Hier das fünfte Antwortpaket. --- Zur lockeren Volksbefragung laden wir weiter herzlich ein - bitte auch Fotos von "typisch deutsch".
Das schickten unsere Zeitgenossen: Wir bitten weiter um Beiträge, die Erzählung Ihrer Großmutter, Fotos, die für Sie typisch Deutsches darstellen. Was immer Ihnen in den Sinn kommt, spontan, ernst oder witzig, wie Sie wollen. Zu dieser Lockerungsübung von Volksbefragung laden wir herzlich ein.
47, männlich, Siegburg
Eine gar nicht so einfache Antwort auf eine leichte Frage. Primär ist es der Geburtsort, der einen zum Deutschen macht. Ich drehe den Spieß mal um; selbst wenn ich Jahrzehnte in Italien wohnen und leben würde, als Italiener könnte ich mich nie bezeichnen, als halber vielleicht, aber im innersten meines Herzens würde immer das Deutsche bleiben.
Als Zweites die Erziehung. Diese typische Erziehung, die uns allen eigen ist, bis die Früchte der 68er auch da hinein wirkten. Schließlich wirkt diese ins ganze Leben hinein und prägt unseren Charakter. Und diesen Charakter halte ich für den Hauptbestandteil des Deutschseins.
Allen voran die Gutmütigkeit, die Leichtgläubigkeit, der Fleiß, der Ordnungssinn, die Vereinsmeierei, eine gewisse Demütigkeit, der Sinn nach Schönheit und Sauberkeit, Treue, ein ausgeprägtes Pflichtbewußtsein, und der Drang danach, alle angefangenen Dinge bestmöglich zu Ende zu bringen. Friedliebend ließ ich weg, denn, wenn wir ehrlich sind, dann sind wir das nicht wirklich. Wir treiben den Frieden wie auch den Krieg auf die Spitze. So ein bisschen Frieden ist uns ebenso zu wenig wie ein bisschen Krieg. Wenn schon denn schon.
Im Grunde genommen ist für mich deutschsein der Geburtsort, die Summe oben genannter Charaktereigenschaften und unser typisches Aussehen.
Es hieß doch mal: “Am deutschen Wesen wird die Welt genesen”. Zu der Zeit, als das gesagt wurde, mochte es wohl noch stimmen.
53, weiblich, Zürich: der eine dem anderen suspekt
Ich lebe seit 15 Jahren im Ausland erst in den USA und jetzt in der Schweiz. Im Ausland bekommt man den Blick von außen auf seine Herkunft. Was mir auffällt:
Deutsche im Ausland verbünden sich nicht so selbstverständlich miteinander wie andere Nationen. Der Deutsche ist immer etwas suspekt gegenüber dem Mit-Deutschen. Das ist gerade heute besonders aktuell, wo der andere ja ein Nazi sein könnte. Andere Nationen werden dagegen aufgesogen. Deutsches Essen? Ich kenne kaum jemanden, der das pflegt. Alles hat diesen negativen Touch des Nationalen. In den USA und der Schweiz dagegen erlebe ich immer wieder, wie der Stolz aufs Nationale die Menschen eint: meine Kinder mussten in den USA jeden Tag den „Pledge of Allegiance“ hersagen, voller Andacht und stolz. Ja es hat genervt, manchmal, aber es hat auch vereint. Wer hat den USA je ihre Sünden vorgerechnet. Das Ausland, vielleicht, aber die Amerikaner selbst, nein! Sie sind einfach nur stolz auf sich. Die Schweizer ebenso. Die Mundart vereint. Meine Tochter hat sie gelernt, weil sie sich sonst im Abseits gefühlt hätte.
Für mich hat Deutschland ein Trauma, es pflegt die Selbstzerfleischung und die hört auch jetzt mit der Willkommenskultur den Flüchtlingen gegenüber nicht auf. Es kommt mir mehr so vor, als wären die Flüchtlinge noch ein zusätzlicher Keil, der das Deutschsein noch suspekter macht, denn er könnte ja gegen die Flüchtlinge gerichtet sein.
Wie könnte Deutschland ein positives Selbstbild entwickeln? Meiner Meinung nach reichen die abstrakten Dinge nicht, um die Menschen zusammenzuschweißen. Ich habe den Eindruck, es wird schwierig werden. Die Nationalhymne für die Schule, nein das taugt wohl nicht. Deutschland wird für die Integration einen eigenen Weg suchen müssen. Einen Weg bei dem das Deutschsein nicht im Rampenlicht steht, sondern zurücktritt und sozusagen durch die Hintertür gereicht wird.
