Bürgergeld: Arbeitsverweigerer haben nichts zu befürchten

Staatliche Hilfen werden gekürzt, wenn man sich beharrlich weigert zu arbeiten? Mitnichten. Die Behörden verzichten beinahe systematisch auf die rechtlich vorgesehenen Strafen. Lieber glaubt man an das Gute im Menschen – und lässt den arbeitenden Steuerzahler blechen.

IMAGO / Political-Moments

„Fördern und Fordern“: Das war das Leitmotiv der sogenannten Hartz-Reformen des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder im Jahr 2002. Die grundlegende Änderung des Arbeitsmarktes – inklusive der Zuwendungen an Arbeitslose – rettete seinerzeit die schwer taumelnde Bundesrepublik vor dem ökonomischen Totalabsturz.

Von Schröder wollen seine Sozialdemokraten heute nichts mehr wissen, von den Hartz-Reformen auch nicht. Und erst recht nicht von „Fördern und Fordern“. Der heutige Arbeitsminister – Hubertus Heil von der SPD, der in seinen 52 Lebensjahren keine einzige Minute selbst in der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung tätig war – hat das Fordern gestrichen.

Rein theoretisch müssen Empfänger von „Bürgergeld“ (wie die Arbeitslosenhilfe heute heißt) nach dem Gesetz damit rechnen, dass ihnen die Staatsknete teilweise oder auch komplett gestrichen wird, wenn sie Arbeitsangebote ablehnen.

Aber grau ist alle Theorie, und Papier ist geduldig.

Tatsächlich gibt es Jahr für Jahr weniger Fälle, in denen arbeitsunlustigen Bürgergeldempfängern Geld gekürzt oder gar gestrichen wird. In den vergangenen 17 Jahren ist die Zahl solcher Strafen gegen Arbeitsverweigerer um 90 Prozent zurückgegangen. Das hat die „Bild“-Zeitung herausgefunden. Kein Schreibfehler: neunzig.

Im Jahr 2007 gab es noch mehr als 183.000 Sanktionen. Zwischen September 2023 und August 2024 waren es dann noch 21.730. Die Zahl der Arbeitslosen ist deutlich schneller gesunken als die Zahl der gegen Arbeitsverweigerer verhängten Strafen.

Dass im März 2024 die Regeln formal verschärft wurden, hat daran nichts geändert. Seitdem kann Totalverweigerern das Bürgergeld theoretisch für zwei komplette Monate gestrichen werden. Theoretisch. Praktisch gibt es aber keinerlei Anstieg der verhängten Sanktionen.

Gegenüber der „Welt“ verweist die Bundesagentur für Arbeit auf einen politischen „Paradigmenwechsel“ im Jahr 2023. Seitdem setze man bewusst vor allem auf „Kooperation mit den Leistungsempfängern“. Strafen, wie Mittelkürzungen oder auch -streichungen, begreife man nur noch als Ultima Ratio.

Das ist ein interessanter Ansatz. Kooperation bedeutet ja wörtlich Zusammenarbeit. Aber wie arbeitet man mit Menschen zusammen, die weder zusammenarbeiten noch überhaupt arbeiten wollen?

Die freundliche Stellungnahme der Beamten aus der Bundesagentur bedeutet übersetzt dies: Antiautoritäre Ampel-Politiker, die auch selbst sowieso nicht allzu viel von Arbeit halten, haben angeordnet, dass man auf Einsicht und Freiwilligkeit von arbeitsunwilligen Bürgergeldprofiteuren setzen solle. Das hat (Überraschung!) nicht funktioniert. Daraus zieht man nun die Konsequenz, dass man jetzt noch mehr auf Einsicht und Freiwilligkeit setzt.

Während Arbeitsverweigerer sich deshalb einen lauen Lenz machen, ohne irgendwelche Folgen fürchten zu müssen, rackern sich die braven Steuerbürger täglich ab, damit Hubertus Heil weiter Wohltaten verteilen kann.

Und dann wundert sich unsere politische Klasse, wenn sich immer mehr Menschen veralbert vorkommen. Keine Pointe.

