Bundeswehr: Das neue Führungskommando für das Inland ist kein Fortschritt

Die Einrichtung des „Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr“ kann nicht der Weisheit letzter Schluss ein. Es wäre eine Beugung des Grundgesetzes, die Bundeswehr unter dem Etikett „Heimatschutz“ gegen Demonstrationen oder auch Krawalle einzusetzen.

picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka
Christine Lambrecht beim Aufstellungsappell für das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding. Neben der Ministerin stehen Eberhard Zorn (l), Generalinspekteur der Bundeswehr, und Generalleutnant Carsten Breuer (r), Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos

Mit einem Aufstellungsappell in der Berliner Julius-Leber-Kaserne (Bendler-Block) wurde am Montag, 26. September, das neue „Territoriale Führungskommando der Bundeswehr“ (TFK) offiziell auf den Weg gebracht. Es soll zum 1. Oktober seine Arbeit aufnehmen und die „Final Operational Capability“ zum 1. April 2023 erreichen: nämlich für die Landesverteidigung, für die Koordinierung von Hilfseinsätzen der Streitkräfte im Inland und für die koordinierende Logistik, wenn Deutschland Drehscheibe von NATO-Verbündeten sein muss.

Das TFK ist damit das Gegenstück, quasi eine Art Schwesterkommando, zum bereits bestehenden, für das Ausland zuständige Einsatzführungskommando (EFK) in Geltow bei Potsdam.

Vorbereitung auf Volksaufstände
„Katastrophenschutzplan 2012“ und „Territoriales Führungskommando der Bundeswehr 2022“
Die Politik verspricht sich vom TFK schnelleres Handeln von der Katastrophenhilfe bis hin zum Fall einer kriegerischen Bedrohung. Der Start wurde denn auch begleitet von vollmundigen Ankündigungen: „Der brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns klar vor Augen geführt, wir müssen bereit sein, unsere Werte Freiheit, Sicherheit, Demokratie auch mit militärischen Mitteln zu verteidigen”, sagte Lambrecht zum Start. Und sie hebt hervor: Das TFK praktiziere zukünftig „Führung aus einer Hand.”

Dem TFK, das direkt dem Generalinspekteur unterstellt ist, werden folgende Dienststellen der Bundeswehr zugeordnet: die 16 Landeskommandos mit ihrer jeweiligen territorialen Organisation; die Dienststellen des Heimatschutzes und der zugeordneten Ausbildungsorganisation; die Truppenübungsplatz-Kommandanturen; das Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung; das Multinational CIMIC Command (Nienburg/Weser) für die zivil-militärische Zusammenarbeit. Darüber sollen die deutschen Anteile des NATO Joint Support and Enabling Command (JSEC) und des Multinationalen Kommandos Operative Führung (MNKdo OpFü) – beide in Ulm – dem künftigen Territorialen Führungskommando der Bundeswehr truppendienstlich zugeordnet werden. Rund 550 Soldaten und 250 Zivilisten übernehmen die Aufgabe.

Befehlshaber des neuen Kommandos ist Generalleutnant Carsten Breuer (57), der als Zwei-Sterne-General (Generalmajor) den Corona-Krisenstab im Bundeskanzleramt geleitet hatte. Er ist nun auch Nationaler Territorialer Befehlshaber. Seine Aufgabe war bisher dem Inspekteur der Streitkräftebasis zugeordnet.

Interview mit dem neuen Kommandeur

Der Kommandeur des neuen TFK, Generalleutnant Breuer, hat einem bundeswehrinternen Radio-Blog am 1. September 2022 ein sehr informatives und persönliches Interview gegeben.

