Abgewirtschaftet: Bundeswehr bekommt statt 111 Panzern nur „einige“ für die Fahrschule

Die Bundeswehr ist in einem desolaten Zustand; ausgerechnet jetzt, und allen Bekundungen aus der Spitzenpolitik zum Trotz. Jüngstes Beispiel: Statt der benötigten 111 Puma-Schützenpanzer bekommt sie nun zumindest „einige“. Von Kriegstüchtigkeit ist die Bundeswehr Jahrzehnte entfernt.

picture alliance / SvenSimon | Malte Ossowski/SVEN SIMON

Man kann über die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr und über die Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft Deutschlands umfangreiche Bücher schreiben oder hunderte Seiten an eloquenten Analysen vorlegen. Man kann den Zustand der Bundeswehr und damit Deutschlands aber auch einfach zu zwei Diagnosen komprimieren.

Erstens: Die Bundeswehr wurde vor allem in den 16 Jahren Merkel-Regentschaft (2005 – 2021) heruntergewirtschaftet. Ein Umdenken gab es nicht einmal, als Putin 2014 die Muskeln spielen ließ mit der Annexion der Krim und mit heftigen Drohgebärden gegen den Osten der Ukraine. Deutschland sonnte sich nach wie vor in der Lebenslüge, man sei ja seit 1990 nur noch von Freunden umgeben und könne nun die „Friedensdividende“ zugunsten sozialpolitischer Wohltaten unters Volk bringen.

Zweitens: Es war zu erwarten, dass an der desolaten Verfassung der Bundeswehr keine noch so hochtrabenden Ankündigungen in überschaubarer Zeit etwas ändern würden – auch wenn sie von höchster Regierungsstelle kamen. Drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 hielt Kanzler Olaf Scholz zwar seine (zu Recht?) hochgerühmte Rede zur „Zeitenwende“ und zum 100-Milliarden-„Sondervermögen“ (vulgo: Sonderschulden!) für die Bundeswehr. Scholz versprach: „Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten (…). Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“ Drei Monate später ging Scholz noch weiter: „Deutschland wird in Europa bald über die größte konventionelle Armee im Rahmen der Nato verfügen.“ Ähnlich hochtrabend wie Scholz, ja schier martialisch, gab Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am 10. November 2023 vor der Bundeswehrtagung als Ziel der Ertüchtigung der Bundeswehr deren „Kriegstüchtigkeit“ aus.

Ampel lässt Pistorius im Regen stehen
Nicht einmal für neue Offiziersstellen reicht das Geld
Die Bundeswehr ist von all den Ankündigungen nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte entfernt. Scholz hat zwar die völlig desorientierte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nach 13 Monaten voller Peinlichkeiten durch einen immerhin zupackenden Pistorius ersetzt. Aber sonst? Besser ist es mit der Bundeswehr seit Anfang 2022 nicht geworden. Es fehlt nach wie vor an allem: an Personal, an bewohnbaren Kasernen, an Waffen, gar an Munition, die zuletzt für nur zwei bis drei Tage einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung gereicht hätte.

Die deutsche Hilfe für die Ukraine muss argumentativ dafür herhalten, dass die Bundeswehr auf der Stelle tritt. Klar, Deutschland hat die Ukraine bislang mit Militärhilfen im Wert von 13,7 Milliarden unterstützt. Zum Beispiel wurden geliefert: 80 alte Leo-I-A5-Kampfpanzer, 18 Leo-2-A6-Kampfpanzer, 120 alte Marder-Schützenpanzer, 55 Flakpanzer Gepard und 14 Panzerhaubitzen 2000 (Stand 19. September 2024). Nachzulesen hier.

Aber diese Lieferungen können und dürfen nicht davon ablenken, dass die Bundeswehr kaum über den Zustand hinausgekommen ist, den der oberste Heeresgeneral Alfons Mais am 25. Februar 2022 so beschrieb: „(…) die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da“.

Problemfall „Puma“

Man nehme allein den Schützenpanzer „Puma“, der längst den „Marder“ hätte ablösen sollen. Wenn der „Puma“ denn nicht so störanfällig wäre (TE berichtete). 111 Stück „Puma“ wollte die Bundeswehr aktuell haben. Ging nicht. Man reduzierte auf 50. Ging auch nicht: Jetzt gibt es nur „einige“ Exemplare für die Fahrschulen. Das Geld reicht nicht für mehr.

