„… gut, dass ich nicht so bin wie andere!“ – Kardinal Marx, der Papst und ein PR-Gag

Die vermeintliche Demut des Kardinals Marx mit seinem Rücktrittsgesuch, das der Papst dann voller Lob ablehnt, dürfte vor allem eines sein: ein Schmierentheater. Was Marx da bot, war nicht biblisch, sondern verschlagen diplomatisch.

IMAGO / Sven Simon

Was für ein Schmierentheater! Wer soll das denn noch ernst nehmen? Wer hier an Zufall glaubt, geht davon aus, dass der Klapperstorch die Kinder bringt: Kardinal Marx bittet letzte Woche den Papst um Entbindung vom Amt des Münchner Erzbischofs und der erlaubt ausdrücklich, dass dieser Brief veröffentlicht wird. Klares Zeichen: Er nimmt den Rücktritt an. Doch dann, April, April: Marx muss (!) im Amt bleiben und der Papst macht sich obendrein den Inhalt des Schreibens weitestgehend zu eigen.

Allerdings mit bühnenreifen Seitenhieben auf den Münchner Domschauspieler, dem inzwischen selbst seine ehemals getreuesten unter den „Qualitätsmedien“ nur noch den Rang eines Laiendarstellers einräumen. Das „Demutsmanöver“ (Welt) entpuppt sich als PR-Gag, von dem Laschet, Baerbock, Söder und Co. noch viel lernen können. Und wenn das Zuspiel Rom/München auf dem EM-Rasen die nächsten Tage auch so gut klappt, wird Deutschland Europameister.

Ein Rückblick auf letzte Woche lohnt also.

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Er kam wieder mal gewichtig daher. Selbstverliebt, selbstgefällig und larmoyant. Man lasse nur die Bilder der Pressekonferenz auf sich wirken. Eitel und herrisch lauten Attribute seiner Amtsjahre. Das ist es, was am meisten abstößt: Kein Hauch eigener Schuld. Nur Allgemeinplätze dazu, fromm ummantelt. Nur „die anderen“. Die Welt nennt es seitenfüllend denn auch bereits in der Überschrift „Das Demutsmanöver“. Was Marx da bot, hatte wenig mit biblischer Kirche, aber viel mit verschlagener Diplomatie zu tun. Unter dem Strich sollte jeder die wahre Botschaft hören (und die Medien fielen fast sämtlich darauf rein): der böse Woelki bleibt und klebt an seinem Stuhl. Doch der reine Reinhard poliert sich noch ein Opfer-Image: Seht her, ich bin der bessere, der einzige klerikale Gutmensch unter all den Vertuschern, Verkalkten, Verbohrten. Seine „Erkenntnisse“ kämen vom Lesen des Evangeliums („durch die Osterzeit ermutigt“). Doch dabei muss er eine zentrale Geschichte überblättert haben: Der Arzt (!) Lukas berichtet im 18. Kapitel seines Evangeliums von einem Pharisäer, der sich selbstgerecht brüstet: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie andere Leute.“

Das war schon bei der Causa Tebartz-van Elst, also des Limburger „lieben Amtsbruders“, so: Dreck auf ihn werfen, in vagen privaten Andeutungen (wo war da eigentlich die queere Lobby auf den Barrikaden?!) und schwergewichtiger „Sorge um die Gesamtkirche“ schwelgen. Dreißig Millionen Euro für ein riesiges denkmalgeschütztes Ensemble in Limburg — doch des Gutmenschen Marx´ Palais war gerade für satte 8,7 Millionen renoviert. Gut, dass ich nicht so bin….

Und jetzt ist Woelki dran. Nur man selbst nicht. Stattdessen hollywoodreife Dramen der Demut: Verzicht aufs Bundesverdienstkreuz, von ahnungslosen oder interessegeleiteten „Qualitätsmedien“ auch noch als Demutsgeste gefeiert — statt den Bundespräsidenten zu fragen, wieso einer wie er überhaupt auf die Liste kam. Die Missbrauchsopfer schrien ja schon auf. Kein Wort vom eigenen Vertuschen zu Marxens Trierer Zeit, vom Verschluss der Missbrauchsakten in München.

Bild hat recht, wenn es dort zum Rücktrittsgesuch heißt: „Das klingt edel. Aber nach Bild-Informationen könnte Marx mit diesem Schritt auch einer für ihn peinlichen Enthüllung zuvorkommen. Denn im Herbst wird das nächste Vertuschungs-Gutachten vorgestellt. Diesmal im Mittelpunkt: das Erzbistum München.“ Schon zuvor habe „der Machtmensch Marx“ ja bereits „verdächtig viel Einfluss abgegeben“, zum Beispiel keine weitere Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz. In diesem Mann, „der machtvolle Ämter sammelte wie andere Jagdtrophäen…..verschränkten sich individuelles Scheitern und kollektives Unvermögen,“ so der FAZ-Leitartikel zum Rücktritt.

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 Kein Reue-Wort zum „Synodalen Weg“, der als Beifall heischender Umweg rund um den Kern des Katholizismus letztlich zum Ziel hat, noch mehr Gläubige zum Austritt zu treiben. Oder hat die protestantische EKD etwa durch ihre Bischöfinnen (fast sämtliche nie wieder gewählt oder als gescheitert zurückgetreten) oder (mit wem auch immer) verheirateten Pfarrern nicht verloren? Statt Zugewinn (was ja in der Logik des synodalen Irr- und Holzweges läge) in der Summe Verlust bei der evangelischen Vorbild-Kirche, der die Schäfchen ebenfalls in Scharen davonlaufen.

Gut, dass ich nicht so bin wie andere…. Und der investigative Journalismus, im Corona Fieber erloschen und im Merkel-Rausch ersoffen, versagt auch hier! Wo sind die selbsternannten Ermittlungsbehörden der Vierten Gewalt in diesem Fall? Wenn sie wenigstens einen Hauch von Anti-Woelki/Ratzinger/Tebartz-Elan bei Marx und Co an den Tag legten und das Dunkel um die Selbstgerechten nur ein bisschen erhellten, wir würden uns wahrscheinlich wundern.

Vorherrschende Meinung eines oberflächlichen Journalismus, der jeglichen Bezug zur Institution Kirche verloren hat: nach diesem „Rücktrittsschock“ begänne endlich die (liberale) Reformation des verstocken Klerikal-Katholizismus. Klarer und realistischer sieht es dagegen Josef Kraus, Katholik und langjähriger Lehrer-Präsident, in Tichys Einblick: „So gesehen ist Marx‘ Abgang eine Chance für die Katholische Kirche nicht nur zur Aufklärung des Missbrauchs, sondern auch eine Chance, den Weg wieder zurück von einer politisierenden NGO zu einer (echten) Kirche einzuschlagen.

Übrigens: Das Münchner Ökumene-Duo, meist wie eine Mischung aus Doppeltem Lottchen oder den Kessler-Zwillingen auftretend, bleibt sich treu. Gemeinsam verleugneten sie das Kreuz in Jerusalem und kapitulierten damit vor dem Islam. Gemeinsam förderten sie die Antifa-Flüchtlings-Fähre für Nachschub des Antisemitismus (um Modemacher Karl Lagerfeld zu zitieren). Gemeinsam übertrafen sie sich als Hassprediger gegen die, die sich dem Mainstream widersetzen und Gedankenfreiheit postulieren.

Nun verlassen sie beide gemeinsam das sinkende Schiff ihrer jeweiligen Kirche. Und das alles in der Schicksalsgemeinschaft der Selbstverliebten: Nach uns die Sintflut!
Ist also die Kirche an einem „toten Punkt“ angekommen, wie Marx meint? Oder nicht vielmehr der Analytiker selbst? Und da spricht das peinliche gemeinsame Foto von Karl und Reinhard vielsagende Bände: die beiden Marxens in Trier. Fast prophetisch war das. Ein Dokument mit Versagern. Und wer den Begriff „christliches Abendland“ als „ausgrenzend“ interpretiert, kann als Bischof ohnehin nicht ernst genommen werden. Genauso wie sein „Kapital“-Namensvetter.

Nach dieser ganzen Show der letzten Tage ist der Rom-Karriere des Reinhard Marx der rote Teppich ausgerollt? Oder der Weg versperrt? Wer weiß das schon. Was für Winkelzüge! Zum Katholischwerden!


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Kommentare ( 44 )

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metron
3 Jahre her

Als wenn es im Islam besser wäre und sittenstrenger zuginge ….
Siehe:
https://www.rnd.de/politik/missbrauchsfalle-in-koranschulen-erschuttern-immer-haufiger-die-turkei-ZRTEFQCSNZGABLOWXRVZANDOEA.html
Alle Religionen stehen für den alleinigen Anspruch auf die ‚Wahrheit‘, Hierarchien und Machtausübung.

donpedro
3 Jahre her

Ich schaeme mich als Christ mit sowas in einen Topf geworfen zu werden.