Wir greifen ein paar Aspekte heraus. Zu den unterschiedlichen Aufgaben von EFK und TFK sagt Generalleutnant Breuer: „Wenn Sie es ganz platt ausdrücken wollen, sind die einen im Haus und machen die Hausarbeit und die anderen sind außerhalb des Hauses und machen die Gartenarbeit, also die einen für innen und die anderen für außen … Alles das, was an Truppe außerhalb der deutschen Grenzen geführt wird, wird durchs Einsatzführungskommando geführt. Alles das, was innerhalb geführt wird, wird durchs Territoriale Führungskommando geführt. Und da gibt es natürlich Überlappungen.“

Interessant sind Breuers Aussagen zum „Host Nation Support“ – wenn beispielsweise im Rahmen der Übung Defender 2020 US-Soldaten nach Europa geführt werden und dann durch Deutschland marschieren, um in Polen oder in den baltischen Staaten an der NATO-Ostflanke zum Einsatz zu kommen. Laut Breuer reicht diese Unterstützung vom Tanken über Bereitstellungsräume, aber auch die Mitbenutzung von Straßen. Wir fügen an: und hoffentlich über weniger marode Brücken, die auch schwerste Panzer tragen können.

Einen besonderen Vorteil des TFK sieht Breuer im Faktor Zeit und den Gewinn an Zeit durch das TFK: „Nur das Einfache hat in Stresssituationen, hat in katastrophischen Situationen, hat aber auch im Krieg Erfolg.“ Das stimmt, wenn es denn nicht wieder zu Kompetenzgerangel und Verzettlungen kommt!

Bundeswehr mit neuen Befugnissen im Inland?

Wie jetzt schon richten sich die Befugnisse der Bundeswehr im Inland nach den Bestimmungen des Grundgesetzes: Außer im Verteidigungs- und Spannungsfall darf die Bundeswehr nur in Amtshilfe für zivile Behörden tätig werden, die auch über den Umfang des Einsatzes entscheiden. Mit der Aufstellung des neuen Kommandos soll die Bundeswehr im Inland jedenfalls keine weitergehenden Befugnisse bekommen. Wachsam darf man dennoch sein.

Fake-Gas
Das weitsichtige Handeln der Politik und ihrer Lohnschreiber
Zum Beispiel, wenn man vergleicht: Eine Nancy Faeser trägt den Titel „Bundesministerin des Innern und für Heimat“. Und eine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will nun qua Bundeswehr ebenfalls auf „Heimatschutz“ machen. Zufall? Dazu passt schon mal, dass die Bundeswehr gemeinsam mit dem österreichischen Bundesheer Einsätze gegen Krawalle trainiert. In einem am 1. Dezember 2021 von der Bundeswehr veröffentlichten Video sieht man, wie sogenannte CRC-Einsätze geprobt werden. Unter CRC, also Crowd and Riot Control, versteht man die Überwachung und Eindämmung von unfriedlichen Menschenansammlungen und die Eindämmung von Krawallen. Apropos Datum 1. Dezember 2021: Das waren die letzten Tage einer Merkel-Regierung.

Es ist jedenfalls Vorsicht geboten. Gewiss verschwimmen in Zeiten eines weltweiten Terrorismus und neuer Formen von Kriegen die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Deshalb ist im Terror-Fall ein Einsatz der Bundeswehr im Innern denkbar, unter Umständen gar notwendig. Aber es wäre eine Beugung des Grundgesetzes, die Bundeswehr unter dem Etikett „Heimatschutz“ gegen Demonstrationen oder auch Krawalle einzusetzen. Wenn dergleichen aus dem Ruder läuft, ist das der Job der Polizei, die dafür personell und materiell eben entsprechend gerüstet sein muss.