Vielleicht sollte man sich darauf konzentrieren, in Deutschland nach etwas zu suchen, das jenseits des Nationalstolzes die Menschen zusammenschweißen kann, wie deutsche Kinder-Lieder oder deutsche Schlager. Irgendetwas wo das Deutsche vorhanden ist, aber doch dezent gereicht wird, denn gegen einen Frontalangriff des Deutschtums sind die Deutschen einfach immer noch zu allergisch, scheint mir.
52, männlich, Berlin-Oranienburg: spätes Deutsch-sein
Mein Deutsch-sein beginnt spät, ich wuchs ohne Nationalität auf. Meine Muttersprache ist deutsch, aber mein Land war als Gegenentwurf zu Deutschland gegründet worden. Als eine Art Antideutschland. Deutschland war dort schon als Name ein Tabu. Es stand für das dritte Reich. Heimatgefühle für die DDR, in der ich geboren wurde, konnte ich nie entwickeln. Ich wollte weg, immer nur weg aus dieser Enge.
Die Erkenntnis deutsch zu sein, wurde von außen an mich herangetragen. Während eines Urlaubs mit meinen Eltern in Polen Anfang der 70er zum Beispiel. Plötzlich wurde unterschieden zwischen uns Deutschen und den Russen. Das war neu für mich. Und was noch schlimmer war: Gemeinsamkeiten wurden benannt. Aber wir sind doch aus der DDR? Ja, Deutsche seid ihr aber trotzdem!
Dann reiste ich Ende der 70er das erste Mal nach Ungarn und wurde konfrontiert mit der dortigen selbstverständlichen Gewissheit, die deutsche Teilung sei ein vorübergehendes Phänomen. Du hast es gut, irgendwann bist du Bürger dieses Wirtschaftswunderlandes wurde mir immer wieder gesagt.
Ein paar Jahre später In Rumänien lernte ich die damalige bittere Armut kennen, welche mich als DDR-Bürger richtig wohlhabend erscheinen ließ. Ich machte die Bekanntschaft anderer Deutscher in Siebenbürgen, die Wurzeln pflegten welche bei mir nur als Keime vorhanden waren.
Es waren vor allem Ausländer, die mir bewusst machten, dass ich Deutscher bin. So wuchs in mir das Interesse für das originale Deutschland und es stieg die Verachtung für das Feldexperiment DDR. Nachdem mich die Versuchsleiter gehen ließen, begann für mich die Assimilierung einer Nationalität, die, wie ich von anderen erfahren hatte, meine sein musste. Ich war bereit mir Mühe zu geben, änderte meine Wortwahl und Teile meiner Gepflogenheiten. Ich passte mich an, weil ich dazugehören wollte.
Das war in Berlin keine sehr große Herausforderung, in anderen Teilen Deutschlands hätte ich mir bestimmt mehr Mühe geben müssen.
Im Mutterland des Deutschseins traf ich dann seltsamerweise oft auf eine ähnlich verdruckste Beziehung zur eigenen Nationalität, wie ich sie von der DDR her kannte. Das unterbrach meinen Assimilierungsprozess hinsichtlich der Entwicklung meines Deutschseins und ich spürte erneut ein Gefühl der Verachtung, wie ich es gegenüber der DDR empfand. Dieses Déjà-vu relativierte zwar nicht meinen großartigen Gewinn an persönlicher Freiheit, aber die Beantwortung der Frage, wie deutsch ich mich selbst sehe, wurde verdrängt.
Doch mir wurde abermals (nach-)geholfen, nicht in Deutschland, sondern überall dort, wo mich meine Reiselust hintrieb. Diesmal waren es vor allem Angelsachsen, die mir klarmachten, dass nur ein bewusstes Verhältnis zur eigenen Nation mir die Möglichkeit eröffnen würde, mit Freude deutsch zu sein und gleichzeitig Verantwortung für die Geschichte meiner Nation zu tragen. Und nebenbei ernst genommen zu werden. Wie zur Bestätigung bemerkte ich, dass mir Leute, egal welcher Nationalität, unsympathisch wurden, wenn sie kein gutes Haar an ihrem Land ließen. Als Besucher wollte ich nicht, dass jemand mein Reiseziel in den Dreck zieht. Mich interessierte das Positive.
