Berliner Rücktrittsmüdigkeit: Die das Grauen nicht kennen

Es geht ein neuer Zug durch die Zeit. Politiker fehlen und verfehlen sich, verweigern aber die klassische Konsequenz, die früher bei öffentlichem Versagen anstand: Rücktritte sind selten geworden. Die Stadt Berlin bildet in zweifacher Hinsicht, in Bund und Land, das Biotop und Labor dieser Bewegung.

Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images

In dieser Geschichte gibt es Helden und Antihelden. Paradoxerweise sind es die Helden, die fallen, während ihre Gegenbilder stehen bleiben. Strahlende Gestalten, wie man sie aus Mythos und Legende kennt, gibt es freilich auf beiden Seiten nicht. Dazu ist die Politik wohl ein zu heikles, zu irdisches Geschäft.

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Die Rede ist von Rücktritten und ihrer Vorgeschichte, von den hinreichenden Bedingungen einer bundesrepublikanischen Politikerdemission und ihrer längstmöglichen Hinauszögerung. Früher ging so etwas schnell. Ein falsches Wort zu viel, und man war gegangen. Heute gehört eine gewisse Umstrittenheit vielleicht einfach dazu, wenn man als Politiker noch etwas gelten will. Man ist sich unsicher, wer den Rekord im Trotz-guter-Gründe-noch-nicht-Zurücktreten hält. Ist es am Ende das dunkle Zentrum der Macht selbst, die verschlossene Rautenträgerin, in deren Herz mittlerweile kaum einer etwas anderes als Pragmatismus und Machtwille lesen kann?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Angela Merkel an ihrem Stuhl klebt. Vielleicht will sie in ihrer Restlaufzeit noch einiges gut machen, was in vierzehn Jahren Kanzlerschaft ›nicht so gut gelaufen‹ ist. Die große Libyen-Konferenz und ihre wiederholten Kniefälle in Ankara deuten darauf hin. Dabei sind Merkels Felle schon seit längerem ins Schwimmen geraten. In dem Maße wie die Migrationskrise seit dem Herbst 2015 in das allgemeine Bewusstsein getreten ist, gingen die Verluste der CDU – später auch der CSU – deutlich über das hinaus, was gemäß einem physikalischen Gesetz nach einer langen Regentschaft zu erwarten war (einen Überblick bietet der SPD-Politologe Frank Decker hier).

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So verlor die CDU im März 2016 fast 500.000 Stimmen oder zwölf Prozentpunkte gegenüber der letzten Wahl in ihrem Stammland Baden-Württemberg. Nach einer Atempause ging es im September 2017 mit einer verlorenen Bundestagswahl weiter, bei der die CDU alleine fast eine Viertel Millionen Stimmen einbüßte und ohne die CSU auf 26,8% Stimmenanteil (–7,4 Prozentpunkte) niedersank. Hessen ein Jahr später und die Wahlen zum EU-Parlament im Mai 2019 waren die nächsten Tiefpunkte mit heftigen Einbußen bei der Stammklientel. Prozentuale Verluste in Sachsen und Brandenburg folgten, wo es vor allem die Mobilisierung von Nichtwählern durch die AfD war, die den Stimmenanteil der CDU dezimierte. Beides zusammen – die Einbrüche im Westen und die stärkere Mobilisierung im Osten – verheißen nichts Gutes für die Zukunft der Partei.

Nachdem bei der Hessen-Wahl am 28. Oktober 2018 allen deutlich geworden war, dass es die Politik der Kanzlerin war, die die Landes-CDU auf 27% gebracht hatte, ging Merkel in die Offensive, übergab wohl das Haus an einen noch zu bestimmenden Nachfolger, nicht aber den Hof, und tat ansonsten so, als wäre man sie bald auch als Kanzlerin los. Scheinbar edelmütig kündigte sie den Verzicht auf eine weitere Spitzenkandidatur an – natürlich im Bewusstsein, dass die nächsten turnusgemäßen Wahlen noch lange hin waren und man sich im Falle des Falles noch umentscheiden konnte.

