Bikini-Verbot in Katar: Beachvolleyballerinnen zeigen mehr Rückgrat als ihr Verband

Ein Beachvolleyball-Turnier für Frauen im Emirat Katar soll mit knielangen Hosen bei 30 Grad stattfinden. Die religiösen Regeln wollen es so. Für zwei deutsche Sportlerinnen ein No-Go.

IMAGO / GEPA pictures

Endlich ist es soweit: die Welt scheint wieder aus der Corona-Schockstarre zu erwachen. In Neuseeland finden Rockkonzerte mit Zehntausenden Zuschauern statt und auch größere Sport-Events werden wieder geplant. Ende Januar verkündete der Weltvolleyballverband FIVB, dass die die FIVB World Tour, eine interkontinentale Turnierserie für Beachvolleyballer, schon im Februar und März diesen Jahres in Doha stattfinden wird. Die Besonderheit: Nach sieben Männerturnieren in Folge sind bei dem Event in Katar nun erstmals auch Frauen-Wettkämpfe geplant. Es ist erst das zweite Mal, dass ein Frauen-Turnier auf der arabischen Halbinsel stattfindet – das erste wurde 2008 in Dubai ausgetragen. 

Beachvolleyball in Katar? Wo Frauen normalerweise vollverschleiert sind, sollen sich nun schwitzende Frauen in knappen Bikinis Bälle zuspielen? Nicht ganz. Die Regierung des Emirats, das auch immer wieder wegen der Unterstützung islamistischer Vereinigungen in der Kritik ist, hat vorgesorgt: Niemand in dem muslimischen Land soll durch zu viel weibliche Haut verärgert werden. So teilte vor Kurzem der Volleyballverband allen antretenden Sportlerinnen mit, dass sie bei diesem Turnier in langen Klamotten spielen sollen – aus Rücksicht auf die Kultur und Tradition des Landes. Statt kurzem Sport-Bikini sind diesmal T-Shirts und knielange Hosen angesagt.

Heft 03-2021
Tichys Einblick 03-2021: Es reicht.
Doch da wollte das deutsche Beachvolleyball-Duo Julia Sude und Karla Borger nicht mitmachen. Als die Sportlerinnen von der Kleider-Verordnung erfuhren, sagten sie kurzerhand ihre Teilnahme am Turnier ab. Borger erklärte: „Unser Sport ist verdammt anstrengend. […] Wir passen uns in jedem Land an, wo wir können. Aber wir sind es einfach nicht gewöhnt, bei solchen Temperaturen mit dieser Kleidung zu spielen.“ Bei erwarteten Temperaturen von 30 Grad verständlich. Dafür wird den Frauen im Netz jetzt Rassismus vorgeworfen, „Armselig“ schreibt ein Nutzer. 

Arye Sharuz Shalicar, deutsch-persisch-israelischer Publizist und Autor von „Der neu-deutsche Antisemit: Gehören Juden heute zu Deutschland?“, kommentierte die Absage auf Twitter: „Diese zwei Sportlerinnen haben mehr Rückgrat, als viele ‚feministische‘ Politikerinnen, die sich problemlos Frauenfeindlichen Vorschriften unterordnen.“

Er spielt damit vermutlich auf Claudia Roth (Grüne) an, die bei ihrem Iran-Besuch 2015 lächelnd ein Kopftuch trug. Oder auf Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die 2018 verkündete, dass Burkinis im Schwimmunterricht in Schulen schon in Ordnung seien. 

Man schaue sich an, was die Sportlerinnen beim letzten Frauen-Volleyball-Turnier in Dubai anhatten (hier gibts Fotos). Die glücklichen Siegerinnen aus den USA trugen bei der Medaillenvergabe etwas Bodenlanges, das ein bisschen aussah wie zu lange Fußballer-Trikots mit langen Ärmeln.  

Dieses Siegerbild wirkt wie ein Kompromiss, wo es keinen Kompromiss geben sollte, nämlich wo es um die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper geht. Es wäre die Aufgabe des Verbandes gewesen, in Katar ein aufgeklärtes Frauenbild zu verteidigen. Der Verband hätte dafür kämpfen müssen, dass seine Sportlerinnen auch in einem muslimisch geprägten Land die knappe Sportbekleidung tragen können, die für Beachvolleyball optimal und üblich ist. Egal, was einheimische Frauen in Katar sonst tragen müssen und egal, wer sich in Katar dadurch unanständig erregt oder provoziert fühlt.

