Die Bundeswehr ist nach wie vor nur bedingt einsatzbereit. Exakt 44 Wochen nach der „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz lädt das Kanzleramt am heutigen Montag Vertreter der Rüstungsindustrie und mehrerer Ministerien zu Gesprächen über die Rahmenbedingungen für die Munitionsproduktion ein. Immerhin.
Man ist schier überrascht von dieser „Dynamik“: Am 27. Februar 2022, drei Tage nach Putins kriegerischem Einfall in die Ukraine, hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) seine allseits hochgejubelte „Zeitenwende“-Rede gehalten. Er wollte die Bundeswehr zu der „am besten ausgestatteten Streitkraft in Europa“ machen. „Mindestens zwei Prozent“ des Bruttoinlandsprodukts (derzeit sind es 1,5 Prozent) sollten für die Verteidigung bereitstehen. Ein mit 100 Milliarden dotiertes „Sondervermögen“ (vulgo: Sonderschulden) sollte dabei helfen. Am 15./16. September sagte Scholz unter Hinweis auf diese nach wie vor ziemlich vagen Pläne auf einer Führungskräftetagung in Berlin: „Das ist mein Anspruch als Bundeskanzler. Daran können Sie mich messen.“
Das aber ist die wahre „Dynamik“: Die Bundeswehr steht heute immer noch nicht besser da als vor dem 27. Februar 2022. Mehr noch: Der reguläre Etat der Bundeswehr wird von 50,4 Milliarden im Jahr 2022 gar um 300 Millionen auf 50,1 Milliarden im Jahr 2023 gekürzt. Aus dem 100-Milliarden-Paket sollen rund 8 Milliarden zusätzlich einfließen.
Und weiter: „Das Heer, so wie es heute dasteht, verfügt noch über vier Artilleriebataillone, etwa 100 Panzerhaubitzen und knapp 40 Raketenwerfer Mars. Von denen ist tagesaktuell immer nur ein Teil einsatzbereit.“ Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) mögen diese klaren Aussagen gar nicht gefallen haben, denn vor wenigen Tagen hat sie die Chefs der Teilstreitkräfte zum Schweigen verdonnert. Und auch dem Bundestag gegenüber hüllt sie sich unter anderem in Sachen Munition in Schweigen. Immerhin freut sich SPD-Kollegin und Wehrbeauftragte Eva Högl: „Bei einigen Soldaten kommen zumindest warme Socken an.“
Der „Munitionsgipfel“ – der aber nicht so heißen soll
Nun aber die Überraschung: Exakt 44 (!) Wochen nach der „Zeitenwende“-Rede lädt das Kanzleramt (!) an diesem Montag, 28. November, Vertreter der Rüstungsindustrie und mehrerer Ministerien zu Gesprächen über die Rahmenbedingungen für die Munitionsproduktion ein. „Munitionsgipfel“ soll das Treffen indes offiziell nicht heißen. Im Terminkalender des Kanzlers steht dieser Termin (Stand: 26.11.) auch nicht. Nimmt Scholz also selbst gar nicht teil? Oder macht er jetzt auf Chef und nimmt die Sache der überforderten Verteidigungsministerin Lambrecht aus der Hand? Man darf rätseln.
Man darf jedenfalls gespannt sein, was am 28. November herauskommt. Der große Wurf wird es nicht werden, denn es geht um viele verschiedene Munitionstypen: Artilleriegeschosse, Mörser, Panzergeschosse, Panzerabwehrwaffen, Munition für großkalibrige Waffen, Munition für Handwaffen, Handgranaten usw.
Indes tut sich auf der Firmenebene wenigstens etwas. Rheinmetall hat Mitte November 2022 mit der spanischen MaxamCorp.-Holding einen Kaufvertrag über 1,2 Milliarden zum Erwerb sämtlicher Anteile an Expal Systems geschlossen, einem weltweit renommierten Munitionshersteller. Der Vollzug der Transaktion wird bis Sommer 2023 angestrebt.
Grundsatzfrage: Ist die deutsche Rüstungsindustrie überhaupt hinreichend leistungsfähig?
Damit eines klar ist: Keine deutsche Rüstungs- und Sicherheitsfirma gehört zur Weltspitze. Die weltweit 15 führenden Firmen setzen pro Jahr rund 320 Milliarden um, im Schnitt also mehr als 20 Milliarden – angeführt von Lockheed mit fast 60 Milliarden. Von Airbus abgesehen, rangiert die Rheinmetall AG auf Platz 2 innerhalb Deutschlands mit 5,6 Milliarden des Jahres 2021 – global aber weit hinten. Es folgen innerhalb Deutschlands dann ThyssenKrupp, Krauss-Maffei-Wegmann, Diehl, MTU, MBDA, Jenaoptik, sodann Heckler-Koch und Dynamit Nobel Defence. Es geht aktuell auch gar nicht nur um deutsche Großfirmen, sondern um insgesamt 162 rüstungs- und sicherheitstechnisch einschlägige Firmen, also auch um den Mittelstand, der hier wichtige Produkte beisteuern kann.
