Cum-Ex-Strippenzieher Olearius als tickende Zeitbombe für den Kanzler?

In der Anklageschrift gegen den ehemaligen Co-Chef der Hamburger Warburg-Bank Christian Olearius taucht 27-mal der Name „Olaf Scholz“ auf. Dort wird „dem Vernehmen nach“ auch eine Spende über 13.000 Euro der Bank an die SPD aus dem Jahr 2017 erwähnt.

IMAGO / Panama Pictures
Christian Olearius als Angeklagter zwischen seinen Anwälten Peter Gauweiler (l) und Rudolf Hübner (r) bei seinem Prozess vor dem Bonner Landgericht, 18. September 2023

Am Montag, 18. September, begann vor der 13. Großen Strafkammer des Landgerichts Bonn der Prozess gegen den ehemaligen Co-Chef der Hamburger Warburg-Bank Christian Olearius (81) – im Verfahren 63 KLs 1/22 angeklagt von der Staatsanwaltschaft Köln wegen schwerer Steuerhinterziehung. Die Ankläger werfen Olearius in 14 Fällen zwischen 2006 und Ende 2019 Planung und Durchführung von Steuerhinterziehung vor. Den Schaden für den Staat beziffert die Anklagebehörde auf 280 Millionen Euro. Bis März 2024 hat die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf 28 Verhandlungstage angesetzt. Die Anklageschrift umfasst fast 400 Seiten.

Der Cum-Ex-Sumpf

Die Cum-Ex-„Steuer-Geschäfte“ sollen insgesamt einen Schaden von 10 bis 12 Milliarden Euro verursacht haben. Zuständig für die Anklagen ist die Staatsanwaltschaft Köln. Dort wurde eine Sonderabteilung unter Führung der Leitenden Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker eingerichtet; 34 Strafverfolger arbeiten sich nun durch Akten und konfisziertes Material. Aktuell ermitteln die Kölner Staatsanwälte in 120 Verfahren gegen 1700 Beschuldigte. Oft geht es um höhere Summen als bei der vergleichsweise kleinen Warburg-Bank. Bei der früheren Landesbank WestLB belief sich der Steuerschaden auf etwa 600 Millionen Euro. Einige Beschuldigte sind zwischenzeitlich zu mehrjähriger Haft verurteilt worden, auch Ex-Manager der Warburg-Bank.

Steueranwalt und Cum-Ex-Strippenzieher Hanno Berger (71) war am 30. Mai 2023 vom Landgericht Wiesbaden zu 8 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bergers Anwalt Jürgen Graf, vormals selbst BGH-Richter, legte beim Bundesgerichtshof (BGH) wie schon zuvor gegen ein Urteil des Landgerichts Bonn gegen Berger vom Dezember 2022 (8 Jahre Freiheitsstrafe) Revision ein. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte Berger vorgeworfen, von 2006 bis 2008 bei Aktiendeals unberechtigte Steuerrückerstattungen von 113 Millionen Euro angezettelt zu haben.

Causa „Warburg“

Ex-Warburg-Co-Chef Olearius lässt sich von vier renommierten und ergrauten Anwälten verteidigen, unter anderem von Bernd Schünemann (*1944; Strafrechtsprofessor); Klaus Landry (*1939; vormals Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg) und Peter Gauweiler (*1949, vormals CSU-Rebell). Im Prozess dürfte es auch um den heutigen Bundeskanzler Scholz, dessen mögliche Verwicklungen als von 2011 bis 2018 amtierender Erster Hamburger Bürgermeister und seine angeblichen „Erinnerungslücken“ in die Causa „Warburg“ gehen. Bis heute ist nicht ganz geklärt, ob der Kanzler und sein Hamburger Nachfolger Peter Tschentscher (SPD), damals Finanzsenator, damit zu tun hatten oder der zeitliche Ablauf Zufall war. Der Hamburger Fiskus korrigierte sich, die Bank habe die Millionen für beide Jahre längst überwiesen. Scholz bestreitet jede Einmischung. Er gibt an, sich nichts vom Inhalt der Gespräche mit Olearius gemerkt zu haben. Die Hamburger CDU bezichtigt ihn offen der Lüge (siehe hier, hier und hier).

Scholz’ Name taucht in der Bonner/Kölner, fast 400 Seiten umfassenden Anklageschrift übrigens 27-mal auf. Dort wird „dem Vernehmen nach“ auch eine Spende über 13.000 Euro der Bank an die SPD aus dem Jahr 2017 erwähnt.

Finanzexperte Fabio De Masi: „Scholz sitzt mit auf der Anklagebank“

Für Fabio De Masi, Finanzexperte und ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Linken, die er mittlerweile verlassen hat, hat der Prozess hohe Bedeutung „für den wehrhaften Rechtsstaat“. „Der Bundeskanzler sitzt mit Herrn Olearius symbolisch mit auf der Anklagebank“, sagte er unter Verweis darauf, dass der Name von Scholz 27-mal in der Anklageschrift auftaucht. Fabio De Masi will den Prozess im Gerichtssaal verfolgen. Er begleitet die Cum-Ex-Ermittlungen seit Jahren, bis 2021 als Vertreter der Linken im Finanzausschuss des Bundestages, nach Abschied von Parlament und Partei als Finanzdetektiv und Autor.

Die bereits erfolgten Verurteilungen zweier ehemaliger Warburg-Banker sind für ihn ein klares Vorzeichen für den Prozess. „Ich wage die Prognose, dass die Verteidigung von Herrn Olearius schwer haltbar sein wird. Ich würde ihm empfehlen, mit einem Geständnis reinen Tisch zu machen“, sagt De Masi. „Die Rechtsbeugung ist noch relevanter als die fiskalische Dimension“, sagt De Masi. Für ihn hat sich „Pinocchio-Kanzler“ Scholz mit seinen Aussagen über angebliche Erinnerungslücken und Kalendereinträge in unhaltbare Widersprüche verstrickt. Vor wenigen Wochen hat er ihn deshalb wegen uneidlicher Falschaussage angezeigt.

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Kommentare ( 29 )

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gladius
1 Jahr her

Ein Geständnis von Olearius wäre der Super Gau für Scholz. Hoffentlich macht er das, dann sind wir den endlich los…

Orlando M.
1 Jahr her

Den Schaden für den Staat beziffert die Anklagebehörde auf 280 Millionen Euro.“
Hier im Ort wurde der Besitzer eines griechischen Restaurants wegen 10.000€ Steuerhinterziehung für sechs Monate weggesperrt. Man darf gespannt sein, wie es jenen ergehen wird, die mit politischer Unterstützung hunderte Millionen hinterzogen haben. In einer Lage, wo der Sozialstaat bei weitem nicht mehr genügend Geld aus der arbeitenden Bevölkerung pressen und eine Erhöhung des Druckes jederzeit zur Explosion führen kann, lol. Ich helfe dem Weltsozialamt wo ich kann und gebe seit acht Wochen konsequent nur noch Geld für absolute Notwendigkeiten wie Lebensmittel, Kleidung und Benzin aus.

Maskenleugner
1 Jahr her

Der Senior Olearius wird verhandlungsunfähig werden, bevor Schünemann und Gauweiler den Vergesslichen an die Wand nageln können. Das steht jetzt schon fest. Der Prozess ist eine Verschwendung von Steuergeldern und Justizpersonal.

Nibelung
1 Jahr her

Wollen wir mit einem großen Gottvertrauen dem Prozeß entgegen sehen, denn auf hoher See und vor Gericht liegt man ja bekanntlich in Gottes Hand und hätte nur den einen Fehler wenn der Herrgott mittlerweile ein Linker wäre, was dann zu einem anderen Ergebnis führen könnte und nicht dem entspricht, was sich so mancher aufrichtige Gläubige wünscht und am Ende zusehen muß, wie er sich in der Allmacht des Herrn getäuscht hat, wenn dieser die gesamte Bande einfach laufen läßt.

Der-Michel
1 Jahr her

Da fehlt noch der Name Johannes Kahrs. Und da fehlt noch die Herkunftsnachweis für das Geld im Schließfach. Da sollte die Presse auch mal nachfassen.

bfwied
1 Jahr her

Es kommt immer anders als man denkt! Es wäre eine überraschende Wandlung, wenn die Koalition wegen eines angeklagten unhaltbaren Kanzlers zerbräche.

verblichene Rose
1 Jahr her

Würde mich nicht wundern, wenn Olarius demnächst ob seines Alters plötzlich und unerwartet verstirbt.
Dann kann sich Scholz weiterhin an nichts erinnern. Noch nichtmal, ob er Zucker in den Kaffe rührt.
Die Staatsanwälte haben natürlich alle schon einen „Blauen Brief“ aus irgendein Ministerium erhalten und werden weiterhin nur so weit gehen, bis sie vor der Haustür von Scholz stehen, um dann eine Kehrtwende zu machen.
Diesmal eine um 180°!

Juergen Semmler
1 Jahr her

Vielleicht kann ein Deal Olearius ein paar Jahre Gefängnis ersparen, indem er Olaf Scholz „ans Messer“ liefert.

Damit bräuchten dann die Gerichte das Scholz-Verfahren nicht weiter verfolgen und könnten es ad acta legen sowie den Olaf einlochen.

jetdegi
1 Jahr her

Wer in einem LINKS-Staat Rechtsprechung erwartet,
ist mehr als optimistisch unterwegs…

fatherted
1 Jahr her

Kommt leider nix bei raus. Ich bin zwischenzeitlich so tiefenfrustriert, dass es mich wundern würde wenn einer der Skandalkandidaten auch nur ins straucheln…schon gar nicht ins stürzen käme. v.d.Leyen, Scholz, Faeser, Habeck..all überall Skandal…und?…nix passiert. Die grinsen das alles einfach weg und weiter gehts. Im Gegenteil…die erwarten auch noch, dass man ihnen huldigt.