Nun warte ich seit beinah zwei Jahrzehnten, dass es hier ein Ende hat mit Floskeln wie „die Deutschen“, wenn ein Moderator über unsere Fußball-Nationalmannschaft spricht. Es wird immer noch in der dritten Person geredet über das, was ein jeder in Deutschland – auf seine Art – ist: Ein Deutscher. Nur wenige scheinen gerne Deutsche zu sein und schätzen das, wofür Deutschland überall auf der Welt bewundert wird. Seine Ingenieurskunst z.B., seine Maschinen, seine Autos und seine Industrie. Aber auch seinen Mittelstand und seine Wissenschaftler. Und, was kaum einer für möglich hält, seine Liberalität. Deutschland ist eines der liberalsten Länder auf der Welt. Immer noch, trotz seiner Bürokratie. Und es lebt von seiner Vielfalt.
Auch wenn mir manches Brauchtum der verschiedenen deutschen Volksgruppen mit ihren unterschiedlichen Gepflogenheiten in Deutschland fremd bleiben wird, so grüße ich doch im Süden mit „Grüß Gott“ und im Norden mit „Moin, moin“. Ich lass mich weiterhin ein auf die erfahrungsreichen Unterschiede und assimiliere was mir gefällt, auch wenn es manchmal nur aus Spaß passiert.
Meine Integration begann mit meiner Erwerbstätigkeit. Die paar Monate bis zu meinem ersten Job im Westen spielten sich in einer Art Ex-DDR-Parallelgesellschaft ab. Ich kannte nur Ossis. Das änderte sich jedoch recht schnell, nicht zuletzt durch den Arbeitsalltag. Erfolgreiche Integration setzt Erwerbstätigkeit voraus. Sie vollzieht sich in der Interaktion mit der Gesellschaft, dort wo sie sich reproduziert. Und sie gelingt umso besser, wenn die Grundregeln im Zusammenhang mit ihren positiven Intentionen verbunden werden. So entsteht Respekt statt Verachtung.
Das trifft auch auf die Werte zu. Sie sollten positiv repräsentiert werden. Als etwas worauf wir Deutsche stolz sind. Solche Werte können dann auch leichter vermittelt werden. Wer dagegen sein Land nicht mag, kann andere nicht integrieren. Das ist wie mit der Liebe. Wer sich selbst nicht liebt, wird keinen Nächsten lieben können. Bevor ich also eine Leitkultur versuche zu vermitteln, stelle ich heraus, was mir an Deutschland gefällt, weshalb ich hier gerne lebe. Das Negative überlasse ich der Erkenntnisfindung des Migranten.
Während mir meine individuelle Freiheit wichtig ist, ist es dem Nächsten seine soziale Sicherheit. Während ich überzeugt bin, mein Wohlstand hängt von dem erfolgreichen Mittelstand und der Industrie ab, will mein Nachbar zurück zur Natur und hält Wachstum für existenzbedrohend. Ordnung, Fleiß und Pünktlichkeit zählen zu den deutschen Tugenden, doch nur wer sie lebt, kann sie auch vermitteln. Was bleibt dann noch von diesen Tugenden?
So wird das erste reale Bild von Deutschland geprägt von den Menschen, mit denen man in Kontakt kommt. Ihre gelebten Werte sind der erste Teil der Werte, die Deutschland für einen Neuling ausmachen. Wer seine ersten Kontakte mit notorischen Nörglern knüpft, erhält ein anderes Deutschlandbild als einer mit einem Umfeld von positiv denkenden und aufgeschlossenen Bürgern, denen westliche Werte etwas bedeuten. Die Deutschland als Teil des Westens sehen.
Mein Deutschlandbild ist geprägt von seiner Westbindung und seiner Bündnistreue. Das ist mein positives Bild meines Landes. Hinzu kommt seine erfolgreiche Wirtschaft und das hohe Maß an individueller Freiheit. Alles andere – wie die Tugenden und regionalen Besonderheiten bei Gebräuchen und Gewohnheiten – prägen Teile des Landes und sind für mich nur mit Einschränkungen repräsentativ für das Ganze.
Ich bin mir nicht mal sicher ob mein Deutschlandbild überhaupt mehrheitsfähig ist und gehe davon aus, dass es viele Bilder gibt. Auch solche, mit denen ich mich nicht mal im Ansatz anfreunden könnte. Inwiefern ich selbst einer Leitkultur folgen kann, hängt also von meiner Bereitschaft ab, all die anderen Deutschlandbilder als Variationen hinzunehmen, ohne meine Argumentation gegen sie aufzugeben. Die ist vorhanden. Nicht mehr und nicht weniger.
Und viel mehr erwarte ich von den Migranten auch nicht. Außer, dass sie einen eventuellem Hass gegenüber anderen Religionsgruppen abzulegen haben. Dass ihnen bewusst ist, mit Deutschland ein Land gewählt zu haben, dass sich auf christliche und jüdische Wurzeln beruft. Nicht auf islamische.
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