Unter’m Strich

Unter Insidern ist die Einrichtung des TFK nicht unumstritten. Mal heißt es, es würden nur ohne jeden Fortschritt die Türschilder gewechselt, mal spricht man von einem „Elefantenfriedhof“. Dann hoffen wir einmal darauf, dass nicht eintritt, was ein römischer Feldherr namens Gaius Petronius über Reformen seiner politischen Führung gesagt haben soll: „Wir stellen ständig um, wir strukturieren permanent neu. Es bringt zwar nichts, aber es erweckt die Illusion des Fortschritts.“

Die Einrichtung des TFK kann jedenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss ein. Denn dass es in Deutschland in weiten Bereichen etwa des Zivilschutzes mangelt, wissen wir. Nicht einmal das Sirenensystem funktioniert flächendeckend. Wozu auch, fragen wir zynisch, wo es doch nahezu keine Schutzräume mehr gibt. Die Politik ist darauf bislang nicht eingegangen. Denn seit 1990 war ja ein ewiges „Friede, Freude, Eierkuchen“ angesagt.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 35 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

35 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Helfen.heilen.80
2 Jahre her

Bemerkenswert, dass der Begründung-spendende Topos „Krieg“ mit einer gänzlich unhinterfragten, harmlos-leichten Selbstverständlichkeit als diskursive Grundannahme etabliert wird. Und das von dem politischen Lager, das die letzten 70 Jahre die Harfe des Pazifismus gezupft hat. Ich kann mich nicht davon lösen, dass meine Generation (heute ca. 40) bei ihrer Beschulung mit einer unermüdlichen Penetranz über moralische Aspekte deutscher Aussenverhältnisse kujoniert wurde. Was stets in dem Diktum gipfelte: Krieg schlecht, Pazifismus gut, Deutschland „Täter-Veranlagung“ etc. usw. Als hätte es diese Imprägnierung nie gegeben: „meine Damen und Herren, wir präsentieren: ab jetzt das Heer im Inland. Viel Spaß – Ihre SPD“. Ich hätte… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Helfen.heilen.80
nomsm
2 Jahre her
Antworten an  Helfen.heilen.80

Ist schon irre, wenn ehemalige Kriegsdienstverweigerer für einen NATO-Einsatz in der Ukraine plädieren. Oder welche die nie gedient haben jetzt für eine allgemeine Dienst Pflicht plädieren. Einfach nur verrückt. Aber damals galt es halt als SCHICK zu verweigern. Oder man hat sich als unfähig aufmuntern lassen, wahlweise wegen geistiger oder körperlicher Unfähigkeit.

Fieselsteinchen
2 Jahre her

Auffällig immer wieder, dass die Linken und Grünen bevorzugt Grundrechte, die demokratisch erkämpft worden sind, schleifen und sich selbst als Bewahrer der Demokratie ansehen.

Simrim
2 Jahre her

Aber genauso gut möglich ist es -seit den Verträgen von Lissabon- andere Armeen auf deutschen Boden einzusetzen. Dann fällt eventuell auch die Hemmung geringer aus gegen das demonstrierende Gegenüber vorzugehen.

Last edited 2 Jahre her by Simrim
Ralf Poehling
2 Jahre her

In der Tendenz ist die Trennung von Innen- und Außenverteidigung absolut richtig. Ein Krieg beginnt nicht immer an den Außengrenzen eines Landes.
Allerdings muss die Freund-Feind-Erkennung dann auch sauber funktionieren, damit sich die Macht nicht gegen das eigene Volk richtet.
Diesbezüglich und auch bezüglich organisatorischer Optimierung werde ich mich nur noch in abhörsicherer Umgebung vor sicherheitsgeprüften Anwesenden äußern.

Andreas aus E.
2 Jahre her

Endlich wird man gegen diese Montagsspaziergangsquerulanten nicht nur mit Wasserwerfern und Immer-feste-druff-Knüppeln vorgehen können, sondern auch mit schweren Panzerhaubitzen, Kampfhubschraubern und aufgepflanztem Bajonett – es muß eine wahre Lust sein, in diesen Zeiten zu den demokratischen Machthabenteusen zu gehören.
😉

