Antworten 4: Deutsch sein, was ist das für Sie ganz persönlich?

Hier das vierte Antwortpaket. --- Zur lockeren Volksbefragung laden wir weiter herzlich ein - auch für Fotos sind wir sehr dankbar.

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Fortsetzung – Seite 3

45, männlich, Bayern

Meine Großeltern väterlicherseits waren polnischstämmige Rumänen, am schwarzen Meer freiwillig deutsch (sprechend) vor der dunkelsten Zeit, vertrieben bzw. kassiert vom „Reich“, „alternativlos“ in Bayern nach 1945.

Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland

Einigkeit: unter einer Nation, welche mehr ist als die Bundesrepublik Deutschland. Eine lange Geschichte. Eine große Kultur in vielen Facetten. Ein Volk, das viele Wurzeln hat, aber trotzdem unter einem gemeinsamen Nenner sein will, dem „deutsch“ als Adjektiv.

Recht: entgegen der Willkür, „großen Führern“ und Göttern, entgegen einem „Volkszorn“. Eine Ordnung, die Frieden bringen will und Regeln, die das Leben einfacher machen sollen. Sozialer Ausgleich auf bürgerlicher Leistungsdefinition und Gerechtigkeitssinn.

Freiheit: die Grundlage für Kreativität. Geistesleben, welches diese Kulturgruppen verfeinert und weltbekannt gemacht hat. Gelegenheit und zugleich Grenze – denn niemals darf eine große Idee die Freiheit anderer Menschen beschränken. Die Freiheit, auf Basis der Vernunft zu zweifeln – an allem und jedem – gerade an denen, die wieder mal „Größtes“ vorhaben und dabei nur viel zerstören.

„Deutsch“ ist sehr vielfältig, eben nicht einheitlich, daher kaum mit wenigen Sätzen oder einer Fibel auszudrücken. „Deutsch“ kann man nicht nur mit einem Pass werden. Man muß die Sprache lernen, sich unter diese Deutschen mischen und die vielen Facetten erleben. Dann ist man (vielleicht auch plötzlich) selbst eine von diesen vielen Facetten, Teil eines bunten Deutschland. Nein, keine Multikultur, sondern buntes Deutsch.

Herzlich willkommen!

69, männlich, NRW

Deutsch zu sein bedeutet für mich zunächst, Deutsch als meine Muttersprache zu verstehen. Damit einhergehend alle durch Sprache und ihre subtilen Ausdrucksmöglichkeiten gegebenen kulturellen Verhaltensweisen so verinnerlicht zu haben, das sie ohne Nachzudenken selbstverständlicher Teil meiner Ausdrucksfähigkeit sind.

Deutsch zu sein bedeutet, Glied einer langen Kette von Menschen zu sein, deren Vorfahren gemeinsame Geschichte erlebt und die diese Erfahrungen positiver oder negativer Art durch die Generationen weiter gegeben haben.

Deutsch zu sein bedeutet, Vorfahren zu haben, die eine zweitausendjährige Geschichte gelebt haben und die Erinnerung daran bewusst oder unbewusst an die Nachfahren weiter gegeben haben. Gutes – Schlechtes – Böses -Erfolge -Misserfolge. Große kulturelle Leistungen wie unsägliche Verbrechen.

Dies alles schafft Identität. Ich bin zutiefst davon überzeugt, das diese Identität, in der sich ein großer Schatz an Menschheitserfahrungen bündelt, es wert ist, erhalten zu werden.

57, männlich, bei Leipzig: keine Identifizierung

Deutsch-sein und der deutsche Nationalstaat sind für mich nicht wirklich relevant, bzw. geschichtlich überholt. Mein Bezug geht eher mit dem Gebiet, also der Heimat in der ich lebe einher. Die fehlende Identifizierung mit Deutschen und Deutschland ist wohl meiner Geschichte geschuldet.

Ich wurde 1958 in der DDR geboren und bin dort aufgewachsen. Bis zu meinem 14. / 15. Lebensjahr war ich „strammer“ Pionier und später FDJ`ler, der glaubte, im besseren, dem guten Deutschland zu leben. Den Ideen das Kommunismus war ich nicht abgeneigt.

Ab dem 15. Lebensjahr bin ich mit einer Gruppe älterer Jugendlicher zusammen gekommen, die mir in der DDR verbotene Bücher zugänglich machten. Es wurde Biermann, Zappa und Lindenberg gehört. Wir lasen Solzhenitsyn und Dutschke, wir haben uns nach einer DDR-RAF gesehnt, die den Kommunisten auf die Finger haut. Wir haben dann gemeinsam diskutiert und es ward vorbei mit mir als gutgläubiger DDR Bürger.

