Armin Laschet oder das Leben ist kein Ponyhof

Ausgerechnet zum Geburtstag der deutschen Verfassung zeigt unser politisches Personal, wie wenig es mit den festgeschriebenen Bürgerrechten anfangen kann. Selbst Ex-Ministerpräsidenten von der CDU verwechseln gutgelaunt das Unerwünschte mit dem Unerlaubten.

Screenprints: ARD/Bericht aus Berlin - Collage: TE

Zugegeben, es klingt seltsam: Aber es gibt tatsächlich Momente, in denen man regelrecht froh darüber ist, dass der Bundeskanzler Olaf Scholz heißt. Meistens sind es Tage, an denen sich jemand wie Armin Laschet zu Wort meldet.

Den jüngsten Nachweis fehlender Qualifikation für eigentlich alles hat der stramme Merkel-Jünger jetzt im Zusammenhang mit den Geschmacklosigkeiten von ein paar Edel-Proleten auf Sylt geliefert. Da versteigt sich der Mann, der mittlerweile als bestens bezahlter Hinterbänkler im Bundestag sitzt und dort nicht weiter auffällt, allen Ernstes zu dem Satz:

„In kürzester Zeit waren alle Namen öffentlich. Sie haben alle ihren Job verloren. Und ich glaube, als Gesellschaft müssen wir darauf achten, dass das bei allen diesen Vorfällen gilt.“

Auf Sylt hatten sich ja am Pfingstmontag jüngere Leute vor dem beliebten Szene-Club „Pony“ erst sichtlich schwer betrunken – und dann zu einem Party-Liedchen „Ausländer raus“ gegrölt. Einer (nur einer, das wird noch wichtig) ließ sich auch zu einer Geste hinreißen, die man durchaus als Hitler-Gruß deuten kann. Für Deutschlands herrschende Klasse der grün-linken Neo-Puritaner war das natürlich ein gefundenes Fressen. Im Gleichschritt fielen die üblichen Verdächtigen in den öffentlich-rechtlichen Medien über die Sylter Party-People her – und hetzten denen auch gleich die woken Twitter-Armeen auf den Hals.

Die „Bild“-Zeitung, ganz ihrer neuen Linie entsprechend, sekundierte brav, zeigte die Bilder der grölenden Insel-Jugend unverpixelt (was man sonst noch nicht einmal mit Sexualstraftätern tut) und recherchierte im privaten und beruflichen Umfeld. Mittlerweile ist vorauseilender Gehorsam von Unternehmen gegenüber den neuen deutschen Jakobinern ja üblich. Entsprechend erklärte die Münchner Werbeagentur Serviceplan, sie habe einen beteiligten Mitarbeiter fristlos entlassen. Auch die Hamburger Influencerin Milena Karl feuerte nach eigenen Angaben eine Mitarbeiterin, die dabei war.

Da kommt das Grundgesetz ins Spiel.

Das hatte, wie der Zufall es so will, ausgerechnet drei Tage nach Pfingstmontag seinen 75. Geburtstag. Aus diesem Anlass feierte unser politisches Personal mit großem Brimborium – vor allem sich selbst, und ein klitzekleines Bisschen dann auch die Verfassung. Bei der Gelegenheit demonstrierte die Elite der Volksvertreter vor allem, dass sie das Konzept der Bürgerrechte nicht verstanden hat.

Bei uns gilt der Grundsatz, dass alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. Unser Rechtssystem verfolgt das Unerlaubte, nicht das Unerwünschte. Unerlaubt ist bei uns das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole – also zum Beispiel der Hitler-Gruß. Den hat auf Sylt aber eben nur einer (womöglich) gezeigt. Die anderen haben allenfalls „Ausländer raus“ gerufen.

Das mag – je nachdem, wo man selbst politisch steht – kein erwünschtes Verhalten sein. Aber es ist eben nicht verboten.

Armin Laschet, ehemaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ehemaliger Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands CDU und ehemaliger Kanzlerkandidat seiner Partei, findet nun aber, dass junge Leute (er nennt sie wörtlich „reiche Kinder“) dem grün-linken Mob zum Fraß vorgeworfen werden und ihren Job verlieren sollen – obwohl sie gar nichts Verbotenes getan haben.

Offenbar hat Laschet nicht nur das Grundgesetz nicht verstanden, sondern auch ein recht schlechtes Gedächtnis. Denn mit Dummheiten, bei denen man unbemerkt gefilmt wird, hat er so seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht.

