CDU-nahe Denkfabrik fordert Öffnung nach rechts

Die Unionspartei dürfe nicht auf den pauschalen Begriff „Brandmauer“ hereinfallen, empfiehlt die Organisation R21. Unter dem neuen Partei-General Carsten Linnemann hat diese Idee möglicherweise Chancen.

IMAGO / Mauersberger
Martin Wiesmann, Kristina Schröder, Andreas Rödder und Susanne Schröter bei der Vorstellung der neuen Denkfabrik R21 am 4. November 2021 in Berlin

Anfang Juli veranstaltete die Denkfabrik R21 in Berlin eine Podiumsdiskussion zu der Frage, worin aus bürgerlicher Sicht legitime rechte Positionen bestehen. Jetzt veröffentlichte der CDU-nahe, aber nicht von ihr finanzierte Verein R21 unter dem Titel „Strategie statt Empörungspolitik: Die demokratische Rechte zurückgewinnen“ ein Manifest, das die Ergebnisse der Debatte zusammenfasst.

TE dokumentiert im Folgenden den Wortlaut. Zeitpunkt und Hintergrund der Veröffentlichung sind interessant. Zum einen deshalb, weil der gerade von CDU-Parteichef Friedrich Merz geschasste Generalsekretär Mario Czaja zunächst seine Teilnahme an dieser Podiumsdiskussion zu- und dann wieder abgesagt hatte.

Auf der anderen Seite gab es nur einen Spitzenpolitiker der CDU, der in der Vergangenheit eine Veranstaltung von R21 besucht hatte: der gerade ernannte neue Parteigeneral Carsten Linnemann. Er und der Gründer von R21, der Mainzer Historiker Andreas Rödder, unterhalten offenbar einen guten Kontakt. Rödder leitete bis vor kurzem die Programmkommission der Partei; diesen Vorsitz übernahm nach ihm Linnemann. Die Ideen der Denkfabrik könnten unter der Ägide des Neuen an der Seite von Merz möglicherweise in die praktische Parteiarbeit einfließen.

Auch deshalb, weil der Druck auf die Union deutlich steigt, der wachsenden AfD inhaltlich etwas anderes entgegenzusetzen als die ständige Beschwörung einer „Brandmauer nach rechts“, deren Gegenstück auf linker Seite bekanntlich nicht existiert. In der Wahl-Umfrage des Instituts Ipsos vom 12. Juli 2023 erreicht die AfD erstmals 22 Prozent. Werden CDU und CSU getrennt betrachtet, bedeutet das: Die AfD steht auch bundesweit mittlerweile auf Platz eins.

Der Wortlaut der Erklärung von R21:

Strategie statt Empörungspolitik: Die demokratische Rechte zurückgewinnen
AfD ante portas! Kommunale Wahlerfolge und steigende Umfragewerte erhöhen die Nervosität im politischen Berlin: „Die ‚Brandmauer‘ muss stehen!“ Nur: Wo steht sie eigentlich genau? Wen schließt sie ein – und wen schließt sie aus? Das sind zentrale Fragen der demokratischen Öffentlichkeit, die im Zuge einer allgemeinen „Empörungspolitik“ allerdings kaum diskutiert werden. Stattdessen wird kräftig moralisiert, diskreditiert und etikettiert. Dabei wird das Etikett „rechts“ umstandslos mit „konservativ“, „rechtspopulistisch“, „rechtsradikal“ oder „rechtsextrem“ gleichgesetzt und geht fließend in das Verdikt „Nazi“ über.

Dabei sind es immer wieder dieselben Themen, die öffentlich skandalisiert werden:

  • Migration und Integration, ethnische Herkunft und Islam;
  • Klima und Energie
  • Geschlecht und Sexualität –

nicht durch Zufall die Kernthemen einer grünen Agenda, die seit den achtziger Jahren die „kulturelle Hegemonie“ (Antonio Gramsci) gewonnen hat, die den öffentlichen Konsens bestimmt.

Diese „grüne Deutungshoheit“ schließt alles aus, was sie selbst als „rechts“ etikettiert. Je enger die Grenzen, desto deutlicher und lauter fällt freilich die Reaktion in Form einer rechtspopulistischen Gegenbewegung aus. Sie hat in verschiedenen Gesellschaften unterschiedliche Formen angenommen, zeigt aber überall die gleiche Auswirkung: Eine zunehmende Polarisierung innerhalb der westlichen Gesellschaften.