Wie ja überhaupt die 100 Milliarden spätestens 2026 zu Ende gehen und der reguläre Verteidigungsetat dann von rund 52 Milliarden auf 80 bis 90 Milliarden, manche sagen: auf 100 Milliarden jährlich, erhöht werden müsste, um an die ausgerufene „Kriegstüchtigkeit“ und an die „2 Prozent BIP-Anteil“ heranzukommen. Letzteres gelang zuletzt ja nur mit kreativer Buchführung.

Es dauert noch Jahrzehnte

Reicht es mit den schlechten Nachrichten? Nein, die Probleme sind noch viel größer. Das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) hat errechnet: Beim gegenwärtigen Beschaffungstempo wären die 2004er-Bestände der Bundeswehr (also vor zwanzig Jahren) bei Kampfjets in rund 15 Jahren, bei Kampfpanzern in rund 40 Jahren und bei Artillerie-Haubitzen erst in fast 100 Jahren erreicht. Russland dagegen braucht für den Aufbau solcher Bestände allenfalls ein halbes Jahr.

Weisung zum Traditionserlass in „Zeitenwende“
Jetzt will die Bundeswehr wieder mehr auf militärisches Können schauen
Guntram Wolff, Hauptautor des IfW-Reports, sagt: „Was Europa jetzt braucht, ist neben dem Sondervermögen eine dauerhafte, deutliche und sofortige Erhöhung der regulären deutschen Verteidigungsausgaben auf mindestens 2 Prozent des BIP. Man muss es so deutlich sagen: Ein Weiter-so-wie-bisher wäre mit Blick auf Russlands Aggression fahrlässig und verantwortungslos.“ Demnach schafft es die Bundesregierung gegenwärtig nur knapp, die an die Ukraine abfließenden Waffen zu ersetzen. Die IfW-Autoren kritisieren die Verteidigungsanstrengungen aber als immer noch viel zu ambitionslos. Um wieder die Bundeswehrbestände von 2004 zu erreichen, bräuchte Deutschland gegenwärtig wie gesagt bis zu knapp 100 Jahre, was einerseits an der drastischen Abrüstung der letzten Jahrzehnte liegt, andererseits an der nach wie vor viel zu langsamen und sparsamen Aufrüstung unter der Ampelregierung.

Die IfW-Autoren mahnen zudem an, dass die deutsche Budgetplanung nicht genügend Anreize für die Rüstungsindustrie biete, ihre Kapazitäten auszuweiten, weil unklar ist, wie viel Geld Deutschland nach Auslaufen des Sondervermögens für Verteidigung ausgeben will und kann. Moritz Schularick, IfW-Präsident, spricht Klartext: „Die Zeitenwende ist bislang nur eine Worthülse. Frieden gibt es dann, wenn das Regime in Moskau versteht, dass es einen Angriffskrieg in Europa militärisch nicht gewinnen kann. Dafür brauchen Deutschland und Europa glaubhafte militärische Fähigkeiten. Deutschland muss dafür ein angemessenes Verteidigungsbudget von mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung haben.“

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Kommentare ( 23 )

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Zebra
2 Stunden her

Aus welchem Grund will man dieses Ampel-Vielfalts-Land überhaupt verteidigen? Die Führung (wo immer sie auch sitzen mag) macht uns doch auch so kaputt.

Nun ja
2 Stunden her

Na dann bleibt eben nur noch Diplomatie und Spannungsabbau. Das ist ohnehin langfristig die einzig tragfähige Lösung. Die NATO hätte sich nach 1990 auflösen sollen. Dann wäre Russland jetzt bei den Europäern und nicht bei China. Was mir am Text fehlt: Nachdem die NATO und die EU 2014 den Sturz des russlandfreundlichen aber ordentlich gewählten ukrainischen Präsidenten massiv unterstützt hatte, kam es zur Übernahme der Krim durch Russland und zu Autonomiebestrebungen im Donbas, die dann ebenfalls….usw. Wer so einen Putsch unterstützt, sollte halt auch vorher darauf achten, militärisch gerüstet zu sein. Heute wird das nichts mehr. Der Westen hat zu… Mehr

Franz Grossmann
2 Stunden her

Wenn man die aktuellen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten betrachtet, wäre es angebracht, dass sich die Bundeswehrführung bzw. die Politik überlegt, welche Waffensystem überhaupt beschafft werden sollten. Natürlich benötigt man für die Infanterie eine Grundausstattung von Panzern, Schützenpanzern etc. Der Schwerpunkt für eine moderne Ausstattung sollte aber eher bei intelligenten Waffensystem liegen, d.h. Abwehrsysteme wie in Israel (Iron Dome), Drohnen aller Art, Kurz-und Mittelstreckenraketen.