Die Älteren erinnern sich: Die rheinische Frohnatur war Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und wurde dann CDU-Kanzlerkandidat von Angela Merkels Gnaden. In dieser Funktion schrieb er sich als Hochwasser-Grinser in die Geschichtsbücher ein: Im (für die Union damals eigentlich unverlierbaren) Bundestagswahlkampf 2021 ließ er sich bei einem Besuch im massiv überfluteten Erftstadt dabei filmen, wie er mitten in der Zerstörung und umringt von verzweifelten Anwohnern herzhaft lachte und scherzte.

Die öffentliche Reaktion war für Laschet ungefähr so verheerend, wie es die Folgen des Hochwassers für NRW waren. Die CDU-Zustimmungswerte rauschten ungebremst in den Keller, und am Ende wurde der zuvor chancenlose SPD-Kandidat Olaf Scholz Bundeskanzler. Seitdem bemüht sich Laschet nach Kräften, es allen zu zeigen – nämlich, dass es für die Bundesrepublik gar nicht so schlecht war, dass der Mann ihr als Regierungschef erspart blieb.

Angela Merkel hatte wirklich ein Händchen für Personal, das ihr ganz sicher nicht in der Sonne stand. Man denkt da sofort an den sagenhaft erfolglosen Ruprecht Polenz, den sie gegen alle Warnungen zu ihrem Nachfolger als Generalsekretär machte – und den sie nach der Rekordzeit von nur einem halben Jahr wieder feuern musste. Polenz füllt heute seine Rentner-Tage damit aus, auf Twitter alles in der CDU zu verdammen, was nicht auf Grünen-Linie liegt.

Merkel machte durch eifriges Ziehen an vielen Strippen hinter den Kulissen auch Armin Laschet erst zu ihrem Nachfolger an der Parteispitze und dann zum Kanzlerkandidaten. Zum Dank holte er das mit Abstand schlechteste Wahlergebnis der CDU-Geschichte – und gibt inzwischen auch den Polenz.

Aus den Vorfällen von Sylt kann man lernen. Diejenigen, die keinen Satz aussprechen können, ohne dass darin das Wort „Grundgesetz“ vorkommt – und diejenigen, die das Grundgesetz jeden Tag ein bisschen mehr aushöhlen: Das sind dieselben.

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Kommentare ( 70 )

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Peter Pascht
6 Monate her

Der Armin Laschet ?
Während Corona hat er Gewalt gefordert, die Staatsgewalt gegen unbescholtene Bürger, die nur ihre Grundrechte wahrnahmen,
denn wir haben ja das Gewaltmonopol“, sagte er drohend im TV.
So auch Faeser, hat mehr Knüppel und Reiggas verlangt.
Aber auch jetzt, an allen Ecken und Enden, bei jeder geringsten Gelegenheit, fordert diese Lachnummer-Oligarchie immer nur mehr Gewalt.
Sie wollten mehr Gewalt? jetzt haben sie mehr Gewalt, allerdings anders als sie dachten.
Gewalt produziert immer Gegengewalt.
Wer Wind sät wird Sturm ernten, galt es.

Raul Gutmann
6 Monate her

Es mag auf den ersten Blick fern stehen, doch Tucker Carlson beschrieb vor einigen Monaten den Unterschied zwischen Donald Trump und der Mehrzahl sonstiger Politiker cum grano salis: Während ersterer authenisch zu seinen Reden sei, behauptete zwar letztgenannte, die Jugend sei der Garant der Zukunft, doch wenn sie vom Podium herabstiegen, lautete ihre erste Frage: „Where are the ‚chicks’?“

peer stevens
6 Monate her

…Warum schreiben Sie:
…“ließ sich auch zu einer Geste hinreißen, die man durchaus als Hitler-Gruß deuten kann“.
…in eine derartig-fürchterliche Ecke hoch, die dem, was anno dazumal als sog. „Deutscher Gruß“ bezeichnet wurde, doch keinerlei Ähnlichkeit hat
…dafuer ist das alles doch viel zu schludrig, viel zu besoffen!
… viellmehr sieht man da doch nur, dass einer nach irgendetwas winkt (vielleicht nach dem Kellner oder dem Chef der Pony Bar, wegen einer weiteren Champagner- oder Bierlieferung etc.)
…also Leute, haltet den Ball flach!

