Darauf konnte man geradezu wetten und warten: Irgendjemand aus irgendeinem »Dritte-Welt-Land« klagt gegen einen Konzern, weil der angeblich sein Land kaputt macht, weil NGOs und Co. ihre Einkommenspalette erweitern.
Jetzt also Saúl Luciano Lliuya aus Peru. Er ist Bauer und fordert vom deutschen Energiekonzern RWE 20.000 Dollar. Deswegen klagt er jetzt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Seine Begründung: Die Kohlekraftwerke der RWE trügen zum Klimawandel bei. Deshalb sei der deutsche Konzern mitschuldig, wenn der Palcachocha-Stausee in den Anden wegen Gletscherschmelze über die Ufer trete und sein, Lliyuas, Haus überflute. »Dessen Tauwasser fließt in einen See mit marodem Staudamm«, entnehmen wir der deutschen Presse. Und unterhalb steht sein Haus. Er fordert: RWE solle sich deshalb finanziell an den Schutzmaßnahmen beteiligen.
Ein Thema, bei dem sich alle bekannten triefenden Schlagworte wundersam zusammenfügen: Kleinbauer (Großbauer sähe schon wieder anders aus) gegen RWE, Großkonzern, für die Menschen und natürlich die »globale Klimagerechtigkeit«. Peinlich zu sehen, wie in den Presseberichten der Kampf David gegen Goliath beschworen wird, wobei Goliath mittlerweile ziemlich magenkrank daherkommt und wohl bald künstlich ernährt werden muss.
David gegen Goliath?
Doch halt, David, also Saúl Luciano Lliuya aus Peru ist es natürlich nicht allein, der gegen Goliath klagt. Vermutlich wusste er bis vor einiger Zeit noch nicht einmal, was CO2 ist, wie dieses Spurengas alles Leben zerstören solle, geschweige denn etwas über die Feinheiten internationaler Klimaverträge, bevor er in die Fänge von NGOlern fiel. Seine Hände führen, wie kann es anders sein, NGOs, die sich mit einem juristischen Winkeltrick eine weitere wohlfeile Einnahmequelle erschlossen haben. In diesem Falle ist die umstrittene Germanwatch federführend mit dabei.
Diese Formation springt überall mit ein, wenn es ums Abkassieren unter dem Vorwand Klima und Gerechtigkeit geht. Hohlfloskeln wie Nachhaltigkeit, fair und globale Klimagerechtigkeit strömen den Germanwatch-Jüngern nur so über die Lippen. Schon ziemlich viel von diesem Vokabular des Schönen und Guten ist in der Forderung »Bildung für nachhaltige Entwicklung« enthalten, und unter »globaler Gerechtigkeit« und den »Erhalt der Lebensgrundlagen« tut diese Kirche es nicht.
»Germanwatch«, so drohen die NGOler, »setzt sich dafür ein, dass Deutschland in den Bereichen Klima-, Ernährungs- und Entwicklungsfinanzierung seine internationalen Zusagen glaubwürdig umsetzt.« Sprich: ein moralisch einwandfreier Weg, Gelder in die eigenen Kassen umzuleiten. Immer das Wichtigste: Spenden Sie hier! Denn es ist die »letzte Chance«, Klima und Menschheit zu retten.
Die Germanwatch-Gründer hatten einst gesehen, dass die Geschäfte von Greenpeace & Co prächtig laufen, dachten, da lässt der Markt noch weitere Organisationen zu und gründeten bereits 1991 ihre NGO. Heute hält sie immerhin 40 Beschäftigte in Lohn und Brot. Seitdem jetten sie ebenfalls klimarettend um die Welt unter anderem zu den Nachhaltigkeitsgipfeln dieser Welt, erzählen im Haussender der NGOs, dem Deutschlandfunk, ehrfürchtig stammelnden Moderatoren etwas von den »Spuren und Signalen der Hoffnung« und dem »Zustand des Planeten«. Da darf auch die Tagesschau nicht fehlen. Nachrichtenwert: Null. Spendenpotential? Riesig.
Geschäftsfeld von NGOs und Anwälten
Mit von der lohnenden Partie ist Roda Verheyen, eine Anwältin aus Hamburg. Sie vertritt jetzt den armen, unter von RWE mitverursachtem Klimawandel bedrohten Bauern vor Gericht. Sie gilt als eine der entscheidenden Wegbereiterinnen der sogenannten »Aarhus-Konvention«. Das ist jener ominöse internationale Vertrag, der 1998 in der dänischen Stadt Aarhus geschlossen wurde, und der jeder Einzelperson »Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten« zuspricht.
Die Europäische Union hat ihn sogar ratifiziert. Da die Aarhus-Konvention nicht auf Staatsbürger abstellt, sondern grundsätzlich auf alle »Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit«, kann damit jetzt auch ein peruanischer Landwirt einen deutschen Energiekonzern in Deutschland wegen des Klimawandels verklagen.
Jahrelang haben Juristen auf der Suche nach lohnenden Einnahmequellen abstruse Rechtsgebilde um ein »Klimarecht« konstruiert. Dabei geht es meist um Schadensersatz aufgrund von Emissionen, die den Klimawandel verursachen: besonders beliebt. Nicht weniger beliebt ist in diesen Kreisen der Terminus Klimahaftung; sogar das hehre Wort der Menschenrechte wird als Grundlage für klimarechtliche Ansprüche missbraucht.