Für den Umgang mit Rechtspopulisten gibt es grundsätzlich drei Optionen:

  1. Die harte Ausgrenzung, die allerdings zu Verhärtungen und Radikalisierungen der Ausgeschlossenen führt, wie man an der Entwicklung der AfD belegen kann.
  2. Tendenzen der Anpassung, vor allem auf Seiten von Mitte-Rechts-Parteien, die allerdings schnell in Selbstradikalisierung enden.
  3. Eine Politik, die jene Themen aufgreift, die Rechtspopulisten und ihre Anhänger umtreiben, die eigenständige Antworten formuliert und die darüber hinaus selbstbewusst und offensiv eine eigene Agenda setzt.

Dass die Optionen zwei und drei in der deutschen Debatte kaum unterschieden, sondern zumeist pauschal in eins gesetzt werden, ist Teil einer undifferenzierten Empörungskultur, die mit hysterischen Begriffen wie der „Brandmauer“ operiert und dadurch Möglichkeiten für einen konstruktiven Umgang verstellt.

Dabei liegt gerade in dieser Option der Schlüssel für einen souveränen und strategischen Umgang mit der rechtspopulistischen Herausforderung. Denn es geht darum, eine für die Zukunft der liberalen Demokratie bedrohliche Repräsentationslücke zu schließen: Die Positionen einer demokratischen rechten Mitte werden im politischen Diskurs der Gegenwart weitgehend übergangen oder diskreditiert und in der Folge ausgegrenzt. Somit besteht die Gefahr, dass zumindest Teile der demokratischen rechten Mitte die Rechtspopulisten als ihr Sprachrohr ansehen, weil ihre Themen und Anliegen sonst nicht ernst genommen werden.

Es ist Aufgabe einer bürgerlichen Politik, diese Repräsentationslücke zu schließen. Konkret bedeutet dies:

  1. Debatten suchen und heikle Themen ansprechen statt zu moralisieren, zu stigmatisieren und auszugrenzen. Heißt: Die AfD und ihre Repräsentanten inhaltlich stellen, statt sich in symbolische Verweigerungshaltungen hinter der „Brandmauer“ zu flüchten. Und: Themen aufgreifen, die AfD-Anhänger bewegen, eigene Antworten geben und offensiv vertreten.
  2. Debattenräume zu erweitern, erfordert zugleich, Grenzen zu kennen. Die Grenzen des Sagbaren zieht Art. 1 GG, also die Menschenwürde bzw. das Verbot der Herabwürdigung anderer Menschen, die Grenzen des Vertretbaren setzt die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Illegitim sind
    ♦ Missachtung und Delegitimierung der demokratisch-rechtsstaatlichen Institutionen,
    ♦ ein Geschichtsrevisionismus, dem es nicht um Argumente, sondern um vorsätzlichen Tabubruch und Grenzüberschreitung geht,
    ♦ ein Antipluralismus, der z.B. die Möglichkeit ablehnt, dass Zuwanderer deutsche Staatsbürger werden können,
    ♦ und ein Autoritarismus, der etwa Wladimir Putin als Hüter von traditionellen oder christlichen Werten feiert.
  3. Der Staat ist Garant für Humanität und Ordnung – und muss seine Funktionen erfüllen. Vollzugsdefizite zum Beispiel gegenüber Clanstrukturen und Anmaßungen von Gewalt oder Nötigung jedweder Couleur untergraben das Vertrauen in den Rechtsstaat.
  4. Die Querfront gegen die AfD verstärkt die Polarisierung der Gesellschaft – Wagenburg schließt sich gegen Wagenburg und verstärkt die Trotzhaltung von AfD-Wählern, die sich sagen: Jetzt erst recht. Gerade in den östlichen Bundesländern reagieren die Menschen besonders sensibel, wenn Politiker versuchen, sie zu bevormunden. Zustimmung in der Demokratie basiert nicht auf Anweisung, sondern auf Überzeugung.
  5. Die Demokratie braucht deshalb eine eigenständige bürgerliche Politik, und die braucht ein überzeugendes Zukunftsbild und positives Narrativ. Dies wiederum setzt voraus:
    ♦ Klarheit in der Sache statt taktischer Furcht vor dem Shitstorm;
    ♦ einen langen Atem, der im Blick hat, dass die grüne Hegemonie Jahrzehnte gebraucht hat, aber dadurch durchschlagend wirksam geworden ist;
    ♦ Mut zu einer strategisch angelegten und inhaltlich fundierten Politik statt vermeintlich pragmatischer Reaktionen im Kurzfristmodus oder „asymmetrischer Demobilisierung“, die aus taktischen Gründen Konflikte und Debatten vermeidet, letztlich aber intellektuell kapituliert und langfristig zu Verdrossenheit und Frustration geführt hat.“

