Bundestag: Aber ein Kartell sind wir nicht

Weniger Feindschaft, mehr Dialog – forderten Gysi und Klöckner. Es klang nach Friedensangebot an die AfD. Aber die Handlungen entsprachen dem nicht. Klöckner möchte die AfD erziehen. Da war noch viel Angst vor dem blauen Mann und seinem Vorwurf: „Kartellparteien“!

Alterspräsident Gregor Gysi gratuliert Julia Klöckner zur Wahl der Präsidentin, 25. März 2025

Am Ende blieb diese konstituierende Sitzung doch nicht ganz ohne Hoffnung. Die Taten fehlten noch, so viel ist klar. Aber die Worte waren schon da, die abstrakte Erkenntnis. Man konnte jetzt das Gefühl haben, dass dies eine der schlimmsten Manifestationen des Orwell’schen „Neusprech“ ist: Frieden ist Krieg, Wahrheit ist Lüge.

Sowohl Alterspräsident Gregor Gysi als auch die neue Parlamentsvorsitzende Julia Klöckner betonten an Schlüsselstellen ihrer Rede – die daneben von sehr verschiedener und gemischter Qualität waren –, dass nicht gleich jeder ein Extremist ist, der eine andere Meinung als man selbst vertritt. Gysi sagte, dass man „bei Menschen mit anderer Meinung nicht immer das Übelste unterstellen“ müsse. Beide Aussagen schienen auf jenen harten Kern des deutschen Gutmenschentums in der Politik gemünzt, der vor allem in den Reihen von SPD und Grünen zu finden ist, die alles, das vom rot-grünen „guten Sinn“ abweicht, als rechtsextrem titulieren und bekämpfen, auch wenn es sich um Positionen von Union oder sogar einer Linkspartei handelt.

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Allerdings sagte Klöckner auch, dass sie die gewählten Abgeordneten des deutschen Volks „erziehen“ oder „bilden“ will, nämlich durch das neue System der Ordnungsrufe, das sich andeutet und das angeblich einen zivileren Ton herstellen soll, den der Bundestag einst kannte. Das war wohl damals, als ein Joschka Fischer das Wort mit Ar… in den politischen Diskurs einwarf oder Wehner und Strauß sich ihre berühmten Schimpfkanonaden lieferten oder Brandt Geißler einen „Hetzer“ nannte und mit Goebbels verglich.

Außerdem wandte Klöckner sich hartnäckig gegen den Begriff „Kartell“, und die verschiedenen ÖRR-Moderatoren taten es ihr gleich (ob sie auf dem roten oder dem schwarzen Ticket reisen). Demgegenüber verwendete eine auf Phoenix herbeigerufene Politologin vom linken Berliner Otto-Suhr-Institut dasselbe Wort „Kartell“ ganz unironisch und zweifellos als Beschreibung der Wirklichkeit. Dabei wissen es die Herren Journalisten doch ganz genau: Parteien, die sich bei demokratischen Wahlen beworben haben, könnten gar kein Kartell bilden!

Ein Kartell ist ein Kartell ist ein Kartell

Das stimmt aber schon rein logisch nicht. Denn auch die Marktstellung von Konzernen, die sich hernach zu einem Kartell verabreden und so gegen die Gesetze des Marktes und die Kundenfreundlichkeit aufbegehren, diese Marktstellung kann anfangs durchaus auf ziemlich rechtmäßige Weise, jedenfalls ohne Kartell erlangt worden sein. Auch die demokratischen Wahlergebnisse hindern also eine Gruppe von Parteien nicht daran, nach der Wahl oder parallel dazu einen Lobbyverbund zu bilden, in dem sie einander bevorzugen und andere benachteiligen. Nicht zuletzt sind die Wähler betrogen, die rechts gewählt haben, aber linke Regierungen bekommen. Es ist das Mitte-links-Kartell, das Koalitionen jenseits der Kartellmauer verbietet. So wie das wirtschaftliche Kartell günstigere Preise für den Verbraucher, die durch Wettbewerb entstehen, verhindert, so verhindert das politische Kartell bestimmte Politiken, die die Bürger wünschen.