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Kommentare ( 55 )

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Wittgenstein_
21 Stunden her

Ja, nichts Neues. Die Eltern deines Ehepartners kannst du dir nicht aussuchen. So lebt die Mutter meiner Frau seit nunmehr 15 Jahren von Hartz IV / Bürgergeld. Der große Witz an der Sache ist aber, dass sie auf dem Papier in der Nicht-EU-Heimat einen Hochschulabschluss besitzt, in der Realität aber bis heute keine 2 Sätze korrektes Deutsch hervorbringen kann. Das Jobcenter schlägt ihr daher (hin und wieder) Jobs vor, für die sie überhaupt nicht geeignet ist. Wie soll jemand, der nach 15 Jahren in Deutschland den Ausspruch „guten Rutsch“ nicht kennt und sich auf A1-Niveau bewegt, in einer Universitätsbibliothek arbeiten?… Mehr

Or
1 Tag her

Sozialisten tun halb was Sozialisten können. Und was sie besonders gut können, ist das Geld der Anderen ausgeben.

Ralph Sauer
1 Tag her

Es ist merkwürdig, denn die Finanzämter sind da wenig kooperativ. Sie versteuern noch nicht getätigte zukünftige Umsätze, die im Bereich des Möglichen liegen und verknacken den Dummdeutschen bei verursachtem Steuerbetrug (es sei denn man ist Politiker mdB oder man vergisst urplötzlich). Tja.. Ein Krieg kostet eben Geld und ein Kriegsvorhaben gegen Russland sowieso. Manche behaupten in einem Kaudawelsch, dass wir uns schon im Krieg gegen Russland befinden?!? Wie dem auch sei, für Deutschland wird es in naher Zukunft sehr dunkel werden. In jeder Beziehung.

GrafZahl04
1 Tag her

Könnte es sein , dass wenn Sanktionen Eiskalt umgesetzt würden – Angst hat vor französischen Verhältnissen? Brennende Vororte ?

Madame Blume
1 Tag her

Zitat „Die Behörden verzichten beinahe systematisch auf die rechtlich vorgesehenen Strafen.“ Eine Bekannte arbeitet bei einem Jobcenter, wir hatten bereits viele hitzige Diskussionen zum Thema „Bürgergeld“, ich bin also recht gut in der Materie „drin“ 🙂 Bis zu jener 100%-Sanktion nach §31a Abs. 7 SGB II ist es ein langer Weg. Die funktioniert nämlich nur dann, wenn jemand sich nicht auf angemessene Stellenangebote bewirbt. Problem dabei: Die Arbeitgeber geben kaum bis keine Rückmeldung, dass jemand sich nicht auf deren Stellenangebot beworben hat. Ergo kann auch nicht sanktioniert werden. Die Sanktionen wegen Meldeversäumnissen (siehe §31a Abs. 4 SGB II) liegen nach… Mehr

Last edited 1 Tag her by Madame Blume
Privat
1 Tag her

Ich bin überzeugt, dieser Heil ist einer der größten Volksschädlinge im System der Antideutschen Parteien.
Viele Milliarden Euro dauerhafter Verlust, weil wieder die falschen das Geld der Steuerzahler in den Rachen geschoben bekommen.
Wir werden nur noch von der absoluten Unfähigkeit verwaltet.
Die AFD will diesen Zustand beenden

Kassandra
1 Tag her
Antworten an  Privat

Ich bin sicher, dass dort in der Regierung samt Anhang ein jeder tut, was er kann, uns noch tiefer in die Bredouille zu bringen – und das nicht nur finanziell. Seit den Zeiten Fischers, der damals mit der Visa-Affäre aufwarten konnte (wobei ich nicht weiß, ob ihm auch noch anderes anzulasten ist), arbeiten sie, wie es scheint, mit Macht gegen uns, den angeblichen Souverän: Ja. Und das hat er wohl hinterlassen – wenn er es auch im Anschluss nicht mehr gesagt haben will: „Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der… Mehr

