Baerbock: Für die Fraktion zu schwach, für die UN gerade recht

Die Reihenfolge ist von Belang: Erst besiegelten die Grünen die Sonderschulden für Schwarz-Rot, dann kam diese Agenturmeldung. Baerbock soll Präsidentin der UN-Vollversammlung werden. Ein Ex-UN-Diplomat spricht von einem Posten für ein „Auslaufmodell“.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Man muss zugeben: Der erste Gedanke sind die Versprecher und Verhaspler, die wir zu erwarten haben. Annalena Baerbock als Moderatorin von UN-Vollversammlungen könnte dem vielsprachigen Gewirr, wo nicht immer jeder gut Englisch spricht, die Krone aufsetzen mit ihrem inzwischen Legende gewordenen, peinlichen Wortsalat inklusive Grammatik-Fehlern.

Der neue Posten für die Völkerrechts-Praktikantin vom Werderschen Markt scheint auch das Ergebnis des Machtpokers zwischen Union und Grünen zu sein. Im Bundestag wurden die Milliarden verschoben, natürlich auch in Richtung „Klimaschutz“, zu dem Boris Pistorius bezeichnenderweise „Klimaschatz“ sagte. Ja, das scheint überhaupt gemeint und war die Stimmung im Reichstag an diesem Dienstag: Endlich haben wir wieder Geld! Das Ausgeben wird man auch noch schaffen.

Kriegsminister Pistorius spricht im #Bundestag von Geld für den Klimaschatz (Freud lässt grüßen):
„Unsere Sicherheit darf nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden.“
„Bedrohungslage steht vor Kassenlage.“ pic.twitter.com/zYUbccH0eV

— Markus Haintz (@Haintz_MediaLaw) March 18, 2025

Und für dieses ‚Geschenk‘ der Grünen an die neuen Regierenden muss man sich ja geziemend bedanken. Und so lief kurz, nachdem die Grünen bei der Zweidrittelmehrheit geliefert hatten, eine reichlich vorfabrizierte Meldung über die Agenturen. Demnach ist schon alles klar und festgezurrt: Baerbock wird Präsidentin der UN-Vollversammlung, so sagen „Regierungskreise“ (alt, aber die SPD wird wissen, was sie tut). Es gibt auch schon einen Kabinettsbeschluss, und Anfang Juni wird Baerbock dann nicht etwa eine Mode-Boutique in Wuppertal eröffnen, sondern in New York zur neuen Versammlungspräsidentin gewählt.

Es ist allerdings nicht der ganz große Karrieresprung, muss man sagen. Das Amt ist auf ein Jahr befristet. Also eher ein erster Trampolin-Übungssprung in der Welt des „Völkerrechts“. Immerhin ist der Untergrund elastisch, und Baerbocks Wahl gilt „nach internen Absprachen bei den Vereinten Nationen“ als sicher.

Das Programm, das Baerbock im Mai vorstellen wird, hat übrigens die Diplomatin Helga Schmid geschrieben. Schmid sollte den Posten eigentlich bekommen. Aber nun hat sich die „politische Besetzung“ durchgesetzt. Heftige Kritik gibt es auch aus diesem Grund. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Merkel-Intimus und einst selbst deutscher Vertreter bei den VN, Christoph Heusgen, macht an dieser Stelle eine Front auf und spricht von einer „Unverschämtheit“, die darin bestehe, „die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen“. Hoppla! Die schwarz-grünen Pilaster scheinen zu wanken.

Die Wahrheit: Ein Fraktionsamt war zu hoch für Baerbock

Baerbock hatte vor wenigen Tagen auf eine herausgehobene Rolle in der Grünen-Fraktion verzichtet, was allgemein als Niederlage in einem parteiinternen Machtkampf angesehen wurde. Baerbock sagte, „nach Jahren auf Highspeed“ könne sie eine Pause gebrauchen, habe sich „aus persönlichen Gründen entschieden, erst einmal einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen und mich für kein führendes Amt in der Bundestagsfraktion zu bewerben“. Man kennt diese „persönlichen Gründe“, die ein Scheitern bemänteln sollen. Kurz gesagt: Den Grünen schien Baerbock nicht geeignet, auf Dauer das rhetorische Florett im Reichstag zu führen. Man säbelte die Kandidatin aus dem Realo-Lager ab, die sonst Britta Haßelmann ersetzt hätte. In der Tat könnte wohl keine grüne Fraktionschefin Friedrich Merz besser schuriegeln, obwohl er doch alles für die Grünen gegeben hat.

Vielleicht sollte man die Ehre für Deutschland trotz alledem nicht ganz klein reden. Das letzte Mal durften wir das hohe Amt in den 1980er Jahren besetzen, das allerdings zweimal: 1980 die BRD, 1987 die DDR. Nur kann die Ehre – siehe oben! – ganz schnell zur Peinlichkeit werden. Vielleicht kommt auch die Heusgen-Kritik aus dieser einfach zu verstehenden Richtung. Die Bundesregierung ist angeblich der Auffassung, dass Baerbocks Kandidatur das starke Bekenntnis Deutschlands zu den Grundsätzen der Vereinten Nationen unterstreichen wird, wie auch die.

Doch eine Großmacht hat einen Einwand: Aus Russland kommt Widerspruch und vielleicht zahlt man Baerbock so einfach ihre – wohl eher unbeabsichtigte – Kriegserklärung an das Land zurück. Natürlich ist Baerbocks Position zu Russland darüber hinaus vollkommen klar, nämlich unflexibel konfrontativ. Kreml-Sprecherin Maria Sacharowas Protestnote liest sich so: „Es wäre merkwürdig, 80 Jahre nach dem Sieg die Enkelin eines Nazis auf dem Posten der Vorsitzenden der Generalversammlung zu sehen, die stolz auf die ‚Heldentaten ihres Großvaters‘ ist.“ Eingeordnet wird das so, dass Baerbock in der Tat häufig über ihren Großvater spricht, der Offizier der Wehrmacht im Einsatz an der Ostfront war. Daraus eine Heldenverehrung zu machen, ist sicher polemisch, wiewohl für Moskau bequem.

Baerbock selbst hat für genügend Vorlagen gesorgt. Sollte sie den Job in New York bekommen, dann sieht man es allerdings schon vor sich, wie die Neue sich mit dem bei den UN reichlich vertretenen „globalen Süden“ solidarisieren, arrangieren, vielleicht sogar verbünden wird. Ihre Stellungnahmen und Unterstützung der UNRWA nach dem Terror-Angriff auf Israel haben einen Vorgeschmack gegeben.

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