwerk, Rauchen in Gaststätten und Schweinefleisch auf dem Grill, wollte nicht mal die SED verbieten. Hier im freien Westen ist das anders. Da steht selbst das Frühstücksei bei der DLG auf der Verbotsliste, die als Empfehlung daher kommt. 1 Ei pro Woche ist erlaubt. Strategisch ist das auch richtig, denn wenn man dem Menschen alles nimmt, dann kann er nichts falsch machen. Vor uns liegt die neue Zeit und mit jedem Neujahrstag wird es schlimmer. Sollte Genosse Erich recht behalten? »Rückwärts immer, dafür schlimmer!«

Andreas aus E.
2 Tage her

Nicht ganz vergessen sollten die mechanischen Handschnarren werden. Also diese Dinger, mit denen Krach gemacht werden kann.
Um böse Geister zu vertreiben brauchten die seinerzeit nix aus China 🙂

verblichene Rose
2 Tage her
Antworten an  Andreas aus E.

„Seinerzeit“ brauchten die Menschen auch noch keine Ladesäulen für E-Fahrzeuge, ganz davon zu schweigen, dass damals nicht jeder eine eigene Kutsche samt Pferd sein Eigentum nennen konnte.
Es geht in dieser Zeitreise des Herrn Douglas daher vielleicht auch darum, dass das gemeine Fußvolk heute selber ein Feuerwerk veranstaltet!

Deutscher
2 Tage her
Antworten an  Andreas aus E.

Die erwähnten Ratschen, Peitschenknallen, wüstes Geschell, Gebrüll und furchterregende Maskierungen. Bis heute faszinierend, anziehend und beeindruckend für unsere im tiefsten Inneren heidnisch gebliebenen Seelen…😊