Aegnor
1 Tag her

Hochproblematisch sehe ich da auch, dass selbst wenn mal die Regierung wechselt und dann „von oben“ wieder Anweisungen kommen, die Zügel anzuziehen – werden die Sachbearbeiter und Entscheider in den Ämtern das auch durchziehen? Auch die ganzen linksgrünen Anhänger die ihre Posten der Ampel und oder Merkel-Groko verdanken? Man hofft ja dass der deutsche Herdentrieb da mithilft, bzw. träumt davon, dass diese Leute ihre Ansichten an der Garderobe abgeben und sonst ihren Job nach Gesetzeslage machen, aber Zweifel bleiben. Und wenn sich diese bestätigen, muss man diese Leute loswerden. Und da komme mir auch keiner a la Sarrazin mit naiv-idealistischen… Mehr

Sonny
1 Tag her

Wer heute noch schuften geht, dem geht es nur um Nuancen besser als dem Bürgergeldbezieher. Einzige Chance ist ein hochdotierter Posten, am besten in der Politik. Da wird Nichtstun mit sehr, sehr viel Geld belohnt.
Wozu also noch arbeiten gehen?
Finde den Fehler.

Britsch
1 Tag her
Antworten an  Sonny

Wer nicht regulär angemeldet Arbeiten geht,
hat zusätzlich zum Geld das er /Sie umsonst bekommt, genügend Zeit nebenher „Kohle“ zu machen ohne jegliche Abzüge z.B. mit Autohandel, Handwerkliche Arbeiten, Dienstleistungen ganz nach Lust und Laune

LiKoDe
1 Tag her

Wie vielfach, wenn reaktionäre kleinbürgerliche SPDler [Bk Schröder, Kanzleramtsminister Steinmeier, …] etwas machen, wird etwas verschlimmbessert. Maria Pawlowa beschrieb in ihrem Buch: ‚fordern und achten‘, die Pädagogik A. S. Makarenkos in der RSFSR/UdSSR der 1920-30er Jahre. Unter Schröder und Steinmeier et al. wurde daraus ‚Fördern und Fordern‘, womit ‚Drohen und Zwingen‘ gemeint war und ist. Die Bürger sollten/sollen schlichtweg verramscht werden. Die sogenannten Hartz-Reformen dieser Kreise waren und sind das Dümmste, was Politiker in der Bundesrepublik seit derem Bestehen machten/machen. Denn mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die eine Arbeitstätigkeit in Deutschland, dann den Bezug von richtigem Arbeitslosengeld bis zu dessen… Mehr

Last edited 1 Tag her by LiKoDe
Aegnor
1 Tag her
Antworten an  LiKoDe

Sorry – aber das ist doch naive Träumerei. Man kann überspitzt gesagt aus einem Müllfahrer keinen Raketenwissenschaftler machen, auch durch die beste Ausbildung nicht. Ganz einfach weil den Menschen entweder die Intelligenz, die Motivation, das Durchhaltevermögen oder alles zusammen fehlen um die Ausbildung für höher qualifizierte Jobs zu absolvieren. Und bei den ganzen illegalen Immigranten fehlt allein schon die Schulbildung im jungen Alter. Das kann man nicht nachholen. Was Hänschen nicht lernt… Und im Gegenteil führen Produktivitätsfortschritte durch Automatisierung sogar dazu, dass viele gering-qualifizierte Jobs wegfallen werden. Die ganzen Ungelernten kann man dann durch Sozialhilfe/Bürgergeld/etc ruhigstellen oder zwingen Niedriglohnjobs (die… Mehr

Haba Orwell
1 Tag her

> Während Arbeitsverweigerer sich deshalb einen lauen Lenz machen, ohne irgendwelche Folgen fürchten zu müssen, rackern sich die braven Steuerbürger täglich ab, damit Hubertus Heil weiter Wohltaten verteilen kann.

Kein Wunder, dass in der Praxis immer weniger Leute motiviert sind, irgend etwas zu tun – zunehmend auch jene, die noch eine Stelle haben. Als Ergebnis funktioniert kaum noch etwas.