In Vor-Corona-Zeiten galt das Wort aus guten Gründen als belastet. Jetzt kommt es vielen Wohlmeinenden gerade recht, um die Hysterie in der Impfdebatte noch ein wenig zu steigern. Von Jürgen Schmid
Im besten Deutschland, das wir jemals hatten, scheint es zum guten Ton zu gehören, unbescholtene Bürger zu beleidigen und zu kriminalisieren – vor allem in der Impfdebatte.
Leute, die nicht einsehen, dass nur „Impfen aus der Pandemie führt“ (Karl Lauterbach), erfahren, dass es sich bei ihnen um „Bekloppte“ (Joachim Gauck), Blinddärme (Sarah Bosetti vom ZDF), Geiselnehmer (Lauterbach), Tyrannen (Frank Ulrich Montgomery) und „gefährliche Sozialschädlinge“ (der FDP-Politiker Rainer Stinner) handelt.
Wer geglaubt hat, es gäbe keine Steigerungsmöglichkeiten sprachlicher Enthemmung mehr, muss sich eines Schlechteren belehren lassen. Kürzlich meinte der Arzt Marc Hanefeld, bekannt durch Auftritte in NDR, ZDF und in anderen Medien, seinem hippokratischen Eid dadurch gerecht zu werden, dass er Ungeimpfte als „enthirnt“ und „asozial“ beschimpft:
Eine Twitter-Einlassung, wie sie charakteristischer nicht sein könnte: Jemand geht in seinem Hass auf eine Gruppe, die im Einklang mit dem Grundgesetz handelt, aber nicht das tut, was dieser Jemand für richtig hält, so weit, die Abweichler als „enthirnt“ zu beleidigen. Kritik an seinem öffentlich zur Schau gestellten Hass bezeichnet er als Hass, ohne seinen Hass zu relativieren. Im Gegenteil – er legt nach, und zwar mit einem besonders toxischen Begriff: asozial.
Der Twittermob kennt nur einen Betriebsmodus: hysterische Dauererregung, deren einziger Zweck es ist, sich in endlosen Spiralen weiter aufzuschaukeln. Diejenigen, deren Twitter-Äußerungen durch die Vervielfältigung in den Medien moralisch zertifiziert werden, versuchen, die Skala in immer krassere Eskalationsstufen zu verschieben – und wundern sich dann, dass sich die derart Beschimpften durch die Beschimpfungen nicht überzeugen lassen.
Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery etwa empfahl das demokratische Überzeugungsinstrument der „Peitsche“, um „Impfverweigerern“ Einsicht beizubringen. ÖVP-Politikerin Juliane Bogner-Strauß denunzierte dieselbe Gruppe als „Todesengel“, womit sie Menschen, die selbst darüber bestimmen wollen, welche Substanzen sie ihrem Körper zuführen, mit Mördern gleichsetzt. Und nun wird also der schwer kontaminierte Begriff des „Asozialen“ reanimiert. Hier lohnt ein Blick in die Sprachgeschichte.
Im Jahr 2015 erklärte der Deutschlandfunk das Wort „asozial“ als „Nazi-Begriff“, eingesetzt zur „Stigmatisierung“ von Bettlern, Landstreichern, Fürsorgeempfängern, den sogenannten „Arbeitsscheuen“. In der DDR galt als „asozial“, wer „als Saboteur am Aufbau des Sozialismus empfunden“ wurde, also im Grunde jeder, der politisch Oppositioneller war, ja schlimmer noch: „Wer unangepasst war, wurde als Asozialer abgestraft“.
Interessant ist, wie das Wort „asozial“ vor seiner Instrumentalisierung in zwei deutschen Diktaturen verwendet und verstanden wurde: nämlich analytisch statt normativ. Der Historiker Wolfgang Ayaß zitiert dazu Sigmund Freud, der den Traum als „asozial“ begreift, „weil man ihn nur für sich alleine hätte“. Asozial diente also ursprünglich schlicht als Synonym für „individuell“.