Nach der verlorenen Wahl in Großbritannien machte übrigens auch Noch-Labour-Chef Jeremy Corbyn »die Merkel«, wollte zwar zurücktreten, aber erst mal Haus und Hof ordnen und sein Amt an einen gefälligen Nachfolger übergeben. Das ist eine der Kunstfertigkeiten, die es zum verzögerten Rücktritt braucht: Man muss den Unmut im Wahlvolk aufnehmen und ihn kanalisieren, zugleich aber auf verborgenen Wegen persönliche Standfestigkeit beweisen. In dem Letztgenannten dürfte die unbewegliche Netzwerkerin aus dem Kanzleramt so gut sein wie kaum eine sonst.

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Da verwundert es nicht, dass auch das Kabinett ähnlich agiert wie die Chefin. Ein ganz besonders charmanter Klammeraffe ist unser aller Horst Seehofer, der seit seinem gescheiterten Aufstand gegen die Migrationspolitik der Kanzlerin im Sommer 2018 eigentlich keine Berechtigung mehr am Kabinettstisch hat. Legendär sind seine Sottisen auf Pressekonferenzen, doch davon blieb kein ›Flüchtender‹ den deutschen Grenzen fern. Zudem tat sich Seehofer seit dem Scheitern seiner rechtsstaatlichen Ambitionen als Retter aus Seenot hervor, forderte immer wieder ein Viertel der Geretteten für Deutschland. Wo Angela Merkels Rücktritt ethisch geboten erscheint, weil sie ihrem Amtseid nicht ausreichend nachgekommen ist, wäre Seehofers Rücktritt einer aus Ehre und Selbstachtung gewesen. Er hat für das Richtige gekämpft und ist unterlegen.

Aus Einsicht ins eigene Scheitern müsste natürlich eine ganze Reihe von Ministern zurücktreten, unter anderen Heiko Maas wegen nationaler wie internationaler Farblosigkeit, Peter Altmaier für den monströsen Gedanken eine nationalen Industriepolitik, vielleicht sogar Hubertus Heil für die sentimentalen Namen seiner Gesetzesentwürfe, die doch nicht das bewirken, was sie sollen. Auch Ursula von der Leyen klebte einst an ihrem Ministersessel, bis sie nach Brüssel in einstweilen noch ätherischere Höhen der politischen Verantwortungslosigkeit entschwand.

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Charakteristisch für Seehofers ganzes Politikverständnis sind dabei die periodischen Wiederbelebungsversuche, die er an einer anderen Politikerfigur vornimmt, dem gefallenen Karl-Theodor zu Guttenberg, der aber bisher zu klug war, sich erneut in die deutsche Politik zu begeben. An diesen glücklosen Reanimationsversuchen könnte man erkennen, dass es dem Innenminister im Großen und Ganzen um Form, nicht um Gehalt geht. Die Aura des Jungpolitikers zu Guttenberg war damals allerdings phänomenal. Als er nach New York flog, um Opel zu retten, hörte man auch öffentlich-rechtlichen Nachrichtenverlesern die Ehrfurcht an. Kein Wunder also, dass der fränkische Jung-Siegfried bald einem Drachen erlag. Er selbst war’s ja bald zufrieden.

Doch gehen wir zurück ins Kabinett. Besonders erfolgreiche Nachahmer hat die Kanzlerin nämlich auch dort gefunden. Das neueste Beispiel ist der glücklose Verkehrsminister Andreas Scheuer, der von seinem Vorgänger das Vorhaben einer Autobahn-Maut für Durchreisende übernahm und sich zu wenig um die ausstehende Zustimmung des Europäischen Gerichtshofes kümmerte. Scheuer, der auch schon den Verlust seines Doktorgrades verschmerzen musste, könnten nun zwei, drei Unterschriften zu viel zum Verhängnis werden. Im TV-Tribunal bei Markus Lanz schlug er sich tapfer und verwies auf seine gegenüber dem EuGH »andere Rechtsauffassung«. Auch eine Methode: Eigensinn beweisen. Mancher Wähler erkennt vielleicht einen Rebellen darin.

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Dass Scheuer mittelfristig bleibt, scheint aber auch angesichts der Jagdfanfaren Markus Söders eher unsicher. Laut einer Umfrage des Instituts GMS ist die Beliebtheit der CSU-Bundesminister bei den Bayern allenfalls noch mittelmäßig. Dabei markieren Seehofer mit 65% und der Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (61%) noch etwa den durchschnittlichen Unbeliebtheitswert des Kabinetts Merkel IV, den Scheuer mit 85% deutlich überschreitet. Solche Ablehnungswerte muss man sich freilich erarbeiten. Doch das ist leicht, wenn man von seinem Vorgänger ein verfassungsrechtlich schwieriges Projekt übernimmt und voreilig ein paar Verträge schließt, die den Steuerzahler nach dem Scheitern des Projekts dreistellige Millionenbeträge kosten.