Dies hat der FIVB offensichtlich versäumt. Von deutschen Politikern wird er dafür nicht gerügt – devotes Verhalten gegenüber autoritären Regimen ist schon lange Gang und Gäbe. Man denke nur an Merkels Auftreten gegenüber Erdogan oder an Maas‘ Nachgiebigkeit angesichts des iranischen Atomprogramms. Deutsche Sportverbände bemühen sich offenbar ebenso wenig wie deutsche Politiker die Werte des freien Westens hoch zu halten. Gut, dass zumindest zwei deutsche Sportlerinnen es tun! 

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Kommentare ( 71 )

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olympos
3 Jahre her

Dem Verband geht es nur um €€€€€€€€

D. Ilbert
3 Jahre her

Es sind „die Regierungen“, die uns „zu Tode tolerieren“ 1980 noch wurde von etlichen Regierungen die Teilnahme ihrer Sportler an den olympischen Spielen in Moskau verhindert. Man versuchte die UDSSR zu disziplinieren, auf daß diese ihre Truppen aus Afghanistan abziehen möge. Heute sind alle „gut Freund“ miteinander. Da wird Niemand mehr diszipliniert.Mögen auch manche dabei sein, die gerne ihre Frauen beschneiden, Sex mit Kindern (Kinderehen) gut heißen, Homosexuelle an Baukränen aufhängen, Selbstmordkommandos losschicken oder befürchten, Männer die einer Bikini-Frau ansichtig werden, könnten die sexuelle Selbstkontrolle verlieren. Ob das eine gut oder das andere besser wäre, vermag ich nicht zu beurteilen.… Mehr

Manfred_Hbg
3 Jahre her

Gut so wie sich diese beiden Sportlerinnen entschieden und was getan haben; nämlich dieser sportl. Veranstaltung in Katar einfach abgesagt haben! Sollen sich dort doch die anderen Sportlerinnen einer frauenfeindlichen „Religion der Liebe“ unterwerfen und sich von den muslimischen HERRschaften erniedrigen lassen.

Wenn mir ein Land z.B wegen den dortigen muslimisch-religiösen Altertumsdenken und Männlichkeitswahn nicht gefällt, dann fahre ich dort eben auch nicht hin. Basta! Außerdem unterstützen diese Sportlerinnen dadurch zB auch die iranische Mädels und Frauen die sich gegen das Kopftuch tragen müssen auflehnen und dafür teils sogar ins Gefängnis müssen.

Marcel Seiler
3 Jahre her

Natürlich haben die beiden alle Freiheiten, nicht nach Doha zu fahren. Besonders begrüßen tue ich allerdings deren Entscheidung nicht. Sich dort maßvoll anzupassen (T-Shirt und knielange Hosen sind keine Burka) gäbe das Signal, dass man die Kultur in einem fremden Land in angemessener Weise respektieren muss, dass in Deutschland etwa Kopftuch, Burka und Gebetsrufe völlig unangemessen sind.

Begrüßt hätte ich es, wenn die beiden nach Doha gefahren wären unter Aufforderung an die Regierenden hier, von den Muslimen in Deutschland ein Verhalten zu verlangen und durchzusetzen, das der deutschen und europäischen Tradition der Aufklärung, Menschenwürde und der Offenheit westlicher Gesellschaften entspricht.

Marcel Seiler
3 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

Wenn es nur darum geht, dass die beiden nicht in Sand und Hitze spielen wollen, weil das in der falschen Kleidung so unangenehm ist – warum wird dann hier so ein politischer Bohei darum gemacht, als sei es das größte politische Statement seit langem? Also: Entweder es ist ein politisches Statement, dann muss es politisch kommentiert werden. Oder es ist eine praktische Frage – aber warum gibt es dann hier einen Artikel?

reiner
3 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

mal ganz davon abgesehen ob der artikel hier erscheint oder nicht ist anscheinend die toleranz in nicht kleinen teilen der hiesigen bevölkerung so weit fortgeschritten,dass eine objektive beurteilung nicht mehr möglich ist..wenn ich den shitstorm wieder sehe,gegen die beiden,fasse ich mir an den kopf. während sämtliche zugewanderten oder geduldeten gruppen hier im lande herum laufen können,wie sie wollen und es schon little ankara oder kabul gibt ,sollen wir uns überall anpassen. so etwas nenne ich echte ,,gleichheit,, die sogenannte toleranz ist nichts anderes als schwäche und das wird auch selbst von denen so gesehen,die das hier ausnutzen.dier daraus resultierenden diskussionen,,keine… Mehr

Schwabenwilli
3 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

Man sollte Sport und sportliche Veranstaltungen nicht mit Politik oder Religion vermischen. In Deutschland versuchen ständig irgendwelche islamischen Organisationen Burka und Gebetsrufe durchzusetzen. Es ist auch nicht Aufgabe dieser beiden Sportlerinnen, würden sie tatsächlich nach Doha fliegen, in Katar auf das Verhalten von Moslems in Deutschland hinzuweisen. Ich habe lange genug in Doha gelebt um ihnen zu sagen dass diese Kleiderordnung bei einer Sportveranstaltung nicht notwendig gewesen wäre. Es handelt sich ja auch hierbei um eine international anerkannte Sport-Arbeitskleidung. Die öffentliche religiöse Heuchelei und das private verhalten viele Kataris außerhalb ihres Landes besagt alles. Die beiden Sportlerinnen haben mehr als… Mehr

Manfred_Hbg
3 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

Gut gesagt, ich stimme Ihnen absolut zu.