Fragen hilft
3 Jahre her

Als Bestandteil der „hinduistischen Trinität“ (Trimurti) mit den drei Aspekten des Göttlichen, also mit Brahma, der als Schöpfer gilt, und Vishnu, dem Bewahrer, verkörpert Shiva das Prinzip der Zerstörung.
Verkörpert Kardinal Marx womöglich den Shiva-Aspekt im übertragenen Sinne ?

Dr. Steffen Hein
3 Jahre her

Nach meiner Überzeugung kann die Katholische Kirche mit einer Anbiederung an den Zeitgeist durch die Übernahme populärer ideologischer Forderungen an Glaubwürdigkeit nur verlieren. Das Beispiel der Evangelischen Kirche, die beinahe jedes Jahr mehr Mitglieder verlor als die Katholische [Ausnahmen bilden die Höhepunkte der Missbrauchsdebatte; siehe:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4052/umfrage/ ], spricht m.E. dafür.

Last edited 3 Jahre her by Dr. Steffen Hein
Ludwig von Gerlach
3 Jahre her

Jesus Christus ist derselbe, gestern und heute und in Ewigkeit (Hebr. 13). Wer an ihn glaubt, hat ewiges Leben. Wegen einem fetten sanguinischen Machiavellisten aus der RKK oder dem Reeder einer Asylantenbesorgungsflotte von der EKD braucht niemand an seinem Heiland zu zweifeln. Er hat weder die RKK noch die EKD gegründet und schon gar nicht solche „Hirten“ eingesetzt.

Pragmatiker
3 Jahre her

Köstlich, mit welchem Wortwitz Peter Hahne die kaputten Kirchen in Deutschland analysiert. Kardinal Marx und Bischof Bedford-Strohm als „Mischung aus Doppeltem Lottchen und den Kessler-Zwillingen“ zu beschreiben, das ist knallhart – aber ein Treffer. Bin längst aus der (ev.) Kirche ausgetreten und habe es keine Sekunde bereut. Möchte nicht weiter eine von Hobbypolitikern geleitete NGO mit klerikalem Anstrich unterstützen. Da spende ich das hart verdiente Geld lieber für Bibelprojekte.

Gabi
3 Jahre her

Wenn er Charakter gehabt hätte, wäre er gleich ausgetreten. Aber er musste ja seinen Rücktritt „anbieten“. Es war klar, dass der Stellvertreter Gottes die Anbieterei ablehnt.

Dr. Steffen Hein
3 Jahre her
Antworten an  Gabi

Nach kanonischem Recht kann ein Bischof nicht zurücktreten, sondern nur um die Dispensierung vom Amt nachsuchen bzw. diese „anbieten“.

Last edited 3 Jahre her by Dr. Steffen Hein
Gabi
3 Jahre her
Antworten an  Dr. Steffen Hein

Danke, Herr Dr. Hein, das wusste ich nicht. Eines weiß ich: Tichy bildet uns weiter.

metron
3 Jahre her
Antworten an  Dr. Steffen Hein

Nach kanonischem ‚Recht‘ gibt es auch einen justizfreien Prallelraum, der die Täter vor Strafverfolgung abschirmt.

leser80
3 Jahre her

In die heutige Zeit paßt eine Person wie Kardinal Marx, wie ehemals in der Ära Medici üblich. Ein Versager der zuließ, daß die Gotteshäuser von einem Pfarrerstöchterlein geschlossen wurden.

Franz Grossmann
3 Jahre her

Es ist schon erstaunlich, dass immer noch Millionen von Menschen in Deutschland Mitglieder der katholischen bzw. evangelischen Kirche sind und das Treiben dieser Vereine und ihrer Spitzenleute mit ihrer Kirchensteuer unterstützen. Ich habe lange gezögert, bin aber dann doch vor einigen Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten.
Die Bischöfe werden zwar direkt vom Staat aus dem normalen Steueraufkommen bezahlt, aber wegbrechende Einnahmen aus der Kirschensteuer wird den notwendigen Druck auf die immer noch sehr reiche katholische Kirche in Deutschland erzeugen.

doncorleone46
3 Jahre her

Mich überrascht der Inhalt von Herrn Hahne keineswegs. Die führenden Köpfe der römisch katholischen Kirche waren und sind nicht ehrlich. Verschlagenheit gehört zu deren Klaviatur. Die Schafherde wird aber immer kleiner und das ist auch gut so.