Anke Rehlinger gilt als Nachfolgerin von Saskia Esken

Eine Szene aus dem Bundestag geht viral: Zu sehen sind darin Olaf Scholz und Rolf Mützenich, wie sie Saskia Esken stehen lassen. Wie ein Mauerblümchen auf dem Schulhof. Die Tage Eskens als Parteivorsitzende der SPD dürften gezählt sein.

picture alliance / Flashpic | Jens Krick
Anke Rehlinger (SPD), Deutscher Bundestag, Berlin, 16.12.2024

Es ist eine Szene, wie sie täglich auf jedem Schulhof vorkommt. Die beiden Alpha-Männchen stehen und stecken die Köpfe zusammen. Dann kommt das Mauerblümchen dazu und will Teil der Gruppe sein. Doch so wie die Jungs sie erblicken, suchen sie das Weite. Nur dass der Schulhof das deutsche Parlament war, die beiden Jungs Kanzler Olaf Scholz und der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, und das Mädchen, vor dem sie die Flucht ergriffen, ihre Parteivorsitzende Saskia Esken.

Die Partei wird in den nächsten Tagen alles versuchen, die Szene klein zu reden. Scholz spricht schon von einem peinlichen Missverständnis. Doch in den sozialen Netzwerken geht die Szene schon viral. Und Esken selbst hat auf die mobbenden Jungs reagiert. Der Blick. Die Geste mit den gewinkelt ausgestreckten Händen, die einerseits okay sagt und andererseits fragt: Was soll das? In der SPD ist alles in Ordnung, wird die SPD sagen. Die Bilder aus dem Bundestag nach der gewonnenen Abstimmung um das verlorene Vertrauen beweisen das Gegenteil.

— Sibel🌸 (@SibelMedi) December 16, 2024

Zumal die Szene ins Bild passt. Der Berliner Politbetrieb spekuliert bereits über den Job, den Esken annehmen wird, nachdem sie den Parteivorsitz verloren haben wird. Die Nachfolgerin steht auch schon bereit. Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. Die hat im Bundestag zur Vertrauensfrage gesprochen. Dort sollte sie die Würde ihres Amtes vertreten, Präsidentin des Bundesrates. Doch sie weigerte sich, etwas anderes abzuliefern als das Einerlei einer Parteisoldatin – mutmaßlich, weil sie einfach nichts anderes im Angebot hat.

Es gibt Gründe, warum Olaf „Respekt“ Scholz, seine Parteivorsitzende so respektlos behandelt. Nachdem der Kanzler seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen und somit den Weg zur Neuwahl eingeschlagen hatte, entfachten Hinterbänkler eine Diskussion: Wäre Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht der bessere Kanzlerkandidat für die SPD? Esken und ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil ließen diese Debatte laufen und beschädigten den Kanzler damit öffentlich. Der spricht zwar gerne davon, die gesellschaftliche Spaltung überwinden zu wollen, schließt aber gerne die aus, die ihm nicht gefolgt sind.

Esken übernahm den Parteivorsitz 2019. Auf einem Tiefpunkt der SPD. Andrea Nahles war die x-te Vorsitzende, die ebenso entnervt wie erfolglos hingeworfen hatte. Die Partei bemühte eine Mitgliederbefragung, um den Nachfolger zu bestimmen. Es wurde Esken. Sie verwies Scholz auf den zweiten Platz, Karl Lauterbach auf den vierten und Ralf Stegner auf den sechsten Platz – von sechs.

Dass Esken nicht gerade die Aura eines Willy Brandt hat, ist unumstritten – und so vorsichtig ausgedrückt, dass es eher als Parodie denn als nüchternes Urteil zu lesen ist. Andererseits hat sie eine Partei übernommen, die offen darüber diskutiert hat, auf eine Kanzlerkandidatur zu verzichten, weil die so aussichtslos sei. Mit ihrem frühzeitigen Verzicht auf eine eigene Kandidatur und der Festlegung auf Scholz hat sie dessen Sieg von 2021 überhaupt erst möglich gemacht. Ebenso verzichtete sie auf ein eigenes Ministeramt, um der Bildung einer Ampel nicht im Wege zu stehen. Dem Volk hat sie damit vielleicht keinen Gefallen getan, der eigenen Partei aber schon. Dank braucht sie dafür keinen zu erwarten. Das haben die beiden Alphatiere im Bundestag vor laufender Kamera dokumentiert.

Anzeige

Unterstützung
oder