Wegen seines Bedeutungswandels in der NS-Zeit galt der Begriff „asozial“ in der Vor-Corona-Zeit als sprachliche Diskriminierung von Minderheiten. Der Psychologe Ulrich Hermannes beklagte etwa, der Begriff diene der „Ausgrenzung“, operiere mit dem „Pauschalvorwurf der unberechtigten Teilhabe am Volksvermögen“.
Sogar noch am 8. März 2021, als die Impfkampagne schon Fahrt aufgenommen hatte, mahnte die Süddeutsche Zeitung: „Warum der Begriff ‚asozial’ problematisch ist“.
Aber schon kurz nach dieser inneren Einkehr, am 14. Juli 2021, ließ Nils Minkmar im selben Blatt schweres Geschütz donnern, als er erklärte: Eine „Verweigerung [der Corona-Impfung] ist asozial“ – und damit den Rat seiner Kolleginnen in den Wind schlug, die befanden: „Bis heute geht das Wort ‚asozial’ vielen Menschen sehr leicht über die Lippen. Angesichts der NS-Geschichte dieses Ausdrucks wirkt das erstaunlich.“ Um so mehr, als selbst eine ganze Reihe anderer Begriffe ohne Diktaturhintergrund heute als „stigmatisierend“ gelten – zumindest dann, wenn sie nicht gerade gegen Impfgegner eingesetzt werden.
Schon vor Jahren störte sich die Nationale Armutskonferenz an einem Wort wie „alleinerziehend“, das auf die Liste der „Sozialen Unwörter“ gesetzt wurde, um es aus dem Sprachgebrauch zu verbannen.
Begründung: „’Alleinerziehend’ sagt nichts über mangelnde soziale Einbettung oder gar Erziehungsqualität aus – beides wird jedoch häufig [da]mit assoziiert“. Ein Wort, das völlig neutral einen Sachverhalt beschreibt, wird subjektiv als wertend empfunden – und anschließend wird die zugeschriebene Wertung, die das Wort gar nicht enthält, beklagt. In dieser Logik ist sozial, wer auf den Begriff „alleinerziehend“ verzichtet, dafür aber Mütter, die ihre Kinder alleine erziehen, ohne sich eine Corona-Impfung verpassen zu lassen, als „Asoziale“ etikettiert.
Als Speerspitze sprachlicher Gerechtigkeit verstehen sich die „Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland“ aus dem Labor der „Neuen Deutschen Medienmacher“:
Was aber machen die „Neuen Deutschen Medienmacher“, wenn sie feststellen, dass viele „Bürger mit Einwanderungsbiografie“ die Corona-Impfung ablehnen? Sind diese „Mehrheimischen“ dann auch „Enthirnte“, die wie ein „Blinddarm“ aus der „multikulturellen Aufnahmegesellschaft“ entfernt werden müssen, weil es sich um „Asoziale“ handelt?
Es ist schon mehr als bemerkenswert, wenn eine vorgeblich hochsensible Wortklauber-Sekte keinerlei Probleme damit hat, Menschen völlig unterkomplex mit einem Begriff wie „asozial“ zu belegen. In der sprachsensibelsten und tolerantesten Gesellschaft, die sich wohlmeinende Bürger und Bundespräsidenten vorstellen können, kehrt ein alter NS-Begriff zurück: Und keiner der einschlägigen Twitter-Moralwächter scheint sich daran zu stören.
Und warum die Maßnahmen, mittels derer alte Menschen in Altenheimen isoliert und dem einsamen Sterben überlassen wurden („zu unser aller Sicherheit“) gemeinschaftsbildend gewesen sein sollen – das kann wahrscheinlich nur ein Menschenfreund wie Karl Lauterbach erklären.
