Personalchaos im Bildungsministerium nach der Fördergeld-Affäre

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) – eine der schwächsten Besetzungen im Ampel-Kabinett – hat ihr Haus nicht im Griff. Nach der aus ihrem Amt geschassten Susanne Döring gerät nun auch der designierte neue Staatssekretär ins Zwielicht.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), Kabinettssitzung in Berlin am 3. Juli 2024

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) könnte für die (vormalige?) Bildungsnation Deutschland ein wichtiges Ministerium sein. Es ist dies aus zwei Gründen aber nicht: Weil in Sachen Bildung wegen des Föderalismusprinzips die 16 deutschen Länder weitestgehend das Sagen haben. Und weil dieses Ministerium an der Spitze seit Jahrzehnten schwach besetzt ist. Namen der Kategorie Klaus von Dohnanyi (SPD; 1972–1974) oder Heinz Riesenhuber (CDU; 1982–1993) tauchen an der Spitze dieses Ministeriums seit langem nicht mehr auf.

Immer wieder hat die FDP in der Hoffnung auf eine Schwächung des föderalen Prinzips die Leitung dieses Ministeriums für sich beansprucht: mit Jürgen Möllemann (1987–1991), Rainer Ortleb (1991–1994), Karl-Hans Laermann (1994) und zuletzt mit Bettina Stark-Watzinger (seit 8. Dezember 2021). Letztere dürfte als BMBF-Ministerin „Nummer 25“ eine der schwächsten Besetzungen an der Spitze des BMBF sein – einem Ministerium, das übrigens seit seiner Gründung als „Ministerium für Atomfragen“ im Jahr 1955 (an der Spitze: Franz Josef Strauß) immer mal wieder den Namen gewechselt hat.

Am 8. Juli erst hatte TE davon berichtet, dass es im BMBF seit 2022 in der zweiten Reihe der Spitze drunter und drüber geht. Staatssekretäre (parlamentarische und beamtete) kommen und gehen in kurzen Abständen. Zuletzt war die beamtete Staatssekretärin Susanne Döring von Ministerin Stark-Watzinger nach nur 16 Monaten Amtszeit geschasst und mit einem Schweigeverbot belegt worden. Susanne Döring hatte – angeblich ohne Wissen der Ministerin – intern Überlegungen angestellt, die in der Wissenschaftsszene als Einschränkung der Forschungsfreiheit skandalisiert wurden.

Hintergrund: An der Freien Universität Berlin (FU) hatte im April 2024 ein „propalästinensisches Camp“ den Campus besetzt. Dieses wurde auf Veranlassung der Universität am 7. Mai von der Polizei geräumt. In einem offenen Brief kritisierten rund eintausend Dozenten verschiedener Universitäten diese Räumung als Verletzung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Stark-Watzinger reagiert darauf so: „Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos.“ Nach Stark-Watzingers Ansicht werde in dem Brief „der Terror der Hamas ausgeblendet“.

In der Folge soll es im BMBF auf Veranlassung von Staatssekretärin Döring einen Prüfauftrag an die Fachreferate gegeben haben: Die sollten ermitteln, ob die Unterzeichner des Briefs strafrechtlich belangt werden könnten – und ob man ihnen Fördermittel streichen könne. Dies wiederum rief den Wissenschaftsbetrieb auf den Plan. Die Äußerungen bzw. Pläne der Ministerin seien ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit. Staatssekretärin Döring übernahm in einer internen Mail die Verantwortung und spielte das Ganze als „missverständliche Formulierungen“ herunter. In der Folge wurde sie in den einstweiligen Ruhestand versetzt und mit einem Schweigegebot belegt.

Designierter Nachfolger ist nun der hessische FDP-Mann Roland Philippi. (Auch Stark-Watzinger kommt aus Hessen.) Philippi ist seit 2022 Leiter der BMBF-Grundsatzabteilung und unter anderem für die Förderpolitik zuständig. Nun berichtet der „Spiegel“ am 11. Juli aus BMBF-internen Chatprotokollen, die Philippi in der Fördergeldaffäre als „Scharfmacher“ ausweisen. Die protestierenden Hochschullehrer soll er als „verwirrte Gestalten“ bezeichnet und von ihnen in ihrer Sorge um Fördermittel Selbstzensur erwartet haben. Die Ministerin selbst habe in diesem Chat nicht widersprochen, so der „Spiegel“.

Naheliegend: Stark-Watzinger war in irgendeiner Weise zumindest passiv in die Pläne zur Überprüfung der Förderwürdigkeit der protestierenden Professoren eingebunden. Staatssekretärin Döring hat also nicht nur eigenmächtig gehandelt. Deshalb nun das Schweigegebot, das Sabine Döring per Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin angefochten hat? Stark-Watzingers Sprecherin wollte die aktuelle „persönliche Kommunikation“ der Ministerin auf Nachfrage jedenfalls nicht kommentieren.

Fragezeichen über Fragezeichen

Die Fragezeichen um Ministerin Stark-Watzinger werden jedenfalls mehr und größer. Wird und kann sie an der Berufung von Roland Philippi festhalten? Oder wird der Parteifreund Philippi nach Sabine Döring schnell das zweite Bauernopfer? Die Opposition spitzt schon mal die Lippen. Die CDU/CSU-Fraktion verlangt, Stark-Watzinger solle ihrer ehemaligen Staatsministerin Sabine Döring erlauben, sich zu der Affäre zu äußern. CDU und CSU wollen vor allem, dass sich Döring im Bundestags-Bildungsausschuss äußern darf. Ein entsprechendes Schreiben hatte CDU-Bildungspolitiker Thomas Jarzombek an Bildungsstaatssekretär Mario Brandenburg (FDP) mit Bitte um Stellungnahme bis zum 17. Juli gerichtet.