Angesichts der oft auf mehrere Jahre zu veranschlagenden Rüstungsprojekte wird in dem IW-Papier nicht zu Unrecht auch betont, dass die Rüstungsindustrie Planungssicherheit braucht und die Gelder „nur nachhaltig sicherheitspolitisch wirksam werden, wenn die Möglichkeiten der Industrie zur Lieferung neuer Waffensysteme und die Möglichkeiten der Bundeswehr zur Nutzung und Instandhaltung dieser Waffen in Einklang gebracht werden.“
Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), hatte bereits im April-Heft 2022 der Zeitschrift „Europäische Sicherheit & Technik“ (S.26-31) in einem Namensbeitrag mit Blick auf das 100-Milliarden-Sonderprogramm geschrieben, es stelle sich die „Frage, wie diese Steigerungen denn sowohl auf Seiten der Beschaffungsverwaltung als auch auf Seiten der Industrie abgearbeitet werden können.“ Atzpodien dachte dabei auch an den gerade in Corona-Zeiten gebeutelten Mittelstand, dem die Bundesregierung unter die Arme greifen müsse. Denn schließlich habe Rüstungsindustrie ja nicht nur mit Großgerät, sondern eben auch mit Ersatzteilen und mit Munition zu tun. Letztere wiederum muss ja nicht in jedem Fall von der Großindustrie vorgehalten werden.
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Das Problem in Deutschland ist das Fachidiotentum und die allgemeine Naivität. Pragmatisches Denken Fehlanzeige, stattdessen immer die Suche nach Komplexität und langwieriger Perfektion. Krankhafte bürokratische Prozesse, die viele Dinge um den Faktor 100 verlangsamen oder ganz verhindern.
Die Ukrainer haben gezeigt, wie man die Russen aufhalten kann, mit sehr begrenzten Mitteln. Deutsche Generäle würden uns erklären, dass wir kapitulieren müssen.
Dezentralisierung ist hocheffektiv. Eine gut organisierte und gut ausgerüstete Guerilla mit unzähligen Einheiten schlägt jede träge zentral gesteuerte Blockarmee. Zum Anfang des Zweiten Weltkrieges hat die Wehrmacht genauso agiert und damit ihren Blitzkrieg faktisch gewonnen. Bis der „Gefreite“ die Macht im Apparat an sich gerissen und damit wieder alles zentralisiert hat. Was dann zum Verlust des Krieges führte.
Ach je, die deutsche Elite hat sich längst verabschiedet, das eine oder andere Haus mit mehr als 500-jähriger Geschichte macht noch verzweifelt in Sachen „Weihnachtsmarkt“, um überhaupt Kohle zu verdienen. Hochrangiges Personal in Sachen Grenzen schützen ist aus dem gelangweilten Adel wohl kaum noch zu rekrutieren. Möglicherweise steht eine neue gut ausgebildete Truppe analog Israel bald zur Verfügung!
Im Hinblick auf die Muni- Bestände der Bundeswehr bin ich nach dieser Lektüre doch beruhigt. Unsere künftigen Gegner werden das bestimmt honorieren und uns schonen. Und wenn denn wirklich geballert wird, dann wesentlich kürzer als momentan in der Ukraine. Das ist doch prima. Nach spätestens 2 oder 3 Tagen wird der Spuck für uns alle beendet sein. Keine Kolateralschäden’in der Bevölkerung, keine hohen Verluste bei der Bausubstanz und der Infrastruktur. Au, Backe habe ich doch glatt die Thermonuklearwaffen und deren Stützpunkte vergessen. Aber die haben unsere Freunde zu verantworten. Das erleichtert meine Bedenken gewaltig. Wir werden sehen, wir kommen ungeschoren… Mehr
Die bekommen mit 50.000.000.000€ pro Jahr keine funktionierende Armee hin?! Panzerhaubitzen, Raketenwerfer? Wer soll denn Deutschland auf dem Landweg angreifen? Russland? Nachdem es zuvor durch die Ukraine und ganz Polen marschiert ist? Nur um die Verhältnisse mal gerade zu rücken: Österreich gibt für sein Bundesheer mit ca. 40.000 Soldaten ~3Mrd. € (0,6% BIP) pro Jahr aus und die Schweiz für ihre ~150.000 Militärangehörigen knapp ~5Mrd (0,7% BIP) aber für 200.000 Bundeswehrsoldaten sind 50Mrd. Euro pro Jahr zu wenig. So wenig, dass es nicht einmal für Munition reicht? Alle unsere direkt angrenzenden Nachbarländer geben für in Summe für mehr als doppelt… Mehr