Die muntere Palette an Verdienstmöglichkeiten ist damit um »Klima-Gerichtsverfahren« erweitert worden. Schön, damit kommen wieder ein Haufen Anwälte in Lohn & Brot, NGOs verdienen sich dumm & dämlich. Ein echter Mehrwert wird damit jedoch nicht geschaffen.
Als Grundlage dient die Chimäre vom CO2 als Ursache eines Klimawandels. Juristen nehmen das als Tatsache in ihrer Begründung. Doch das ist lediglich eine in den Raum gestellte Theorie, bewiesen ist nichts. Doch für NGOler kein argumentatives Problem, so lesen wir in einem Zeitungsportrait über Roda Verheyen. Sie »begreift Paragrafen nicht als starre Regeln, sondern als flexible Instrumente, um drängende Probleme der Gegenwart zu lösen. Verheyens alter Freund und Anwaltskollege Peter Roderick sagt, für Juristen ihres Schlags seien Gesetze »wie Ton, nicht wie Beton«.
Sie warte nicht, bis das Parlament ein neues Gesetz erlässt, um das Klima besser zu schützen. Sie suche schon jetzt nach Paragrafen, auf deren Grundlage sie die Konzerne zur Verantwortung ziehen könne.
Bisher kann selbst ein Jurist nicht den Zusammenhang zwischen Abgasen aus RWE-Kraftwerken und irgendeinem Gletscher in einem peruanischen Kaff erklären. Aber jetzt hat das Gericht in Essen die vor einem Jahr eingereichte Klage angenommen, weil »die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat«.
Germanwatch verkündet erfreut: »Der unverzüglich in Huaraz (Peru) benachrichtigte Kläger Saúl Luciano freut sich sehr über diese positive Entwicklung: ‚Ich bin froh, dass es zu einem Verfahren kommt. Aber es liegt noch eine große Wegstrecke und viel Arbeit vor uns bis zu einem Erfolg der Klage und bis zu wirklichen Schutzmaßnahmen für die Menschen und ihren Besitz in Huaraz.‘«
Solch warme Worte legt die NGO ihm in den Mund und vergisst auch wieder das Wichtigste nicht: »Wenn auch Sie Saúl Luciano bei seinem Einsatz für die Menschen in Huaraz und globale Klimagerechtigkeit helfen möchten, dann sind Sie herzlich eingeladen, sich dem Kreis der UnterstützerInnen anzuschließen und an die Stiftung Zukunftsfähigkeit zu spenden: www.betterplace.org/p35937.«
Höflich ist Kleinbauer Saúl Luciano auch: Er bedankt sich sehr für die vielfältige bisherige Unterstützung, vermeldet Germanwatch.
Ein neues Rechtsgebiet
Ein weites neues Rechtsgebiet tut sich auf: Zu befürchten ist, dass das Beispiel Schule machen könnte. Schöne Verfahren winken am Horizont – auch umgekehrt: Wenn die Klimagesetze so gelten sollen, dann ist auch Bauer Saúl Luciano mit verantwortlich. Wir wissen, dass gerade die Landwirtschaft mit für den schrecklichen Klimawandel verantwortlich ist. Der heizt sicherlich auch mit Holz. Seine Tiere stoßen auch erhebliche Mengen an CO2 aus, verursacht also auch den »Klimawandel«. Und diskriminiert werden darf schließlich niemand.
Und wie ist das für vergangene Sünden? Ich lese gerade in einer alten Ortschronik unseres Nachbardorfes, dass am 8. April 1768 in den Bächen des Dorfes ein großer Eisgang gewesen sei, »der dem Erbbestandsmüller Adam Kilian seine ganze Mühle ruinierte«. Er bat um Zuweisung von 12 Stamm Eichenholz für zwei Wasserräder, zwei Zulaufkandeln, für ein Kammrad, Wasserbettschwellen, für eine Wasserbütte, für Pfosten und Kandelträger.
Doch auch der neu aufgebauten Mühle war kein Erfolg beschieden: 1721 kam es zu einer solch großen Dürre, dass der Müller wegen Wassermangels nicht mehr mahlen konnte. Er beantragte, andere Bäche umleiten zu dürfen, auf dass er mehr Wasserkraft habe. Dies wurde ihm nicht gewährt, weil man Angst wegen zu großer Überschwemmungen hatte, die auch immer wieder drohten. Die Mühle verfiel daraufhin im Laufe der Jahre.
Die Nachfahren sollten jetzt klagen. Irgendein Jurist findet dazu sicherlich eine passende Begründung und den passenden Gegner.
Wem jetzt die Szenen aus Charlie Chaplins einmaligem Film »The Kid« einfallen, liegt richtig. Der mittellose Chaplin und ein kleiner Knirps gehen eine Geschäftsbeziehung ein. Das Kind wirft mit Steinen Fensterscheiben ein. Die erzürnten Hausbesitzer rennen vor die Tür. Da kommt wie zufällig Chaplin um die Ecke, eine neue Fensterscheibe auf dem Rücken.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein