„Krise reißt Löcher in den Haushalt“ war die Überschrift eines Artikels im Darmstädter Echo vom 3. April 2020, der sich auf Aussagen des Darmstädter Stadtkämmerers Schellenberg bezog. „Löcher“ ist noch untertrieben. Dieter Schneider und Günter Zabel, Stadtverordnete in Darmstadt berichten.
Der Haushalt der Stadt Darmstadt wird wie der der meisten Kommunen in Deutschland die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Virus- Pandemie total zerfetzt. Das deuten schon Zahlen an, die der Stadtkämmerer in dem Beitrag des Darmstädter Echos nennt. Darmstadt soll an dieser Stelle als Beispiel dafür dienen, in welchen großen Nöten fast alle Gemeinden über Nacht erstmalig oder zusätzlich stecken. Einnahmen brechen weg, Ausgaben steigen durch den Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Virus Pandemie erheblich.
Gewerbesteuer
Der Deutsche Städtetag spricht ganz aktuell von mehr als 10 Prozent weniger Einnahmen der Kommunen aus der Gewerbesteuer. Das hört sich vom Darmstädter Stadtkämmerer ganz anders an.
Kaum ein Darmstädter Unternehmen wird 2020 gewerbesteuerpflichtige Gewinne erzielen. Bereits für das erste Quartal 2020 erfolgte Gewerbesteuervorauszahlungen werden dann spätestens 2021 von den Gemeinden an die Unternehmen zurückgezahlt werden müssen. Mit Stundung seitens der Kommune hat das nichts zu tun.
Einkommensteuer
Für 2020 sind in Darmstadt 103 Mio. Euro fest eingeplant. Der Stadtkämmerer befürchtet ein Minus von 10 Prozent, also 10 Mio. Euro. Das ist in der Tat bei einem Haushaltsvolumen von 738 Millionen nur ein kleines Loch. Das ist aber viel zu gering geschätzt.
Das Einkommenssteueraufkommen (einschließlich des Körperschaftssteuer-Aufkommens) in Deutschland kann sich um grob geschätzt 30 Prozent verringern, entsprechend anteilig auch die Zuweisung für Darmstadt. Also etwa 30 Millionen Euro anstatt 10 Millionen Euro Steuerausfälle 2020 in Darmstadt. Wenn der Stadtkämmerer von 50 bis 75 Prozent Steuerausfällen bei der Gewerbesteuer spricht, dann gilt das genau für die Körperschaftssteuer als Einkommenssteuer der Unternehmen.
Der Gründe für die erschreckend höhere Ausfallschätzung hier an dieser Stelle liegen in der Steuersystematik.
Die geht davon aus, dass die Einkommen (der Bürger) und Gewinne (der Unternehmen und Selbständigen) im Jahre 2020 genauso hoch sein werden wie in dem erfolgreichen Jahr 2019. In dieser Höhe sind dann Vorauszahlungen von den Finanzämtern festgelegt worden. Lediglich die endgültigen Steuerzahlungen, die über die 2019 geleisteten Vorauszahlungen hinausgehen, stehen im Jahre 2020 für die öffentlichen Haushalte zusätzlich zur Verfügung. Da wird aber 2020 wenig hereinkommen, weil die Steuerpflichtigen die Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2019 im Jahre 2020 solange wie möglich bis hin zum Jahresende hinausziehen, wenn sie mit Nachzahlungen für 2019 rechnen müssen.
Viel gravierender ist aber, dass die sofort im großen Stil von den Unternehmen und Selbständigen die Herabsetzung der Steuervorauszahlungen für das Jahr 2020 bei den Finanzämtern beantragt werden, wenn schon abzusehen ist, dass 2020 kein oder viel weniger Gewinn erzielt wird. Das Gleiche gilt für einkommenssteuerpflichtige Privatpersonen, wenn ihre Einkommen erheblich sinken. Auch die Lohnsteuer ist Einkommenssteuer. Wenn die Löhne sinken und durch steuerfreies Kurzarbeitergeld die Nettolohnzahlungen von der Arbeitsagentur übernommen werden, bekommen die öffentlichen Hände sofort weniger Lohnsteuern von den Arbeitergebern überwiesen, und gleichzeitig gibt es weniger Einkommenssteuer-Vorauszahlungen von dem Steuerpflichtigen, wenn die Lohneinkünfte nur ein Teil der Einkünfte sind. Fazit: Berechtigt unterlassene Steuervorauszahlungen sind keine Steuerstundungen.
Gebühren
Die Ausfälle an Gebühren für städtische Leistungen schätzt der Darmstädter Stadtkämmerer nicht als Summe, sondern deutet auch da einen erheblichen Rückgang an. So sollen nach seinen Aussagen gegenüber dem Darmstädter Echo ab April keine Gebühren für die städtischen Kitas mehr erhoben werden, was 200.000 Euro im Monat ausmachen würde ( = 1,8 Mio. Euro bis Ende 2020). Die gleichgerichtete Entlastung freier Träger von Kitas und Hortbetreuung bedeuten 800.000 Euro weniger im Monat ( = 7,2 Mio. Euro pro Jahr) für die Stadtkasse. Zusammen wären das 9 Mio. Euro für das restliche Haushaltsjahr 2020. Im Gegensatz zu Steuereinnahmen-Schätzungen, an denen sich kaum noch etwas ändern wird, hängen die hier angestellten Schätzungen des Gebührenaufkommens davon ab, wann die im Laufe des Jahres wieder erhoben werden
Zuweisungen, Leistungsentgelte, Transferleistungen
Mögliche weitere große Einnahmeausfälle bei dem bisherigen Haushaltsansatz für die genannten Positionen in Höhe von rund 300 Mio. Euro nennt der Stadtkämmerer im Gespräch mit dem Darmstädter Echo zu Recht noch nicht.
Nur nach Informationen der „Lieferanten“ solcher Einnahmen und einer folgenden sorgfältigen und detaillierte Datenanalyse durch Exekutive (Magistrat der Stadt Darmstadt) und Legislative (Haupt- und Finanzausschuss der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung) im Lichte der aktuellen Entwicklungen ist eine glaubwürdige Neuplanung möglich. Gerade solche Einnahmen können nun mal nicht konkret festgelegt, sondern nur glaubwürdig im Zeichen der wirtschaftlichen Krise, ausgelöst durch die Bekämpfung der Corona-Virus-Pandemie, geschätzt werden.
Stadtwirtschaft
Darunter wird hier die wirtschaftliche Betätigung der Stadt verstanden. Darmstadt hat eine sehr umfangreiche kommunale Stadtwirtschaft, die in der Vergangenheit positiv in der Summe den Haushalt der Stadt beeinflusst hat. Sowohl die Rentabilität als auch die Liquidität der Darmstädter Stadtwirtschaft wird in der Summe sinken, was die Darmstädter Haushaltsführung auch negativ beeinträchtigen wird. Leere Straßenbahnen der städtischen Verkehrsbetriebe oder Mietausfälle bei den städtischen Baugesellschaften sollen an dieser Stelle nur als Stichwörter genannt sein. Vor allem als Liquiditätspuffer – in der Vergangenheit bei „Engpässen“ in der Darmstädter Stadtkasse geschickt genutzt – wird die Stadtwirtschaft weitgehend ausfallen, möglicherweise müssen einige städtische Unternehmen sogar Liquiditätshilfen benötigen, um Insolvenzen zu vermeiden.
Ausgaben
Weil auch da eine Analyse der Daten im Lichte der aktuellen und absehbaren Entwicklungen notwendig ist, um die Ausgabenentwicklung abzuschätzen, kann nur allgemein gesagt werden, dass die Gesamtausgaben gegenüber den Planansätzen steigen werden. Da ist die vom Kämmerer erwähnte Haushaltssperre „von 10 Prozent bei den Zuweisungen“ nur wenig Ersparnisse bringende Ausgabenbremse, denn die meisten Zuweisungen und Zuwendungen sind gesetzlich oder vertraglich festgelegt und damit nicht kurzfristig zu kürzen. Außerdem sind bei den freiwilligen Zuwendungen viele Ausgaben politisch begründet, und an vielen von ihnen wird im Anbetracht der Kommunalwahl in Darmstadt im Frühjahr 2021 kaum gerührt werden. Bei kommunalen Ausgaben ist ein neuer Planungsansatz notwendig, bei dem alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Die entscheidende Frage auch für Städte und Gemeinden ist dann: Welche Ausgaben sind systemrelevant oder nicht systemrelevant?
Ausblick
Die Entscheidung der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung, den Haupt- und Finanzausschuss als Haushaltsausschuss parallel zu seiner umfangreichen Arbeit auch noch als Ersatzparlament einzusetzen, ist im Grunde unverantwortlich. Nur zwei oppositionelle Fraktionen haben das abgelehnt und stattdessen hat eine Fraktion als „Notparlament“ ein Gremium der Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen, das ähnlich, wie es im Bundesrat geregelt ist, die jeweiligen Stimmzahlen der einzelnen Fraktionen bündelt. Das wurde ohne jede Begründung von den „Regierungsparteien“ abgelehnt. Dabei wurde es während der gesamten Legislaturperiode nicht anders gehandhabt, weil allen Magistratsvorlagen von den Koalitionsparteien geschlossen zugestimmt wurde, während Anträge von Oppositionsparteien mit wenigen unbedeutenden Ausnahmen von der Koalitionsmehrheit geschlossen abgelehnt wurden.
