Die Ampel kriegt nicht einmal die Archivierung wichtiger Akten auf die Reihe

Die Bundesregierung hat mehr „Transparenz“ versprochen: Immerhin zwanzigmal taucht das Wort im Koalitionsvertrag auf. Geschehen ist bislang nichts. Nicht mal „Verschlusssachen“ kann die Ampel lückenlos archivieren, um sie sicher verwahren und rasch darauf zugreifen zu können.

picture alliance / photothek | Thomas Koehler

Wer wichtige Verträge, Akten, Dokumente und Papiere nicht ordentlich sortiert und aufbewahrt, ist ein Chaot oder ein Vertuscher. Das gilt für Privatleute, Firmen, Vereine – und es gilt zumal für eine Institution und deren Beschäftige, die im Auftrag aller Bürger arbeiten sollen: für Regierende.

Nun stellt sich heraus: Nicht einmal „Verschlusssachen“ kann die „Ampel“ lückenlos archivieren, um sie sicher zu verwahren und um im Bedarfsfall rasch darauf zugreifen zu können.

Klar, man kann schon auch mal den Überblick bei der Aktenführung verlieren. Denn schließlich war es der Ampel wichtiger, ihren Apparat aufzublähen. Aber bitte doch nicht für die Archivierung! Immerhin hat die Ampel

  • seit Amtsantritt am 8. Dezember 2021 insgesamt 11.500 neue Beamtenstellen geschaffen;
  • 37 Staatsminister bzw. Parlamentarische Staatssekretäre;
  • 31 beamtete Staatssekretäre;
  • die Zahl der Ministerialdirektoren dürfte bei über 150 liegen;
  • 45 „Beauftragte“, davon 21 MdB und/oder Staatssekretäre oder Staatsminister;
  • 27 Beratungsgremien/Sachverständigenräte, zum Beispiel für Ethik, Bioökonomie, Digitales, Klima, IT, gesamtwirtschaftliche Entwicklung usw.

Wer soll denn da noch mit der Aktendokumentation hinterherkommen? Diese Ampel-Hochkaräter sind doch nicht dafür da, im Archiv zu arbeiten. Außerdem hat die Ampel ihren Apparat zumal in den Spitzen mit Leuten besetzt, die keine andere Erfahrung haben als die Erfahrung, die man halt als mehr oder weniger exponierter Parteisoldat oder als NGO-Bonze hat. Verwaltungskompetenz gehört nicht dazu.

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Und so wächst die Zahl der „Verschlusssachen“, die meisten Ministerien wissen selbst nicht mehr, wie viele Dokumente sie geheim halten. Es fehlen der Überblick und die Kontrolle. Darunter sind brisante Dokumente, die in falschen Händen die Sicherheit des Staates gefährden könnten, etwa der Alarmplan der Bundeswehr oder die Akten der drei Geheimdienste BND, BfV und MDA. Zugleich werden Dokumente als Verschlusssachen eingestuft und gehalten, die gar nicht sicherheitsrelevant sind.

Willkür allenthalben: Da werden dann Akten als sicherheitsrelevant eingestuft, die von öffentlichem Interesse sind. Aktuelles Beispiel, über das die WELT berichtet: die Unterlagen zu milliardenschweren Käufen von Corona-Masken und die dubiose Vergabe von Impfkampagnen an Agenturen durch das Gesundheitsministeriums (BMG). Anstatt sie offenzulegen, erklärte das Ministerium sie nachträglich zu Verschlusssachen und erschwerte so eine öffentliche Untersuchung. So einfach geht das. Oder nehmen wir die Protokolle des Robert-Koch-Instituts. Nach langem Hin und Her wurden sie gezeigt, aber zum größten Teil geschwärzt. So läuft Transparenz.

Nicht einmal die Frage, wie viele Verschlusssachen in den letzten fünf Jahren hinzugekommen sind, kann die Bundesregierung vollständig beantworten; das ergab eine Anfrage von Welt am Sonntag bei den Bundesministerien. Konkret: Die Ampel hat keinen Überblick über Verschlusssachen der niedrigsten Geheimhaltungsstufe „Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD), sie werden in keinem Ressort statistisch erfasst. Folge unter anderem: Im Juli 2022 entdeckten Nachbarn im Hausmüll des Kanzlerpaars Scholz/Ernst ein Papier, das Kurzprofile der Partner der G-7-Regierungschefs enthielt und als „VS-NfD“ gekennzeichnet war.

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Nur sechs Ministerien konnten für den Zeitraum seit 2020 Zahlen zu den nächsthöheren Stufen „Vertraulich“ (VS-Vertr.) und „Geheim“ (Geh.) nennen: Die anderen acht Ministerien nicht. Das Verteidigungsministerium (BMVg) hat bis einschließlich 29. April 2024 insgesamt 11.628 Dokumente als „VS-Vertr.“ oder „Geh.“ eingestuft, davon sehr viele im Jahr 2022 (3580). Böse Frage: Hat das mit dem Minister(innen)wechsel im Verteidigungsressort zu tun? Das Innenministerium (BMI) meldet 502 Neueinstufungen, das Umweltministerium zwölf.