Besonders virtuos ging Familienministerin Franziska Giffey mit der Skandalmaschinerie um. Die gebürtige Brandenburgerin aus Frankfurt an der Oder ist für die SPD in etwa das, was Guttenberg für die CSU war – was ihr Superkräfte erklären mag. Als Vorwürfe laut wurden, nach denen es auch in ihrer Doktorarbeit nicht mit ganz rechten Dingen zugegangen sein soll, gab die Politikerin einfach ein Statement heraus: Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, werde sie als Familienministerin zurücktreten. Außerdem wolle sie am Ende doch nicht um den SPD-Parteivorsitz kandidieren (etwas anderes hatte sie auch vorher nicht bekanntgegeben). Das gleicht in etwa der Methode Merkel: Kraftvoll in die Defensive gehen, dem Gegner ein, zwei Zugeständnisse machen und weitermachen.

Die Interimsvorsitzende Malu Dreyer gab die intimen Bekenntnisse der Franziska Giffey zu ihrer Partei damals so wieder: »Franziska Giffey hat erklärt, dass sie nicht für den Vorsitz der SPD kandidieren werde. Sie hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, weil sie eine Sozialdemokratin durch und durch ist. Sie hat erklärt, dass sie nicht zulassen wolle, dass das anhängige Verfahren zur Überprüfung ihrer Doktorarbeit den Prozess der personellen Neuaufstellung der SPD überschattet.« Dass sie die Karriereleiter nicht auch noch hochfallen wollte, konnten Wohlmeinende der Ministerin als Bescheidenheit auslegen. So lässt sich alles, auch das Peinlichste, zum eigenen Nutzen drehen, solange man nur als brave Soldatin das Wohl der Partei vor das eigene stellt.

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Ganz nebenbei sind wir so in einer, vielleicht der zentralen Lösungskurve unserer kleinen Untersuchung angelangt: dem Parteienstaat. Personen, so lernen wir, sind unwichtig, da austauschbar. Sie halten sich, soweit es das Parteigerüst darunter will, das laut der holden Theorie eine Abart demokratischer Legitimation verschafft. (Der Demos ist natürlich stets größer, als eine einzelne Partei sein kann.) Zeugnisse dieser Verparteilichung, ja Parteiwerdung von Staats- und Kommunalämtern konnte man jüngst wieder im Land Berlin studieren. Die Grünen sind hier, dank der anhaltenden Ökohipness in zentralen Bezirken, zu einer stabilen Mittelmacht geworden, deren Einfluss kaum so bald zurückgehen dürfte. Man probiert sich also aus. Was Habeck und Baerbock vorerst nur auf Parteitagen abfeiern können, kann hier – an berufenem Ort – schon mal an der Realität ausprobiert werden.

Das versuchte zum Beispiel Monika Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin des »Hanfbezirks« Friedrichshain-Kreuzberg, mit der Verknüpfung von Migrationstoleranz und Drogenhandel. Beide Themen vermengte die laut eigenem Bekenntnis etwas großschnäuzige Politikerin, indem sie überwiegend westafrikanische Migranten über fünf Jahre eine Kreuzberger Schule sowie den Oranienplatz besetzen ließ. Zeitweise weitete sich der Aufstand auch auf den Platz vor dem Brandenburger Tor aus. Als die Besetzungen schließlich aufgelöst wurde, ließ sich ein Großteil der Westafrikaner als Drogenhändler am nahegelegenen Görlitzer Park nieder. Auch Herrmann bestreitet den Zusammenhang nicht. Trotzdem zieht sie keine Konsequenzen, will einfach weitermachen, bis ihre Amtszeit gemütlich ausläuft. Die Wähler scheinen es zu ertragen. Schon 2014 wurde sie ja vom Stadtmagazin »tip« zur peinlichsten Berlinerin gewählt, weil sie sich – in der Tat – »für alles nie so richtig verantwortlich zeigen wollte«.