HRR
6 Monate her

„In kürzester Zeit waren alle Namen öffentlich. Sie haben alle ihren Job verloren. Und ich glaube, als Gesellschaft müssen wir darauf achten, dass das bei allen diesen Vorfällen gilt.“ — Armin Laschet, ein Jurist, ist eben ein Mensch mit Einfühlungsvermögen. So wie damals im Ahrtal. Insbesondere Interessierte aus den üblichen berufenen Kreisen waren schnell zu einer Vorverurteilung der grölenden Personen im Video von Sylt bereit. Ein auf Medienrecht spezialisierter Anwalt erklärte heute im Fernsehen, dass die im Video nicht verpixelten Gesichter der Unsinn grölenden Personen nicht dem geltenden Medienrecht entsprächen. Es sei dadurch zu einer juristisch nicht tragbaren allgemeinen Vorverurteilung… Mehr

A rose is a rose...
6 Monate her

War da nicht mal eine Grün:innen Politikerin, die nach auffälligem Fahrverhalten im Gewahrsam von Gesetzeshütern mehrfach lautstark einen ehemaligen Spitzenpolitiker grüßte? Aber sie wusste wahrscheinlich nicht, dass das strafbar ist und hat sich zudem sicher entschuldigt. Also, bitte weitergehen.

Oliver Koenig
6 Monate her
Antworten an  A rose is a rose...

Die Grünenpolitikerin Jutta Boden (63), die besoffen Auto fuhr, die Polizisten wüst beschimpfte und den Hitlergruss zeigte, ist Chefin besagter Agentur, die jetzt das Maul aufreisst und ihren Mitarbeiter entlässt. Ekelhaft.

Raul Gutmann
6 Monate her

Nicht grundlos heißt es, die Geschichte wiederhole nicht, doch reime sich.
So drängt sich eine Parallelität zwischen den 1920er Jahren und der Gegenwart auf.
Trotz einer formell passablen Verfassung – die übrigens die Grundlage für General de Gaulle für „seine“ und gegenwärtig existierenden fünfte Republik darstellte -, trug maßgeblich eine „undemokratische“ classe politique die Verantwortung, um nicht von Schuld zu sprechen, an der Entwicklung zur Ein-Parteien-Diktatur.

Der Winzer
6 Monate her

Der Mann ist ja gem. Lebenlauf Jurist (1. Staatsexamen).
Viel mitbekommen im Studium hat er allerdings nicht, wie es Danisch auf seinem Blog treffend beschrieben hat:
https://www.danisch.de/blog/2024/05/27/das-verfassungwidrige-geschwaetz-des-armin-laschet-jurist-cdu-zur-causa-sylt/#more-63638
Er hätte eigentlich besser zu den Grünen gepasst: Von nix eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung.
Obwohl – gilt heute auch für die Union (Scheuer, Baer, Klöckner, Spahn, Linnemann, Prien, Gueler, … )

Last edited 6 Monate her by Der Winzer
Raul Gutmann
6 Monate her
Antworten an  Der Winzer

Chapeau!, Herr „Der Winzer“, für Ihre dreiteilige Zuschrift, die in der umfangreichen aktuellen Zustandsbeschreibung dieses Landes seinen festen Platz hat.
Hochachtungsvoll

Johann P.
6 Monate her

Fast tagtäglich liefert die ehemalige Volkspartei CDU Gründe, warum sie für einen konservativ-liberalen Wähler nicht mehr wählbar ist. Die gesamte Führungsmannschaft hat sich längst als das demaskiert, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich rückgratlose Opportunisten ohne jegliche Werteordnung! Und das ist hauptsächlich das Werk jener unsäglichen Person aus der Uckermark! Völlig unverständlich, warum dieser trostlose Verein noch immer von so vielen Zeitgenossen gewählt wird.

bfwied
6 Monate her

Was ist ein Grundgesetz noch wert, wenn es nicht beachtet wird, und zwar von der Regierung u. ihren Parteien? Wenn das Bekunden einer Meinung, auch eine unmöglich pauschalisierend besoffen gegrölte, was auch in dieser Form das Grundgesetz und Gerichtsurteile zulassen, skandalisiert und bestraft wird, was ist dann ein solcher Staat überhaupt wert? Was sind seine Politiker wert? Und was sind seine Bürger wert, die sich das alles gefallen lassen? Wohin man schaut, Mobilität, Energieproduktion, Esskultur, Heizung etc., überall herrscht totale Willkür in Form von Ideologie, vollkommene Vernunftlosigkeit und Unkenntnis sowohl bez. der banalsten naturwissenschaftlichen Zusammenhänge als auch der volkswirtschaftlichen und… Mehr

joerg hensel
6 Monate her

Warum wissen es der Staatsfunk und die anderen politisch abhängigen Journallien nicht, wenn es sogar die „taz“ weiß und seit Jahren bekannt ist?