Es fehlt jedenfalls an Transparenz und unabhängiger Kontrolle. Bezeichnenderweise entscheidet über die Herausgabe einer Akte dieselbe Stelle, die die Einstufung veranlasst hat. Einen regelmäßigen Kontrollprozess gibt es nicht.

Dabei hatte die Regierung im Koalitionsvertrag mehr Transparenz versprochen. Immerhin zwanzigmal taucht das Wort „Transparenz“ im Ampel-Koalitionsvertrag auf. Geschehen ist bislang aber nichts, Fraktionen und das Bundesministerium des Innern (BMI) geben sich dafür gegenseitig die Schuld. Klar, das Faeser-BMI muss Deutschland ja vor AfD und Co. sowie vor den Reichsbürgern mit ihrem angeblich gewaltigen Waffenarsenal schützen usw.

Immerhin gibt es jetzt mit Louisa Specht-Riemenschneider eine neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Und vielleicht entdeckt man in der Ampel auch einmal die ach so „neuen“ Möglichkeiten der Digitalisierung von Dokumenten.

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Kommentare ( 9 )

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9 Comments
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Marcel Seiler
6 Monate her

Die Ampel ist pure Ideologie ohne Kenntnis und Tugenden, die man für eine gute Staatsführung braucht. Sie wollen den Staat nicht unbedingt erhalten, sie wollen ihn nur benutzen.

H. Priess
6 Monate her

Louisa Specht-Riemenschneider! Eine Rechtswissenschaftlerin und Hochschullehrerin ist natürlich geradezu prädestiniert solch eine wichtige Verwaltungsaufgabe zu übernehmen. Ich wette, es war gerade keiner in der zuständigen Behörde zur Hand um den Job zu erledigen. Dazu kommt auch noch die gewaltige Aufgabe der digitaler Erfassung und Archivierung dieser Daten die auch bald ansteht. Aber ich denke, in irgendeinem Kaninchenzüchterverein findet sich eine kompetente Person. Nichts gegen Kaninchenzüchter, ich denke, da gibt es wirklich kompetentere Personen.
Transparenz bedeutet heute, ich weiß was, was du nicht weißt! Die höchste Form der Verschleierung ist Transparenz! Alles wird so durchsichtig, daß keiner mehr durchsieht.

Bernd Bueter
6 Monate her

Diese Organisierte Altparteien-Kriminalität benötigt zur Aktenablage bis hin zu Verschlussachen nur eines:
Nen dicken Edding und einen, der zeilengenau schwärzen kann.
Soll ja keiner den kriminellen Schwachsinn zu lesen bekommen.

Max Rein
6 Monate her

Wird die Bundesbeauftragte für Digitales auch mit B9 entlohnt statt B6 wie der (Anti-)Polizeibeauftragte?

Karl Kaiser
6 Monate her

Konkursverwalter kennen das: Wenn man bei einem entsprechendem Unternehmen die Geschäftsführung zu übernehmen hat, wird man in schöner Regelmäßigkeit feststellen, daß die Buchhaltung, insbesondere die der letzten zwei Jahre, immer undurchschaubarer geworden ist.
Da wird man um eine Liquidierung nicht herumkommen, wenn man nicht immer neue unangenehme Überaschungen erleben will.
Wie bitte? Ein Staat kann nicht Konkurs gehen? Abwarten.

dienbienphu
6 Monate her

Die ordentliche Archivierung, sodass man alles bei Bedarf zügig finden kann, ist eben auch eine Kunst. Eigentlich ungeheuerlich, welche Freiheiten man einer Bundesregierung da einräumt. Jede Spelunke muss Belege 10 Jahre für die Finanzbehörden aufbewahren und im Fall einer Betriebsprüfung den Finanzbeamten zugänglich machen.

Der Ingenieur
6 Monate her

„Die Bundesregierung hat mehr „Transparenz“ versprochen: Immerhin zwanzigmal taucht das Wort im Koalitionsvertrag auf.“

Der Begriff „Transparenz“ gehört inzwischen ebenfalls zum „New Speech/Neusprech„-Vokabular der Ampel-Regierung à la „1984“ und bedeutet in Wirklichkeit „Verschleierung„.

Last edited 6 Monate her by Der Ingenieur
Klaus Uhltzscht
6 Monate her

Bei ordnungsgemässer Archivierung könnten Persönlichkeitsrechte von Politikern verletzt werden.
Und zweitens gilt, wer weniger archiviert, muss auch weniger schwärzen.

derostenistrot
6 Monate her

es ist schon oft gesagt worden, aber ich wiederhole es trotzdem: wir haben eine Regierung der Minderleister.