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Unter Herrmann ›dient‹ auch Florian Schmidt dem »Hanfbezirk« als selbstberufener – und inzwischen kann man wohl sagen: berüchtigter – Baustadtrat und versucht die Verkehrs- und Wohnungssituation in rotlinksgrüner Richtung zu revolutionieren. So baut er den Berliner Autofahrern geradezu hingebungsvoll die Straßen zu. Daneben hat er teils mit öffentlichen Geldern eine Genossenschaft gegründet, der er höchstpersönlich per Vorkaufsrecht möglichst viele Mietshäuser zuschanzen wollte. Das sollte angeblich im Kampf gegen steigende Mieten helfen. Am Vorkauf eines Hauses in der Rigaer Straße verhoben sich der Stadtrat und die von ihm begründete Genossenschaft »Diese eG« allerdings so gründlich, dass die Mietergenossenschaft fast insolvent ging und dem Bezirk ein Schaden von mindestens 190.000 Euro entstand (TE berichtete). Die »Diese eG«, die ein so schönes, kibbuzartiges Wohnraummodell zu sein scheint, hat laut einem Bericht vom vergangenen November 50 Millionen Euro an Verbindlichkeiten angehäuft, dabei aber noch kein »belastbares Finanzierungskonzept«. https://www.tagesspiegel.de/berlin/streit-um-vorkaufsrecht-in-berlin-steht-die-wohngenossenschaft-diese-eg-vor-der-insolvenz/25230432.html

Von grüner Machtfülle und Verantwortungsflucht

Doch die grüne Bezirkssaga setzte sich fort. Wie Verordneten der SPD-Fraktion im Januar 2020 auffiel, hatte Schmidt in den Akten zu dem umstrittenen Vorkauf einige, vielleicht entscheidende Fachkommentare weggelassen. Dass es sich dabei um kritische Vermerke handelte, legte der Grüne bald selbst nahe. In einer vertraulichen Sitzung erklärte er den SPD-Verordneten, er habe durch die selbstgerissenen Aktenlücken verhindern wollen, dass die Inhalte »von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegels zur politischen Agitation genutzt werden«. Ein grüner Stadtrat fürchtet sich vor Opposition und freier Presse. Mit dieser Nachricht ging die Bezirks-SPD an die Öffentlichkeit und forderte ultimativ bis zum 27. Januar Aufklärung von Schmidt, andernfalls er als Stadtrat nicht mehr tragbar sei. CDU, FDP und AfD folgten und forderten in unterschiedlicher Intensität den sofortigen Rücktritt Schmidts.

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Schmidt und das links-grüne Bezirksamt begannen sich zu winden: Ja, es sei zu »formalen Fehlern« gekommen. Auch taten ihm die »misslichen und unangebrachten« Äußerungen aus der vertraulichen Sitzung recht leid. Das Akteneinsichtsrecht sei »ein hohes Gut, dessen Schutz und Gewährung elementar für die demokratische Kontrolle staatlichen Handelns ist«. Doch zurück trat er auch nicht, lässt stattdessen die Akten wochenlang durch das Landesrechnungsamt prüfen, so dass die SPD ihr Ultimatum leider verschieben musste.

Nun ist eine Strafanzeige von CDU und FDP gegen Schmidt raus, wegen Urkundenfälschung, Falschbeurkundung und Urkundenunterdrückung. Nachdem Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann »disziplinarische Maßnahmen für unnötig« erklärt und die Vorwürfe als »haltlos« abgetan hatte, sah man keine andere Möglichkeit mehr, twitterte Marlene Heihsel von der FDP. Die SPD will sich offenbar Zeit lassen, stellt aber die Grundsatzfrage an den Grünen: »Akzeptiert er das demokratische System? Wenn nicht, muss er gehen.« Die CDU erwägt nun einen Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus der Stadt.

Das »Handelsblatt« stellte fest, dass auch die Grünen »ihren Politikstil ändern, wenn sie mit großer Machtfülle ausgestattet sind«. Da würden »mitunter demokratische Grundprinzipien wie Oppositionsrechte und Pressefreiheit zu störenden Nebensächlichkeiten, die sich den guten Zielen grüner Politik unterzuordnen haben«.