Trotz der drängenden Probleme und daraufhin notwendigen kurzfristigen Entscheidungen hat das Darmstädter Notparlament, der Haupt- und Finanzausschuss, jetzt vier Wochen Pause.
Das eigentliche Darmstädter Stadtparlament als parlamentarisches Spiegelbild des Magistrats könnte dagegen wahrscheinlich erst wieder am 1. September 2020 tagen. Es bleibt zu hoffen, dass schon bald wieder die Stadtverordnetenversammlung tagen kann und sich dadurch der Haupt- und Finanzausschuss (Haushaltsausschuss) auf seine extrem umfangreiche und schwierigen Aufgabe konzentrieren kann, dem Magistrat der Stadt Darmstadt dabei zu helfen, eine drohende Insolvenz zu verhindern.
Dieter Schneider und Günter Zabel
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
1. Sanierungsmaßnahme: sämtliche Beauftragtinnen-Stellen streichen und Stellen-Inhaberinnen zum Spargelstechen und Erdbeerpflücken abkommandieren.
Die“ sicheren Häfen“ für illegale Migranten sind bald pleite und nicht mehr sicher.
…aber der status der städte als willkommenspartner für die ankommenden außereuropäischen ausländer und als co2 freie zone bleibt wohl erhalten?!
Deutschland im freien Fall. So wie in Darmstadt geht es allen Kommunen.
Das große Loch haben bereits die Milliarden-Ausgaben für illegale Migranten gerissen, von denen die Städte ja gar nicht genug bekommen konnten. Viele (z.B. das dank Länderfinanzausgleich so „reiche“ Berlin) fordern jetzt sogar noch einen Nachschlag. In diesem Bereich werden sie garantiert nicht sparen. Ebensowenig werden sie z.B. die überhöhten Gehälter der Spitzenbeamten (z.B. des OB) kürzen. Sie werden einfach die kommunalen Abgaben erhöhen, insbes. die Grundsteuern (die bei Mietobjekten dann auf die Mieter umgewälzt werden). Ich sehe schwarz für Deutschland, das ja zusätzlich auch noch die klammen südeuropäischen Staaten (Italien, Spanien, Frankreich) durch sog. Corona-Bonds unterstützen soll. Die Quadratur des… Mehr
Achso, bei den Bananenpflückern, Raketenwissenschaftlern und sontswie benachteiligten auch nicht.
Da weiß ich doch wie sich die Grundsteuer entwickeln wird. Da kann man noch was holen.
Die Projekte gegen räächts oder bei den Gleichstellungsbeauftragten oder bei feministischen bzw.gender Arbeitsscheuen darf man auf keinen Fall sparen.
Das Dümmste ist, dass sich die Stadtverwaltungen jetzt auf das Thema Corona versteifen. Dabei heißen die eigentlichen Probleme: struktureller Industrieabbau- und abwanderung, Bildungs- und Innovationsrückgang, fehlende Leistungsfähigkeit der Einwohner in den kommenden schweren Jahren, „Banlieuisierung“
Ich rechne auch damit, dass Städte in Zukunft stärker in einen Wettbewerb um Firmen und Leistungsträger eintreten müssen. Eine Kapitalflucht aus Deutschland heraus dürfte auch viele Gemeinden treffen.
Jetzt gilt es. Wenn die politische Klasse glaubwürdig sein will, muß sie auch bei der Illegalenversorgung (40-60 Mrd. € pro Jahr !!) sparen und zwar drastisch oder die Schulden massiv ausweiten, was aber die Bonität unseres Landes sehr gefährden würde. Mit billigen Ausreden kommt sie dann beim Bürger nicht mehr durch. Andernfalls riskiert sie schwere soziale Unruhen und Verwerfungen und damit die Stabilität unseres Landes. Die Frage ist, ob sie sich das zutraut, die Neubürger aus der dritten Welt haben schon oft gezeigt, wie sie reagieren, wenn ihnen etwas nicht schmeckt. Die Zeit sprudelnder Steuereinnahmen dürfte erst einmal vorbei sein.… Mehr
Ich habe auch einen guten Einblick in eine größere Stadt und dort wird eine Haushaltsperre verhängt und die Ämter müssen bereits jetzt 30% aller Projekte streichen. Dies betrifft z.B. das Bauamt, welches die maroden Straßen sanieren will. Mit den Gewerkschaften wird über Kurzarbeit für städtische Mitarbeiter (Kiga, Kita, VHS, Museen, Bäder etc.) verhandelt. Viele wissen noch nicht, wie schlecht es bald um die Finanzen stehen wird. Man konnte schon bisher nicht die Infrastruktur erhalten und hat Raubbau betrieben, jetzt wird es noch schlimmer, aber die Prioritäten Klimanotstand und sicherer Hafen sind schon gesetzt und für Südeuropa sollen wir auch noch… Mehr