Jürgen Schmid ist Historiker und freier Autor
Dieser Text ist auch bei Publico erschienen
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Um alle formalen Unzulänglichkeiten auszuräumen, habe ich mich vor Aufbruch in den diesjährigen Winterurlaub in Österreich „boostern“ lassen, was sowohl im Quartier als auch an den Skiliften per Impfausweis kontrolliert wurde. In Kontakt bin lediglich mit den Wirtsleuten gekommen, die selbstverständlich auch dreifach geimpft waren. In den Skigondeln herrschte strenge Maskenpflicht, und natürlich waren alle Insassen geimpft. Aus Sicht der Covid-Hysteriker habe ich mich also absolut korrekt verhalten. Trotzdem fiel ein Schnelltest, dem ich mich nach meiner Rückkehr wegen leichten Fiebers unterzog, positiv aus. Man kann also guten Gewissens behaupten, dass alle Corona-Maßnahmen-Gläubigen, die sich von Impfungen im Drei-Viertel-Takt oder… Mehr
Vielleicht ist „asozial“ insofern zutreffend, als man als Skeptiker tatsächlich keinerlei Zugehörigkeit mit einer Gesellschaft der Untertanen, Mitläufer und Opportunisten mehr empfindet. Nicht zu einer derartigen Gesellschaft zu gehören, von dieser ahsgeschlossen zu werden, darf aus dieser Perspektive durchaus als Auszeichnung betrachtet werden.
„Dissozial“ und „asozialer Lebensstil“ wird in gerade in medizinischen Bereichen seit langem verwandt, um die zu brandmarken, die unangenehm und – aus welchen Gründen auch immer – sozial heruntergekommen sind. Dahinter stehen die gleichen Beweggründe wie in der DDR: Bestimmte, zur Anpassung nicht fähige Menschen werden in jeder „schönen neuen Welt“ das einheitliche Bild stören. Dazu gehören hier nun – wie in wohl jeder Diktatur – dann eben auch die geistig Unbelehrbaren, Unanpassbaren, die nicht hinter jeder Parole hinterherlaufen. Die Botschaft ist dabei wohl ebenso wichtig, wie die Diffamierung an sich: Wenn Du widersprichst, bist Du asozial.
Ich muß den Protagonisten hier sogar einmal zustimmen – wenn auch mit Zynismus! Es ist in der Tat asozial sich dem Impfbefehl dieses sog. Sozialstaates zu entziehen. Seit es die Idee des Sozialstaates gibt wurden die geistig, materiell oder anderweitig Schwachen und oft allein nicht Überlebensfähigen Mitglieder der Gesellschaft künstlich unterstützt und gefördert. Hier haben wir allerdings unerwarteterweise plötzlich den gegenteiligen Effekt, bei dem der Mitläufer sich brav wie empfohlen die Pikse stechen läßt, ganz im Urvertrauen darauf, die Herde wird schon wie immer Recht behalten. Dummerweise scheint es sich aber bei der Frage gepikst oder nicht gepikst aber in… Mehr
Was genau ist „enthirnt“ und „asozial“ daran, wenn sich jemand nicht gegen CoVID19 „impfen“ lässt? Wer sich dagegen „impfen“ lässt, kann sich selbst und auch andere dennoch mit SARS-CoV2 anstecken. Wer dies als Arzt noch immer nicht begriffen hat, will es nicht verstehen. Und wer andere weiterhin derart beschimpft, ist offensichtlich gewissenlos. Die Propaganda hat nicht nur die Vernunft, sondern auch jegliches Gewissen vertrieben. Das ist wohl so beabsichtigt. Unfassbar ist, wie schnell und rückstandsfrei das ging.
Asozial ist nicht das falsche Wort – man kann es inzwischen, leider, für dieses Land verwenden. Ein Land, welches die eigenen Bürger nur noch als Melkkuh betrachtet, entrechtet. Pfui Teufel. Schlimm ist, daß ein Großteil der Entrechteten es nicht bemerkt.