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Kommentare ( 91 )

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Protestwaehler
1 Jahr her

Aktuelles ZDF Politbarometer… 50% aller CDU/CSU Wähler befürworten eine Zusammenarbeit mit der SED im Osten hahaha…. da möchte beim ZDF wohl jemand nachhelfen 😉

Aegnor
1 Jahr her

Kann dem Artikel nicht ganz folgen. Es ist immer nur die Rede von „die AfD stellen“ und „die Repräsentationslücke schließen“, so als hätte die AfD keine Existenzberechtigung. Die AfD entstand und entwickelte sich, weil die bisherigen Parteien von einem großen Teil der Bevölkerung erwünschte politische Positionen, die teilweise sogar einfach nur dem gesunden Menschenverstand entsprangen, aufgaben und sich bis heute weigern dahin zurückzukehren. Dafür wurde sie gewählt – und wenn das Establishment nicht zu antidemokratischen, extrem scmutzigen Tricks greifen würde (vom Missbrauch des Verfassungsschutzes bis hin zur Finanzierung von SA-/Rotfrontkämpferbund-artigen Schlägertrupps) wäre die Zustimmung noch deutlich höher, denn die meisten… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Aegnor
Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

„Debatten suchen und heikle Themen ansprechen statt zu moralisieren, zu stigmatisieren und auszugrenzen. Heißt: Die AfD und ihre Repräsentanten inhaltlich stellen, statt sich in symbolische Verweigerungshaltungen hinter der „Brandmauer“ zu flüchten“ Gähn. Hab ich vor Jahren schon gehört. Inhaltlich stellen, das bedeutet in der Praxis „Nazi“ brüllen und ausgrenzen. Quod erat demonstrandum. Inhaltlich stellen, ja nee, is klar. „Illegitim sind ♦ Missachtung und Delegitimierung der demokratisch-rechtsstaatlichen Institutionen,“ Also das ganze „Scheiß-System“ stürzen wollen (weil Deutschland ja sowieso gefälligst verrecken soll), ist kein Problem, das zeugt von demokratischer Gesinnung. Sagt der Verfassungsschutz Chef. Den Verfassungsschutz kritisieren ist aber ganz böse? Am… Mehr

chaosgegner
1 Jahr her

„Zustimmung in der Demokratie basiert nicht auf Anweisung, sondern auf Überzeugung.“
Das ist der erkenntnistheoretische Kernsatz des Artikels!
Wo versucht denn diese totalitäre Regierung noch, die Bürger mit Argumenten zu überzeugen? Überhaupt nicht! Nur Drohung, Zwang und Einschüchterung.
Und die zwanghafte verbale Absonderung „Wir müssen die Menschen besser mitnehmen“ hat schon psychotischen Charakter.
Mit den Menschen, die in dieser Regierung sitzen, ist eine positive Wende in deren Politik nicht möglich. Diese von Hybris zerfressenen Charaktere sind völlig unfähig und auch nicht willens, etwas zu ändern.
Nein, sie machen doch alles richtig und zum Besten des Volkes.

rainer erich
1 Jahr her

Mit faellt gerade eine Szene aus dem Film “ der Geist und die Dunkelheit“ ein, in der sich die Jagdgesellschaft qua Ritual ihres Mutes versichert, wie es Mr. Douglas sehr offen zugab. Auch wenn sich die Art der Rituale von den Massaii bis heute geaendert haben, ein bisschen Rufen im finsteren Wald tut immer gut. Die Beteuerung, man habe nichts mit den „Rechtspopuliszen“ gemein, ist ja nichts anderes als eine natuerlich vergebliche und eher lächerliche Beschwichtigungsgeste dem Feind, zuerst in der Partei, dann ausserhalb, gegenueber. Mal sehen, wann der oder die erste umkippt. Schon deshalb, weil bereits der Hoffnungsdruck, den… Mehr