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Außerdem haben die politischen Kartell-Alliierten durch ihren Einfluss dafür gesorgt, dass die AfD und andere kritische Parteien in den Medien viel weniger vorkommen als eben die Kartellparteien. Die rot-grünen Kirchen wirken hier natürlich über die Rundfunkräte mit, auch die roten Gewerkschaften. Die Konservativen, Rechten und Liberalen haben derzeit nichts Vergleichbares an gesellschaftlicher Co-Macht aufzuweisen.

Und so muss man im konkreten Fall sagen: Die Verabredung der sogenannten „Kartellparteien“ geht nun schon so lange, dass die teilnehmenden Parteien (CDU, CSU, SPD, Grüne und oft auch die Linkspartei) dadurch erhebliche Vorteile für sich, auch bei Wahlen, erwirtschaften konnten. Das demokratische Votum ist also nicht mehr gar so rein, wie Julia Klöckner nun im Bundestag tat.

Dann war da noch die Vizepräsidentenwahl, die am Ende wieder zum Kartell-Vorwurf aus den Reihen der AfD führte. Klöckner nahm das zum Anlass für einen ersten, erzieherischen Ordnungsruf. Es gibt wieder verbotene Worte und Gedanken.

Fernsehkommentator Heribert Prantl (SZ) will sich von einem AfD-Mitglied „nicht repräsentieren lassen“, jedenfalls nicht als Bundestagspräsident. Vielen wird das mit Bodo Ramelow, Josephine Loulou Ortleb (wer ist das überhaupt?), Omid Nouripour oder Julia Klöckner ähnlich gehen.

Demokratie abgeschafft – „wegen“ der AfD

Bei Prantls Kommentar fiel es auf. Es gibt eine typische Fehlrepräsentation in den Hirnen der linken Medien-Elite: Der linke Journalist hatte gedacht, dass Ramelow ein viel besseres Ergebnis bekommen würde. In seinem Kopf fühlte sich das so an. In Wahrheit gibt es kaum einen größeren Unsympathen in der deutschen Politik, der zudem das Halsstarrige seiner Partei und des links gepolten Mainstreams perfekt verkörpert. Beim Spiegel heißt dieselbe innere Kopflinie so: „Union und Linke: Es ist kompliziert“. Und auch der Sozi unter den Phoenix-Präsentatoren fragte irgendwann insistierend, wann es denn nun endlich zur Annäherung von Union und Linkspartei käme. In Wahrheit gibt es sie schon längst, jedenfalls in Schleswig-Holstein beim Rotfront-Christdemokraten Daniel Günther, aber auch anderswo.

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Aber im Bundestag reagierten einige Unions-Granden unmutig auf Gysis marxistische Grundsatzrede. Die Union merkt es eben immer erst ganz zum Schluss, dass die Linken nicht ihre Freunde sind. 2017 war man unter Führung von Bundestagspräses Norbert Lammert schnell damit gewesen, die Bestimmung zum Alterspräsidenten nicht mehr vom Lebensalter – wie zuvor für 60 Jahre –, sondern von den im Bundestag abgesessenen Dienstjahren abhängig zu machen. Das rächte sich nun: Die Union bekam eine sozialistische Gardinenpredigt im verflixten siebten Jahr der Regelung. Die AfD tat gut daran, die Kartellregelung noch einmal bloß zu stellen, als sie beantragte, eben doch den an Lebensjahren älteste Parlamentarier zum Alterspräsidenten zu machen. Natürlich ohne Erfolg. Das Kartell hielt auch da.

Und noch ein paar Aussprüche Klöckners deuten auf ein gespaltenes Verhältnis zur Wirklichkeit hin. Etwa: „Dieses Parlament wird der neuen Bundesregierung mindestens ebenso deutlich auf die Finger schauen, wie es der 20. Deutsche Bundestag getan hat.“ Die Fraktionen sollen also nicht mehr reine Erfüllungsgehilfen der Regierung sein? Das glaubt sie ja wohl selbst nicht. Außerdem wird man der AfD so und so wieder einmal die Teilhabe an Parlamentsämtern und damit an der voll ausgebauten Kontrolle der Regierung versagen. Und genauso wird in Wahrheit die deutsche Demokratie abgeschafft, nicht weil die AfD es so will.