„Ein Land, welches die eigenen Bürger nur noch als Melkkuh betrachtet, entrechtet.“
Falsche Reihenfolge: Es sind die Bürger, die ein Land nur noch als Milchkuh betrachten.“ Man hat sie ja dazu’erzogen‘.
Es sind auch nicht die ‚Bürger‘: Es sind gewisse Gruppen – sicher auch aus den eigenen Reihen, aber vor allem mit Migrationshintergrund, die das Land melken. Der Fokus ist eindeutig, die ‚Entrechteten‘ operieren an der Oberfläche.
Eine Frau Esken, die Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, als Covidioten bezeichnet, muss sich fragen lassen, ob sie das System, von dem sie lebt, verstanden hat. In ZDFheute führt sie bei der Frage, ob sie den Begriff nochmals verwenden würde, aus: „Ich glaube ja. Ich bin der Auffassung, dass bei diesen Demonstrationen so viele Menschen mitlaufen, mit Rechtsradikalen, mit Verschwörungstheoretikern, die sich da zu wenig Gedanke keinen drüber machen, mit wem sie eigentlich unterwegs sind. Da muss man auch mal eine deutliche Ansage machen“. Als Politikerin, die Demokratie leben sollte, dürfte ‚Covid-Faschismus‘ – um mal einen Gegenbegriff zu… Mehr
Eine Frau Esken, die Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, als Covidioten bezeichnet, muss sich fragen lassen, ob sie das System, von dem sie lebt, verstanden hat? In ZDFheute führt sie bei der Frage, ob sie den Begriff nochmals verwenden würde, aus: „Ich glaube ja. Ich bin der Auffassung, dass bei diesen Demonstrationen so viele Menschen mitlaufen, mit Rechtsradikalen, mit Verschwörungstheoretikern, die sich da zu wenig Gedanke keinen drüber machen, mit wem sie eigentlich unterwegs sind. Da muss man auch mal eine deutliche Ansage machen“. Als Politikerin, die Demokratie leben sollte, dürfte ‚Covid-Faschismus‘ – um mal dagegen zu halten… Mehr
Nicht vergessen, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen hat Demonstranten und Andersdenkende die bei friedlichen Coronaprotesten und Demonstrationen teilnahmen als »Aasgeier der Pandemie« bezeichnet.
Für mich sind diejenigen, die, obwohl sie wissen, dass die angebotenen Impfstoffe nicht wirksam sind, im Gegenteil sogar schwere Nebenwirkungen haben können, trotzdem noch Werbung für dieses lebensgefährliche Impfen machen, eine gesetzliche Impflicht mit nachweislich unnützen Spritzmitteln fordern und diejenigen die mit der Pandemie Unmengen an Geld verdienen, die wirklichen Asozialen.
Der „Stempel“ und die „Schublade“ werden immer umfangreicher und größer: „Asozial“, „Ungeimpfter“ („An-der-Pandemie-und-Todesfällen-Schuld-Habender“), „Alter weißer Mann“, “ cis“, „Spaziergänger“, “ Klimaleugner“, „Rechter“, “ Transphober“, „Deutscher“ , „Antifeminist“ (besonders letzteres stößt mir sauer auf, warum darf ich hierbei nicht „anti“ sein, warum nicht Kritiker dieser „Einstellung/Haltung“ ? Warum gilt Antifeminist“ als unerhörte Kritik, ja fast als (Majestätinnen-) Beleidigung?) usw usf. Was kommt noch? „Meinungsverbrecher“ ? „Andersmeiner“? Ich gestehe, dass ich mittlerweile „JournalistIN“ und „PolitikerIN“ leider als noch abstoßender empfinde. Wir sind als Erregungs- und Aufregungsgesellschaft auf einem ganz schlechten, von der Demokratie weg führenden Weg. Ein wesentlicher Faktor dabei sind Zwitscher,… Mehr