Die Presse ist das Korrektiv der Demokratie. In einer Gesellschaft, in der die Mehrheitsmeinung die politische Minderheit zu ersticken droht, muss sie Garant sein, dass der Einzelne eine Stimme hat. Es gibt mehrere Beispiele in der jüngeren Vergangenheit, die den Vorgang illustrieren, wie eine öffentliche Meinung das Denken der Mehrheit bestimmt und die Inhaber einer Gegenmeinung der Diffamierung anheimfallen. Es sind damit Beispiele des Presseversagens.
Dieses Presseversagen hat sich neuerlich gezeigt, als Gesundheitsminister Karl Lauterbach zugab, dass die von zahlreichen Medien kolportierte und von ihm übernommene These, die Impfung habe keine oder so gut wie keine Nebenwirkungen – eine Falschbehauptung ist. Die Minderheit lag richtig, die Mehrheit lag falsch. Dass nur ein Narrativ Bestand hatte, gar Bestand haben durfte, ist eine weitere Facette des Presseversagens.
Politische Entscheidungen sind dagegen Geschacher: Ab welcher Inzidenz eine Schule schließen durfte oder öffnete, war ein politischer Kompromiss. Er wurde nur mit Wissenschaft bemäntelt, folgte jedoch ganz eigenen Mechaniken. Auch hier: den Mechaniken der Mehrheiten, die bestimmte Parteien mit einem bestimmten Anteil an der politischen Macht ausgestattet hatten.
Alexis de Toqueville hat das Wort geprägt, dass der Einzelne verstummt, wenn die Mehrheit gesprochen hat. Es ist aber nicht nur die Aufgabe der Presse, die politische Minderheit zu Wort kommen zu lassen, damit diese nicht untergeht; es ist zugleich ihre Aufgabe, die Regierung zu kritisieren, um ihre Macht zu begrenzen. Auch diese Funktion steht auf dem Prüfstand, seitdem die AfD die Lohnliste von Journalisten in Staatssold ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt hat.
Deshalb ist es unerheblich, wie hoch die Lohnzahlung ist; und deshalb ist es wichtig, dass die Identität der Journalisten auf der Staatslohnliste aufgeklärt wird. Die Bundesministerien kaufen sie mit Steuergeldern ein; und die Bundesbürger haben ein legitimes Interesse, wofür diese ausgegeben worden sind und an wen. Insbesondere besteht ein solches öffentliches Interesse, wenn es sich um öffentlich-rechtliche Journalisten handelt, die zur Staatsferne verpflichtet sind.
Daneben existiert jedoch noch eine Zahl von Journalisten, über die sich die Bundesregierung gänzlich ausschweigt. Sie haben mit dem Bundesnachrichtendienst zusammengearbeitet. Hier beruft sich die Bundesregierung gar auf Staatsgeheimnisse. Bleibt die Frage: Für wen ist es gefährlich, die Summe preiszugeben, mit der Journalisten geködert wurden? Zitat aus der Antwort der Bundesregierung:
„Für den Bundesnachrichtendienst (BND) ist darauf hinzuweisen, dass die Beantwortung der Fragen aus Staatswohlgründen nicht erfolgen kann, weil Kooperationen des BND besonders schützenswert sind. Die einzelnen Kooperationspartner arbeiten mit dem BND nur unter der Voraussetzung zusammen, dass die konkrete Kooperation mit ihnen – auch nicht mittelbar – preisgegeben, sondern absolut vertraulich behandelt wird.
Dies bedeutet, dass die geheimhaltungsbedürftigen Informationen zu und aus der Kooperation nicht außerhalb des BND weitergegeben werden dürfen. Eine Offenlegung der Kooperationspartner würde das Ansehen von deutschen Nachrichtendiensten und das Vertrauen in diese daher weltweit erheblich schädigen. Dementsprechend bestünde die ernstzunehmende Gefahr eines weitreichenden Wegfalls von Kooperationsmöglichkeiten.
Würde die Bundesregierung die Informationen freigeben, so wäre zudem zu befürchten, dass Kooperationspartner ihrerseits die Vertraulichkeit nicht oder nur noch eingeschränkt wahren würden. In der Konsequenz könnte es künftig zu einem Rückgang oder zum Wegfall zukünftiger Vertragspartner und in der Folge zu einem Wegfall der Erkenntnisgewinnung der deutschen Nachrichtendienste kommen.
Zudem würde das Offenlegen von Vertragspartnern in Bezug auf vergütete Aufträge, Honorare oder sonstige Zahlungen (etwa für Moderation, Präsentation, Beratung, Expertisen, Interviews, Rhetorik- oder Sprachtraining usw.) durch den Bundesnachrichtendienst staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren eine belastbare Grundlage und einen erheblichen Mehrwert mit Blick auf deren Bestreben zur Informationsgewinnung bieten. Dies alles würde dem deutschen Staatswohl zuwiderlaufen. Dies hätte signifikante Informationslücken und negative Folgewirkungen für die Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen im Ausland zur Folge.“
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Nicht allein die Identität eines Journalisten oder die Art der Tätigkeit, sondern bereits die Gesamtsumme, die an Journalisten gezahlt wurde, die Aufträge aus dem BND annahmen, wird von der Bundesregierung als „staatswohlgefährdend“ eingestuft. Die Doppeldeutigkeit dieser Einstufung ist den Verfassern wohl nicht einmal bewusst.