Hinzu hätte Katar aber auch noch die Möglichkeit gehabt sich gegen diese für sie zu „freizügige“ Sportart und Veranstaltung zu entscheiden. Haben sie in Katar aber nicht. Warum wohl nur?

Schwabenwilli
3 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

„(zusätzlich trockene Luft, kaum Feuchtigkeitsgehalt in der Luft, heißen Sand unter den Füßen)“

Da muss ich sie korrigieren die Luftfeuchtigkeit in Doha, das ja am Meer direkt liegt, ist sehr hoch. Sie können es gerne nachgoogeln. Dazu kommt dass es sich hierbei ja um die relative Luftfeuchtigkeit handelt das heißt warme Luft, nimmt viel mehr Feuchtigkeit auf als kalte. Das heißt aber auch für die Sportlerinnen das Klima ist noch viel belastender als eine trockene Wüsten Luft.

Deutscher
3 Jahre her

„Diese zwei Sportlerinnen haben mehr Rückgrat, als viele ‚feministische‘ Politikerinnen, die sich problemlos frauenfeindlichen Vorschriften unterordnen.“

So ist es. Stockholmsyndrom oder eine Art von Masochismus, der verdrängte Lustwunsch vielleicht, unter eine Burka gepackt und so gedemütigt zu werden? Wer weiß, wer weiß, verschlungen sind mitunter die Pfade der Psyche.

Rosa Wissmann
3 Jahre her

Das ist Feminismus wie ich mir ihn wünsche. Dank an die Sportlerinnen für die mutige Tat, den Verzicht und an Frau Fußer für Ihren gekonnten Aufschlag.

Ralf Poehling
3 Jahre her

Was hier im wahrsten Sinne des Wortes offenbar wird: Andere Länder, andere Sitten. Das ist zunächst erst einmal nichts ungewöhnliches oder schlimmes, bestätigt es doch nur, wie wenig an der sozialistischen Denke dran ist, dass alle Menschen auf diesem Planeten gleich wären. Sie sind es eben nicht. ABER: Wenn man unseren Sportlerinnen vorschreibt, in welcher Kleidung sie in Katar ihren Sport ausüben dürfen und in welcher nicht, dann sollten wir in Deutschland genauso wenig Toleranz üben und den Muslimas das Tragen von Burkinis an deutschen Stränden und in deutschen Schwimmbädern verbieten. Toleranz muss immer in beide Richtungen geübt werden. Und… Mehr

Lars
3 Jahre her

Danke fuer diesen knappen und entlarvenden Beitrag, Frau Fusser. Und danke an die Sportlerinnen fuer ihre klare Kante und Charakterstaerke! Dieser Vorgang offenbart fuer mich ein schier unglaubliches Verständnis, welches auf ideologisch verklaerter Realitaetsfremde mit signifikantem Hang zur Geisteskrankheit fusst: Den die Quintessenz fuer Deutschland lautet: Jeder, der sich den importieren, fremden Kulturverstaendnissen entgegenstellt und auf die eigenen Werte pocht, ist ein Rassist! Das verkehrt das Grundprinzip des Begriffs „Integration“ ins absurde Gegenteil. Unsere führenden Politiker definieren Integration primaer im Sinne einer vollstaendigen Unterordnung unter die Wertesystene zuziehender Kulturen. Anstatt die Konfrontation gegen archaisches Gedankengut zu suchen, welches mit den… Mehr

Ruhrler
3 Jahre her

Naja, normalerweise sind die Deutschen im Kotau ziemlich weit vorne dabei. Da werden dann auch schon mal internationale Regeln geändert damit die „religiosen Gefühle“ der Religion des Friedens nicht verletzt werden. Was sagt der Prophet eigentlich dazu wenn sich Frauen gegenseitig KO schlagen?
https://www.rtl.de/cms/zeina-nassar-deutsche-meisterin-im-boxen-darf-mit-kopftuch-zu-olympia-4296179.html

U.M.
3 Jahre her

Die beiden Sportlerinnen sollten die Bundesverdienstmedaille bekommen!