Es wird jedenfalls immer enger für Stark-Watzinger, die zwar bislang nicht durch Eskapaden oder programmatische Verrücktheiten wie manch andere Kabinettsmitglieder aufgefallen ist, die aber doch eine der schwächsten Besetzungen im „Ampel“-Chaos-Club ist. Wie dort ja überhaupt die Personaldecke sehr dünn ist. Der allgemeine geklagte Fachkräftemangel und das allgemein sinkende Bildungsniveau haben schließlich längst auf den Ministersesseln Platz genommen. Das trifft auch auf die FDP zu, bei der man fragen muss, ob sie denn überhaupt noch so viele Mitglieder hat, wie sie hochkarätige Posten besetzen soll.

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Kommentare ( 18 )

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Martin Buhr
1 Monat her

Stark-Watzinger , Lindner , Buschmann … die Pilze auf der FDP-Pizza . Vater mach Licht ! Dadrunter kommen nur noch die Gruenen !

Europafriend
1 Monat her

„Politiker sind wie Windeln: Sie müssen oft und aus den gleichen Gründen gewechselt werden“ (G.B. Shaw, zit bei Dushan Wegner, 5.7.24)

karl.biermann
1 Monat her

„Zuletzt war die beamtete Staatssekretärin Susanne Döring von Ministerin Stark-Watzinger nach nur 16 Monaten Amtszeit geschasst und mit einem Schweigeverbot belegt worden.“
Susanne Döring ist es also verboten worden zu schweigen? Das wäre doch mal eine positive Meldung. Aber wohl kaum, es muß wohl Schweigepflicht oder Schweigegebot heißen.

Schwabenwilli
1 Monat her

„. In einem offenen Brief kritisierten rund eintausend Dozenten verschiedener Universitäten diese Räumung als Verletzung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit“

Man muss sich darüber im Klaren sein dass das was heutzutage als Lehrende an unseren Steuerfinanzierten Universitäten herumgeistert in der Regel Alt und Neo 68iger sind.
Es darf in diesem Zusammenhang nochmal darauf hingewiesen werden das im III Reich die politische Führung besonders viel Zuspruch aus den Reihen der Intellektuellen und der Kirchen bekommen hatte.

gast
1 Monat her
Antworten an  Schwabenwilli

Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet, dass jeder! seine Meinung äußern darf, ohne juristische oder berufliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Das hat die Ministerin vielleicht nicht ganz verstanden.

Karl Renschu
1 Monat her
Antworten an  gast

Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Steht an prominenter Stelle direkt hinter der Freiheit der Lehre im zweiten Satz des dritten Absatzes des fünften Artikels des Grundgesetzes.

Von daher besteht m.E. sogar die PFLICHT zur Prüfung der Möglichkeit der Streichung von Fördergeldern und ggf. der Entlassung der entsprechenden Personen in den Universitäten.

Herold
1 Monat her

Schweigeverbot wohl kaum
Schweige-Gebot war wohl gemeint

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Widerspruch! Welcher Minister soll bitte stärker als Stark-Watzinger sein? Mir fällt niemand ein, und möge jetzt bitte niemand Pistorius nennen, der das Wort „verteidigungsfähig“ durch „kriegstüchtig“ ersetzt hat und zwar vorsätzlich.

Adorfer
1 Monat her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Aber seitdem ist der doch der „beliebteste“ Minister. Habe ich gelesen, soll so sein oder ????

IJ
1 Monat her

Bildung ist mittel- und langfristig der einzige Rohstoff, den wir in Deutschland haben und daher essentiell für unser aller Wohlstand und Wohlergehen. Ein Mantra, das während Sonntagsreden auch gern gebetsmühlenartig von allen Parteien vorgetragen wird. Dass die Realität ganz anders aussieht und unter Rot-Grün-Gelb die bundesweite Bildungsförderung zu einer schamlosen parteipolitischen Ideologieförderung degeneriert ist, wundert mich überhaupt nicht. Es passt zum allgemeinen Abstieg Deutschlands infolge der Ampelpolitik.

Alleswasrechtist
1 Monat her

BSW ist sicher eine der schwächsten (Bundes-, evt. gar auch Landes-) Bildungsministernden. Aber in der dümmsten Regierung der Welt fällt sie nun gerade nicht weiter (negativ) auf. Jet-Set-Anna-100.000e-km-Lena ist m.E., nicht dass man meinte, es könne nach Zickzack-Heiko noch schlimmer kommen, eine im Vergleich noch unfähigere (Außen-) Ministerin, nicht zu vergessen die auf Einreise und Vollalimentation aller Afghanen sowie den Kampf gegen alles rechts von aber ganz scharf links spezialisierte One-Love-Nancy! Gemessen am angerichteten Schaden dürften diese beiden Koryphäen BSW locker übertrumpfen. Und ich habe noch gar nicht wirklich angefangen, den Schadensindex der Kabinettsmitglieder näher zu beleuchten, da ist noch… Mehr

spindoctor
1 Monat her

Je nun, mit den „verwirrten Gestalten“ hat er absolut recht – wenn überhaupt Kritik, dann weil es noch untertrieben ist.
Eine solcher „Professoren“clan ist Deutschlands unwürdig.

Audix
1 Monat her

„Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) – eine der schwächsten Besetzungen im Ampel-Kabinett“ Wirklich? Wer ist eigentlich weniger schwach??