Jan Frisch
2 Jahre her

Zitat: „Es wäre eine Beugung des Grundgesetzes, die Bundeswehr unter dem Etikett „Heimatschutz“ gegen Demonstrationen oder auch Krawalle einzusetzen.“ Sehr geehrter Herr Kraus, das Regime pfeift doch schon seit Jahren auf das Grundgesetz! Sei es die Frauenquote, die dem Art. 3, Abs. 3. zuwider läuft, der Asylartikel 16a, Abs. 1, der von Frau Roth sogar öffentlich bestritten wurde, und über die Art. 5 (Meinungsfreiheit) und Art. 8 (Demonstrationsfreiheit) brauchen wir gar nicht erst zu reden. Kurzum: Dieses Regime hat sich vollständig von jedweder Rechtsstaatlichkeit verabschiedet, da ist es schlichtweg redundant auf einen weiteren GG Artikel, den diese Mischpoke (so nennt… Mehr

Carl22
2 Jahre her

„Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ist für das kommende Jahr im Vergleich zu 2022 ein Ausgabenrückgang um gut 112 Millionen Euro auf knapp 174 Millionen Euro vorgesehen, so eine entsprechende Mitteilung des Deutschen Bundestages. Die Ausgaben für die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk sollen demnach 2023 um rund 158 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr auf gut 386 Millionen Euro sinken.“(tonline 22.8.2022). Also 270 Mio weniger für die Profis, die jahrzehntelange Erfahrung im Bewältigen von Katastrophenfällen haben! Parallel dazu ein komplett neues „Territoriales Führungskommando“, das ganz von vorne anfängt. Anstatt das Bewährte zu stärken, läßt man es verhungern, und suhlt sich in „ganz… Mehr

Archaeopteryx
2 Jahre her
Antworten an  Carl22

Naja, aus Sicht der Verantwortlichen ist das schon stimmig: Das THW ist ja nur dazu da den Buergern in Katastrophensituationen zuhelfen – zur Niederknueppelung von Hungeraufstaenden laesst es sich nicht einsetzen…

GWR
2 Jahre her

Volle Zustimmung Herr Kraus. Allerdings muss ich zu der Passage: „Aber es wäre eine Beugung des Grundgesetzes, die Bundeswehr unter dem Etikett „Heimatschutz“ gegen Demonstrationen oder auch Krawalle einzusetzen.“ sagen, dass das Grundgesetz in den letzten Jahren doch häufig gebeugt wurde. Art. 16 a GG wurde von Merkel außer Kraft gesetzt. Ausgangsperren, Impfpflicht, Demo-Verbote etc. verstoßen auch gegen das GG. Bei unseren Politikern sind alle Hemmungen gefallen. Und meiner Meinung nach geht das nur, da man in Karlsruhe regierungstreue Verfassungsrichter installiert hat. Für mich sind das nur Marionetten der Politiker und da wird sich so schnell nichts ändern. Die nicken… Mehr

Teiresias
2 Jahre her

Die ganzen „Kampf gegen rechts“-Säuberungen der Merkel-Ära waren die Vorbereitung auf das, was jetzt passiert. Ob das erfolgreich war und die Truppen tatsächlich gegen das Volk für die linksgrüne Regierung einsetzbar sind, wird sich zeigen.

„Nichts in der Politik passiert zufällig“ F.D.Roosevelt.

NochNicht2022
2 Jahre her

„Rund 550 Soldaten und 250 Zivilisten übernehmen die Aufgabe.“ – D.h. das ist nur eine sehr große „Projektarbeitsgruppe“ ohne eigene (sic!) Truppenverbände, d.h. das Ganze ist ein Phantom. Das TKF ist auf die Zusammenarbeit (sic!) mit den tatsächlich vorhandenen Truppenteilen angewiesen. Wenn man alle solchen „Projektarbeitsgruppen“ zusammen betrachtet werden, erkennt man: Die wollen im Bedarfsfalle alle auf die gleichen „blanken“ Truppenteile zurückgreifen. Keiner weiß dann in der Stunde X, in welchem Zustand (sic!) sich diese befinden. Sorry, das ist Quatsch. Es ist auch kein „Elephantenfriedhof“ – der Begriff stammt woanders her. – Es erinnert irgendwie an die tolle Aufsichts- und… Mehr