Mit 18 Jahren bin ich aus allen gesellschaftlichen Organisationen (FDJ, Gewerkschaft, DSF) ausgetreten. Als ich 26 Jahre war, habe ich mich selbstständig gemacht, und konnte so mein Leben relativ entkoppelt vom „normalen“ DDR Leben gestalten. Ich habe mir eine Insel in der DDR geschaffen.

Nach der Wende konnte ich die Firma international ausbauen, wir arbeiten auf allen Kontinenten, und ich fühle mich überall auf der Welt wohl, wo ich willkommen bin. Es gab somit für mich keine richtige Identifizierung mit dem Staat DDR, und das hat sich bis Heute fortgesetzt.

56, weiblich, München: Privileg

Deutsch-sein, das ist für mich das Geschenk und hoch geschätzte Privileg von: Freiheit, Freizügigkeit, jahrzehntelangem Frieden, demokratischer Rechtsstaatlichkeit, öffentlicher Sicherheit, großem Wohlstand (der allerdings hart erarbeitet ist), Umweltweltbewusstsein, sehr vielen Möglichkeiten, Aus- und Weiterbildungschancen, frei wählbarer Arbeit, funktionierenden Sozialsystemen, gesellschaftlicher Solidarität, einer schönen und sehr differenzierten Sprache, guter Werte (wie Zuverlässigkeit, Ordnung, Sauberkeit, Disziplin, Bildung, Innovationskraft), kulinarischer und regionaler Vielfalt und ein beeindruckendes geistiges Erbe (Dichter, Denker, Maler, Musiker, Politiker, Wissenschaftler, Erfinder, Unternehmer). Außerdem ist es landschaftlich sehr  abwechslungsreich und reizvoll.

58, männlich, Oldenburg: genetisch nicht wirklich

Das ist keine einfache Frage, und wenn ich mal alle gängigen Bonmots ausser Acht lasse (von denen viele ja doch einen Kern Wahrheit enthalten), was bleibt dann? Genetisch gibt es uns Deutsche ja gar nicht wirklich, nach zwei großen Völkerwanderungen und vielen kleineren europäischen Durchmischungs-“Ereignissen” (z.B. 30jähriger Krieg) sind wir allesamt so was von „durchmischt und durchrasst” (danke für diesen schönen Ausdruck, Herr Stoiber!), dass die genetische Variabilität der Deutschen wohl deutlich höher ist als die anderer Nationen. Ich bin z.B. zu 12,5% genetischer Franzose.

Aber was macht uns Deutsche dann aus? Mir kommt in den Sinn: Eine gewisse Ernsthaftigkeit in allen Dingen, denen wir selbst Bedeutung zumessen. Damit – oft genug in positivem Sinn – verbunden ein Hang zur Perfektion. Der Drang allen Dingen – materiell & philosophisch – auf den Grund gehen zu wollen. Die Bereitschaft, sich voll für ein gemeinsames Ziel einzusetzen, d.h. auch sich selbst zurückzustellen hinter die gemeinsame Aufgabe. Ich glaube auch, dass man uns Deutschen deutlich anmerkt, dass unsere Geschichte keine Geschichte der Nation ist, die nicht hinterfragte nationale Identität ist kaum vorhanden; “right or wrong, my country” klingt für mich völlig abwegig, für die meisten Deutschen vermutlich auch.

70, männlich, Gondelsheim

Deutsch zu sein war für mich eine nicht zu hinterfragende Tatsache. Das hieß in meiner Familie einen Opa gehabt zu haben, der in Baden Pfarrer war und zu den sog.“Deutschen Christen“ gehörte. Sein Bruder war Pfarrer im Elsass und nach dem 1. WK französischer Bürger. Zu diesem Zweig der Familie gehört mittlerweile eine marokkanische Jüdin und ein Weingut in der Nähe von Colmar. Deutsch zu sein hieß für mich als Wehrpflichtiger zum Bund zu gehen und den Militärbetrieb als geistestötend zu erleben. Mit der Verheiratung hatte ich dann auf einmal Verwandte in der DDR, die ich häufig besuchte und so auch die Seite der wirklichen Kriegsverlierer kennen lernte. Deutsch zu sein war schön, als es zur Wiedervereinigung kam und ich war stolz auf den Mut meiner Landsleute. Deutsch zu sein ist es, sich seiner besonderen Geschichte bewusst zu sein, wer meint durch die bloße Akzeptanz des Grundgesetzes Deutsch zu werden, reduziert sein Deutsch-sein auf die Zeit nach 1945.

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