„Weg in die sozialen Medien“ – via DSA? Und mehr Frauen, bitte!

Wohlfeil waren die Sätze, die vermutlich jeder neue Bundestagspräsident für einen Tag aufsagen muss: „Wir Abgeordneten kontrollieren die Regierung. Sie schuldet uns Rechenschaft. Nicht umgekehrt. Denn das Parlament ist keine nachgeordnete Behörde der Regierung.“ Angeblich will Klöckner, dass das parlamentarisch Fragerecht gestärkt wird. Aber die ausweichenden, teilweise frechen Antworten der Minister wird auch sie nicht verbieten können.

Und auch etwas anderes klang zuerst gut, und dann vielleicht nur noch halb gut. Zu den neuen, sozialen Medien und Internetplattformen sagte Klöckner: „Wir können die Algorithmen nicht ändern. Wir können aber auch diese Teilöffentlichkeiten nicht sich selbst überlassen. Beschreiten wir den Weg in die sogenannten sozialen Medien noch stärker.“ Man weiß nicht, was Klöckner mit diesem „Weg in die sozialen Medien“ meint, von denen sie sich schon mit diesem „sogenannten“ distanziert. Also einfach mitmachen beim Online-Austausch oder doch DSA anwenden und Online-Beiträge zensieren? Das lässt Klöckner sehr klangvoll offen.

Klöckner benutzt sprechend das generische Maskulinum („Juristen und Lehrer“), im Transkript ihrer Rede stehen auch die weiblichen Formen. Daneben fordert sie, dass mehr Frauen in den Bundestag müssten – Stichwort „angemessene Repräsentation“ aller „gesellschaftlichen Gruppen“. Man wusste gar nicht, dass auch die Frauen eine solche sind. Die Grünen wollen der Union an der Stelle das nächste Zugeständnis herausleiern – und anscheinend ist die Frauenunion an der Stelle schon dabei, wo ihr ein Eingriff in die Demokratie nützen würde.

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Kommentare ( 33 )

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DDRforever
3 Tage her

Mann muss für diese Form der Parteienzusammenarbeit doch nicht den bösen Begriff Kartell wählen. Es gibt doch einen bewährten, besseren. Die Liste der nationalen Front. Wobei in der BRD wohl besser die internationale Front gewählt werden müsste denn die natioalen Interessen der Bewohner sind volkommen gleichgültig.

Andreas F
3 Tage her

Stichwort „angemessene Repräsentation“ aller „gesellschaftlichen Gruppen“.

Also erstmal den Anteil der Juristen im Bundestag auf maximal 5% festlegen. Bei Plenarsaalabgeordneten hört die Quote dann bei insgesamt so 20% auf, der Rest sind Angestellte und Arbeiter. Jeweils natürlich ein Fünftel Rentner. Oder habe ich da was falsch verstanden?

Berlindiesel
4 Tage her

Ich bin mit sicher, dieser Beitrag entlastet innerlich den Autor und die meisten TE-Leser, ansonsten aber ist er so wie die Weihnachtsansprachen des Bundespräsidenten – die vom Vorjahr geht auch und keiner merkt es. Insoweit hätte man ihn auch 2017 und 2021 schreiben können und ich bin mir sicher, das hat TE auch getan. Und sonst? Reden wir doch nicht immer um den heißen Brei. So funktioniert nun einmal Parlamentarismus. Früher gab es drei Parteien im Bundestag, zwei davon haben sich aufgespalten (Union in CDU und AfD, SPD in SPD und Grüne) die Linke ist als unbedeutende Kleinpartei dazugekommen und… Mehr