Gott sei Dank, hat Giffey noch einen Koffer in Berlin

Nun ja, das politische Personal in der Berliner Landespolitik ist bekanntlich nicht das beste. Rücktrittsforderungen sind da keine Seltenheit, doch auch hier wird ihnen kaum nachgekommen. So stand Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) letzten Sommer in der Kritik, weil sie die Themen Unterrichtsausfall, Schulausbau und Unterichtsqualität nicht in den Griff bekam. Angeblich fehlen derzeit 26.000 Schulplätze im Hauptstadtstaat. Das Problem will man mit »Fliegenden Klassenzimmern«, Pavillons und »Holzbau-Erweiterungsbauten« in den Griff kriegen. Bildungserfolge garantiert das freilich nicht. Seiteneinsteiger, die aufwendig nachqualifiziert werden müssen, sind jedenfalls laut Scheeres eine Bereicherung für die Schulen. Die Gegenfrage der »Berliner Zeitung« ist allerdings gewitzt: »Braucht es dann überhaupt noch klassisch ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer?« Die Senatorin bejahte das nachdrücklich.

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Auch eine andere Figur, die sich mit der Vergemeinschaftung von Wohnraum in Berlin hervortat, Wohnungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke), wurde bald, nachdem sie ihr Werk begonnen hatte, mit den ersten Rücktrittsforderungen konfrontiert. Diese kommen seit letztem August sogar schon aus der SPD, also dem Koalitionspartner, der auch den Regierenden Bürgermeister stellt. »Sie ist eine Fehlbesetzung, sie schadet dem Wirtschaftsstandort Berlin, sie muss Platz für Kompetenz und Sachverstand machen und zurücktreten«, sagte der SPD-Mittelstandsbeauftragte Harald Christ. Folgen: keine. Warum also musste Lompscher noch nicht gehen? Die Erklärung gibt der Parteienstaat: Solange SPD-Müller – noch so ein Farb- und Profilloser – mit den Linken koalieren will, hat deren Parteiführung die Verfügungsgewalt über die ihr laut Vereinbarung zugestandenen Senatorenämter. So wird es gehandhabt, ob in Bund oder Ländern. Man muss also erst die Partei eines Politikers davon überzeugen, dass er eine Belastung und rücktrittsreif ist, bis er dann auch wirklich Platz macht.

Franziska Giffey – der laut der Berliner taz »vor nix graut« – scheint inzwischen reif für diese Veranstaltung sein und könnte das Berliner Niveau vielleicht sogar etwas anheben. Giffey lässt sich elegant zurückfallen, erst mal auf den Berliner SPD-Co-Vorsitz (auch hier soll eine Doppelspitze installiert werden), später zieht sie vielleicht in die Berliner Senatskanzlei und gibt das schwere Bundesministerinnenamt auf. (Was waren da noch gleich ihre Flaggschiff-Projekte? Ach, richtig: Gute-Kita-Gesetz, Starke-Familien-Gesetz, Ganztagsbetreuung für alle.) In der Berliner Landespolitik kann sie vielleicht weiter die ›Guttenbergin‹ der SPD sein. Zumindest die Hauptstadtpresse scheint die Rückkehr nach Berlin zu begrüßen: Lieber eine »frohsinnige Giffey« als einen ratlosen Müller. Vielleicht kommt dann sogar eine rot-schwarz-gelbe Koalition anstelle von Linksrotgrün. Giffey ist bekanntlich die Ziehtochter des Neuköllner SPD-Rebellen Heinz Buschkowsky und gilt als Rechte in der Partei. Ob das mit mehr Kompetenz und weniger Rücktrittsgerangel einherginge, bleibt allerdings unsicher.

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Kommentare ( 14 )

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reiner
4 Jahre her

es ist noch jede menge einfluß der alliierten zu spüren,da können die monstranzträger 2+4 vertrag sagen,was sie wollen.

Sonny
4 Jahre her

So lange die Bürger dieses Landes ihren Allerwertesten nicht vom Sofa hochkriegen, so lange werden wir einem Parteiensystem unterworfen sein, dem wir mit Wahlen nicht mehr beikommen können. Der ehemals augenzwinkernde Spruch, „Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten“, ist grausame Wahrheit. Bis diese Erkenntnis bei allen durchgedrungen ist, sind Fakten geschaffen worden, die unsere gewünschte Demokratie ad absurdum geführt haben werden. Dieses System verschwindet nicht von selbst und die Selbstbereicherungsmentalität verbunden mit fast absoluter Straffreiheit beim Zuwiderhandeln gegen den Amtseid ersticken mittlerweile jeglichen Demokratieansatz im Keim. Wir brauchen eine Bürgerbewegung, die optimistisch und realistisch für eine Zukunft Deutschlands… Mehr

reiner
4 Jahre her
Antworten an  Sonny

na dann müßte man mal bei den gelbwesten in frankreich nachfragen. denke aber,wenn so etwas hier passiert wie in frankreich,wird der nationale notstand ausgerufen, denn som etwas ist keiner von diesen politmarionetten gewohnt.