ketzerlehrling
1 Jahr her

Denkfabrik? So so. Wo war diese Denkfabrik in den vergangenen Jahren? Entweder nicht existent, oder es hat mit dem Denken nicht so wirklich funktioniert. Anmaßung, Gönnerhaftigkeit und Impertinent, zeichnen deutsche Politfiguren der Altparteien aus, fast ohne Ausnahme, kommen eben auf Dauer nicht gut an. Auch diese Denkfabrik, drollig, kommt ohne nicht aus. Vielleicht ist es einfach nur so, dass immer mehr Menschen vom dem hohlen Geschwafel, von den Dilettanten, von der Abzocke, von dem ewigen Morden und den bunten primitiven Horden, von der Dreistheit der EU-Mitglieder, der EU selbst, der Preisentwicklung, der Deindustrialisierung und der kompletten Verblödung genug haben und… Mehr

RobertF
1 Jahr her
Antworten an  ketzerlehrling

Wo war die Denkfabrik R21 in den vergangenen Jahren?
Nicht existent. Sie wurde erst Ende 2021 gegründet.

Last edited 1 Jahr her by RobertF
Eric25
1 Jahr her

Einfach 2015 rückgängig machen: Merkel zu Assad schicken, der nimmt dann 3-4 Millionen Hochqualifizierte zurück, schon ist die CDU bei 35 bis 40%.

Der neue Parteichef sollte nicht so mutlos sein – wenn Merkel nicht will oder grad nicht kann, weil sie wieder irgendeinen Orden bekommt, muss der neue Chef das eben selber aushandeln.
Sie haben sich hier nicht bewährt, jetzt ist zurückschicken angesagt. Auch beim Zurückschicken muss der Merkelspruch gelten: „Wir haben schon so viel geschafft. Wir schaffen auch das.“

Nicht Denkfabrik-Labern, die Sache endlich wieder in Ordnung bringen. Sonst AfD.

Peter Klaus
1 Jahr her

Statt “Die AfD inhaltlich stellen” gibt es nur seit Gründung der AfD ein „weiter so nach links“. Beim ersten TV-Auftritt von Prof. Lucke im ÖRR wurde dieser seinerzeit von anderen Gästen offen als „Nazi“ betitelt – so dieses „inhaltliche Stelle“ seit 10 Jahren aus. Merke(l)n die das bei der Union nicht mal selber?

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat: „Themen aufgreifen, die AfD-Anhänger bewegen, eigene Antworten geben und offensiv vertreten.“ > Na, wer gestern bei ntv oder WELT den grünelnden und woken „Friederick“ (CDU) zum Thema „Gewalt in den Schwimmbädern“ reden hören und dabei mitbekommen hat wie er sich bei den Worten „Täter sind nicht nur, aber auch Leute mit Migrationhintergrund“ verrenkt und einen abgebrochen hat, der muß und kann mit Blick auf obiges Zitat, „Themen aufgreifen, die AfD-Anhänger bewegen, eigene Antworten geben und offensiv vertreten“, erkennen, dass es mit der grünelden und wokelnden Merkel-Merz-CDU nix werden, werden kann. Die vergrünte und woke CDU ist solch ein #gruenerMist… Mehr

DELO
1 Jahr her

Zunächst muß erst einmal das linke Gequatsche vom „Rechtspopulismus“ entsorgt werden. Es ist alles andere als Populismus, wenn die Sorgen und Nöte des einfachen Bürgers auf die Agenda gesetzt werden. Als nächstes sollten „Brandmauern“ verschwinden. Gegen die im Parlament sitzenden Vertreter der DDR-Mauermörder wurden keine „Brandmauern“ errichtet – ein echter deutscher Skandal. Eine konservative, als „rechts“ bezeichnete Meinung gehört genauso zum Politikspektrum einer Demokratie wie der Liberalismus oder die Linken Zerstörungsphantasien jedweder Gesellschaftsordnung. Wenn sich eine dem Kommunismus entwendete „Einheitsfront“ aus CDU, SPD, FDP und Grünen gegen eine ungeliebte Politikergruppe bilden kann, dann ist die Demokratie mausetot und Totalitarismus rollt… Mehr