Index
4 Tage her

Was sich dieser entsetzliche „Jurist“ Prantl da gestern in seiner Dauerrage geleistet hat, hat mir regelrecht die Sprache verschlagen. Ohne Unterlass Hass und Hetze gegen die AfD aus dem schäumenden SZ-Maul. Es war unerträglich. Eine in meinen Augen eine einzige Schande. Immerhin: Damit dürfte jedem eigentlich klar geworden sein, dass dieser „Jurist“ ein selbsterklärter Antidemokrat und lupenreiner Oberbrandmaurer ist. Phoenix „mausert“ sich eh allmählich zum obersten ÖR-Hetzpolitiksender gegen v. a. Trump, Vance, Musk und die AfD. Unerträglich, was dort mittlerweile ungeniert an widerlicher Gehirnwäsche, Auslassungen und Falschdarstellungen betrieben wird. Und das auch noch von unseren Geldern, die uns rotzdreist abgepresst… Mehr

Logiker
4 Tage her

„Die Regeln sind ganz einfach: Sie belügen uns, wir wissen, dass sie lügen, sie wissen, dass wir wissen, dass sie lügen, aber trotzdem lügen sie weiter, und wir tun weiter so, als würden wir ihnen glauben.“ (Elena Gorokhova: „Goodbye Leningrad“), häufig fälschlicherweise A. Solchenyzyn zugeschrieben. Warum fragt niemand nach dem Verbleib der SED-Milliarden? Zwei von den drei, die wußten, wo das Geld geblieben ist (Modrow, Gysi, Bartsch) sitzen immer noch im Bundestag (Gysi und Bartsch), einer durfte gar die Legislatur als Fake-Alterspräsident eröffnen (Gysi). Für diejenigen, die deren Rolle nicht kennen: Modrow war letzter DDR-MP (vormals SED) und Ehrenvorsitzender der… Mehr

Last edited 4 Tage her by Logiker
MfS-HN-182366
4 Tage her

Das Kartell, das Kartell, hat immer recht!
Herr Nikolaides hat die Vorgehensweise eines wirtschaftlichen Kartells genau beschrieben und mit dem »Zusammenwirken« der linken Parteien verglichen. Wer das nicht glaubt, kann doch bei Wikipedia nachlesen.
Nach dem Kartellrecht werden Kartell-Unternehmen hart bestraft. Wer bestraft die linken Kartellparteien? Das BVerfG? Trump? Der Wähler beim nächsten Urnengang? Ich vermute mal, das Kartell bereichert sich weiter auf Kosten der Steuerzahler und lacht sich über unsere Machtlosigkeit ins Fäustchen.

puke_on_IM-ERIKA
4 Tage her

Aber ein Kartell sind wir nicht“ – natürlich nicht.
So wie bei der Mafia – alle sind familia…..

corsen
4 Tage her

Wie voreingenommen und parteiisch kann man(n) sein?
Gerd Joachim von Fallois!

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
4 Tage her

„…Kartell-Vorwurf aus den Reihen der AfD… Klöckner nahm das zum Anlass für einen ersten, erzieherischen Ordnungsruf.“

Die Volkskammer 2.0 sollte endlich mit der Mehrheit des Altparteiensyndikats die parlamentarische Geschäftsordnung analog zu den Spielregeln des Fußballs ändern. Erster Ordnungsruf = Gelbe Karte. Zweiter Ordnungsruf = Rote Karte. Über die Dauer der anschließenden Sperre könnte ein überparteilich zusammengesetzter Ausschuß entscheiden, in den selbstverständlich keine Vertreter der AfD gewählt werden.

Ich finde, das wäre ein sehr schöner Beitrag zur Demokratieförderung im Sinne des Parteiensyndikats.

imapact
4 Tage her

Klöckners Autorität als Bundestagspräsidentin ist jetzt schon so abgetakelt wie ihr äußeres Erscheinungsbild. Umgehend vor den Grünen gekuscht und auf den Besuch bei der AfD – Fraktion verzichtet. Natürlich bildet der Block von CDU bis SED ein Kartell. Mit den Grünen als Tonangebend, denn auch die krasseste Unterwerfung der Union kann nicht verhindern, daß ihre Angehörigen zum Ziel linker Aggression werden, wie das Beispiel des potentiellen Landwirtschaftsministers zeigt, der von einer linken Sturmabteilung eingeschüchtert wurde und nun das Amt erst gar nicht antritt.