H. Priess
4 Jahre her

Früher nahmen Politiker ein Amt an und damit die Würde eines Amtes. Heute ist es ein Job wie jeder andere den jeder Depp erledigen könnte wenn er einige Vorraussetzungen mitbringt wie z.B. die Fähigkeit überzeugend zu lügen, die Fähigkeit seine Wähler zu verachten, die Nibelungentreue zu seiner Führung egal welche Partei und noch einige, für den Normalbürger, unangenehme Fähigkeiten. Die Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen und die Konsequenzen zu tragen da sie beides nicht kennen. Sei es wie es sei, sie sind vom Volk gewählt und nun müssen wir mit einem großen Anteil Politiker leben deren Charakter ich eher für zweifelhaft… Mehr

Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Das mit den ausstehenden Rückblicken ist weder geschichtlich noch geographisch neu. Das gab es schon zu Zeiten der alten Römer.

Eloman
4 Jahre her

In dieser Klapsmühle tragen die Irren die weißen Kittel (courtesy H. Broder)

Johann-Thomas Trattner
4 Jahre her

Leider sind bei der derzeitig einzigen parlamentarischen Oppositionspartei – der AFD – noch zu viele Egomanen und Laienschauspieler unterwegs, abgesehen von einigen Wirrköpfen am Rand. Die bekommen es einfach nicht hin diese Steilvorlagen politisch richtig zu nutzen. Schade.

J. Werner
4 Jahre her

Je mehr unfähige, verdeckt korrupte Postenjäger da sind, um so stärker ist die Solidarität untereinander. Es wird um die “ angeschlossenen“ Hohen Tiere einfach eine Wagenburg gebildet. Die Phalange der linksgrünen Versager, Selbstversorger und Phantasten braucht das Feindbild der “ Rechten und Nazis“, um ihre schamlos betriebene Deindustrialisierung und Hypermoralisierung weiter voran zu treiben.Der Endpunkt wird dann erreicht, wenn eine maximale linksgrüne Nichtskönnerkaste wie derzeit in Caracas 2021 die weltweite Führung bei Enteignung, Unterdrückung und Ökodiktatur übernimmt. Abgeschirmt dann von dem „DDR-Sandfrauchen“ Merkel als Guterres-Nachfolgerin und dem “ Schneewittchen“ Ursula vdL bei den Brüsseler Gnomen, können sich die Kobolde bei… Mehr

Sonny
4 Jahre her
Antworten an  J. Werner

Die Wagenburg soll ja dann ein Burggraben um das Regierungsgebäude in Berlin vervollständigen, damit der hochherrschaftliche Politiker vor dem Plebs geschützt wird.

Hosenmatz
4 Jahre her

Inkompetenzen, Fehltritte, Affären, Doktor-Schwindel, Selbstbereicherungen, AWO-geklüngel, Vetternwirtschaft, Skandale etc., alles kein Thema, aber eine vermurkste Steuererklärung des Herrn Gauland quer durch die Presse jagen.

Es sind nicht die Maßstäbe, es sind die doppelten Maßstäbe, die mich **! (plagiiert von H. Danisch)

Paul Pimmel - der Herr des Kosmos
4 Jahre her

Der „Grüne Mann“ der keltischen Kunst zeigt ein Gesicht, dem Pflanzenranken aus Mund und Ohren wachsen. Man kann sich vorstellen, dass am anderen Ende dann wohl auch Wurzeln entspringen, die eine feste Verankerung im Sessel garantieren. So geht eben grün.

Karl Napf
4 Jahre her

Zuruecktreten? Deutsche Politiker?
Die sind geschlossen vom gesunden Menschenverstand zurueckgetreten.
Die restlichen IQ Ounkte im einstelligen Bereich werden zum Regieren genutzt.
Das Ergebnis sieht man.