ralf12
2 Stunden her

Nicht zum aushalten, das Märchen von der Annexion der Krim. Mit Gründung der Ukraine 1991 wurde den Krimbewohnern (die nie völkerrechtskonform Bestandteil der Ukraine war) durch die Ukraine weitestgehende Autonomie zugesagt. Diese Autonomie wurde nie eingehalten und umgesetzt. Nach dem US geführten Maidanputsch wollte das ukrainische Regime sogar die russische Sprache verbieten. Es kam, wie es kommen musste. Was den Zustand der Bundeswehr betrifft. Gott sei Dank ist dieser so katastrophal. Bei der Führungsriege, angefangen bei Pistorius, sollte man denen nur noch Plastikgewehre geben.

Klaus D
2 Stunden her

Die Bundeswehr wurde vor allem in den 16 Jahren Merkel-Regentschaft (2005 – 2021) heruntergewirtschaftet….nicht nur die bundeswehr! Merkel war so beliebt weil sie viel geld verteilt hat und das hat sie 1 weil sie eingespart hat wo es nur geht und 2 massiv die steuern erhöht hat. Die ampel dachte sow eiter machen zu könne hat aber nicht erkannt das es 5 nach 12 war. Merkel wusste schon ganz genau warum sie nicht nochmal kanzlerin werden wollte. Die ampel ist für mich schon geschichte denn ab 2025 wird wieder die CDU (Union) regieren. Dann wird es erst richtig „witzig“ werden… Mehr

Capfinistere
2 Stunden her

Dann sollte der Herr Minister mal bitte etwas weniger martialische Reden in Richtung Russland halten. Und die Frau im Auswärtigen sollte am besten gar keine Reden oder Interviews mehr halten. Sollte Donald ab Januar im ovalen Büro sitzen, wird es für beide noch ein Zacken ungemütlicher.
Vielleicht sollten sich mal einige Politiker die Fabel vom Hasen und dem Löwen durchlesen.

Siggi
2 Stunden her

Wie auch? Die Kassen sind an dei Fachkräfte, deren Anwälte und Vermieter gegangen. Nun ist sie leer, und alle Aussagen dazu, sind reine Wunschdenken, einer gescheiterten Regierung, die glaubt, mit leeren Versprechen punkten zu können.

Gilbert Brands
2 Stunden her

Kann man nicht mal mit der Märchenerzählerei aufhören? Mir ist nicht bekannt, dass Russland irgendwelche Absichten geäußert hätte, hier militärisch einzumarschieren. Der gesamte Nato-Märchenapparat behauptet das zwar dauernd, hat aber noch nicht ein Argument geliefert, was die Russen davon hätten und warum sie das tun sollten.

Leicht lösen lässt sich das 2%-Problem: wenn hier so weiter gewirtschaftet wird, würden in zwei Jahren selbst bei 3% nur 2/3 des derzeitigen Budgets zusammen kommen. Wobei das Geld noch nicht mal das Problem ist, sondern die völlig unsinnigen Beschaffungsmethoden, die zu nichts anderem als völlig überteuertem unbrauchbaren Schrott führen.

Johny
2 Stunden her

Was solls? Auch mit mehr Panzern könnte die BW die „Volle Souveränität“ (Schäuble) Deutschlands nicht wieder herstellen.

Endlich Frei
2 Stunden her

Es fehlen kontinuierlich 50 Mrd. Euro pro Jahr für die Landesverteidigung. Wo ist das Geld nur ? Kann es (auch) sein, dass EU-Nettozahler Deutschland den EU-Nettoempfängern vielen EU-Länder quasi den gesamten Militärbedarf überweist ? Geht Polen nicht kräftig shoppen mit deutschen EU-Milliarden? Für Griechenland, Spanien, Portugal gilt das gleiche, von Rumänien, Bulgarien, Ungarn – und jetzt auch noch die Ukraine – gar nicht zu reden ! Angesichts der selbstinszenierten Funktion als „Kugelfang“ für Flüchtlinge stemmt Deutschland auch das Gro der Folgen für Kriege, die nicht seine sind (inkl. Trittbrettfahrer). Das so ein Staat pleite gehen muss und seine Bürger nicht… Mehr

Last edited 2 Stunden her by Endlich Frei