Die Sportschützen in Deutschland sind offenkundig teils besser bewaffnet und ausgerüstet, als die Bundeswehr. Und das zu einem Bruchteil der Kosten. Da fällt doch sofort auf, wo das Problem ist: Ein bürokratischer Wasserkopf. Wenn die Organisationsstruktur eines Militärs zu sehr ausartet, ist die ab einem gewissen Punkt nur noch mit der Verwaltung ihrerselbst beschäftigt und das eigentliche Anliegen wird ausgebremst. Wir haben Schützenvereine von ihrer ursprünglichen Funktion völlig entkoppelt. Warum ist bei uns die Landesverteidigung und der Zivilschutz eigentlich derart zersplittert? Wir haben das THW, die Bundeswehr, hunderte von verschiedenen Schützenvereinen, etliche verschiedene Verbände und alle agieren nicht miteinander, sondern… Mehr
Treffer. Da geht es mittlerweile mehr um Industriepolitik als um Landesverteidigung. In den USA ist das Problem besonders ausgeprägt und nach Deutschland durchgeschlagen. Normalerweise muss das Militär selbst seinen Bedarf anmelden und die Wirtschaft liefern, nicht umgekehrt, weil Politik und Wirtschaft da miteinander etwas aushandeln, was an den Interessen der Landesverteidigung vorbei geht und nur der Sicherung von Arbeitsplätzen dient.
Das führt dann zu Zentralisierung von wirtschaftlichen Interessen bei gleichzeitiger Zersplitterung der Landesverteidigung. Völlige Fehlentwicklung.
Scholz schaut recht mißbilligend auf die Waffen. Er scheint irritiert: „Warum schießt die Bundeswehr? Haben die denn einen Waffenschein? Ich dachte, die machen Mannschaftsgymnastik an der frischen Luft und ausgedehnte Wanderungen mit lustigen Grasbüscheln auf dem Kopf!“
Bei soviel Unfähigkeit ist es nur berechtigt, dass sich die Regierung in der Hauptstadt vor einem Durchmarsch der Russen nach Berlin wie weiland 1945 fürchtet. So abgekämpft können die russischen Truppen ja gar nicht sein, dass sie die BW nicht derschnupften.
Wenn die Schweizer Armee heute Nacht bei Kreuzlingen die Grenze überschreitet, trinkt sie spätestens am Mittwochnachmittag Kaffee auf dem Kurfürstendamm.
Das rauchfreie Pulver ist doch schon seit 150 Jahren erfunden.
Es ist wirklich zu fragen, warum die Durchführung der „Zeitenwende“ nicht schon längst in die Gänge gekommen ist.
Keine arme ist immer 100% einstzbereit oder hat munition für einen langen krieg! Die frage ist wie schnell kann man das im ernstfall bereit stellen. Ein krieg kommt ja nicht von heute auf morgen! Was ich an deutschland bemängele ist die trägheit bis etwas umgesetzt ist. Hier fehlt es an politikern und personal was eine sache durchzieht und antreibt.
„Wir könnten keinen Kampf über mehrere Wochen führen.“ . Dafür ist die Bundeswehr auch angeblich nie geschaffen worden. Denn schon vor über 50 Jahren machte unter den Soldaten eine Parole die Runde. „Die Bundeswehr hält den Feind solange auf, bis die richtigen Soldaten kommen“. Während dieser Zeit durften zu Viele inkompotente Verteidigungsminister den unliebsamen Job übernehmen. Die letzten drei, welche das Verteidigungsministerium innehatten, ist doch eine Verhöhnung der Bundeswehr, und wahrscheinlich auch gewollt.
Jetzt mal eine Zwischenfrage : Die Bundeswehr ist praktisch nicht einsatzfähig, die Straßen — und Schienenwege sind marode ,das Netz der schiffbaren Flüsse und Kanäle ist ebenfalls hoffnungslos marode, das Netz der Energieleitungen dringend überholungsbedürftig und ein Ausbau zwingend angesagt, Schulen und Kindergärten stehen vor einem massiven Renovierungsstau , sämtliche Brücken in Deutschland sollten erneuert werden usw usf……… Was bitte haben die Regierenden in all den letzten 25 Jahren mit dem Geld der Steuerzahler gemacht ? Wo sind die dafür Verantwortlichen abgetaucht ? Sich aber mit Schaum vorm Mund für Alles und Jeden einsetzen und ist er/sie auch Hunderttausende Kilometer… Mehr