Ab 2029 werden die Konfessionslosen die Mehrheit in Deutschland stellen. Selbst die Freikirchen sind gegen den Trend nicht gefeit. Nicht nur die kirchliche Bindung geht zurück, sondern auch die Religiösität als Ganzes.
Seit 1972 wird von der evangelischen Kirche alle 10 Jahre eine repräsentative kirchensoziologische Untersuchung in Auftrag gegeben, die sogenannten „Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen“. Die sechste, mittlerweile ökumenischen Untersuchung wurde in der vergangenen Woche veröffentlicht. Anbei habe ich für Sie kurz meine wichtigsten Erkenntnisse aus der umfangreichen Untersuchung zusammengefasst. Ich enthalte mich eines Kommentars dieser vielfältig deutbaren Ergebnisse, die geballt zusammenfassen, was dem aufmerksamen Beobachter des Zeitgeschehens bestimmt auch schon aufgefallen ist:
Die Ausgangslage
1973: 90 Prozent der Bevölkerung waren Mitglied der beiden Großkirchen.
2022: Die beiden Großkirchen haben weniger als 50 Prozent der Bevölkerung als Mitglieder.
2024: Alle christlichen Kirchen (inklusive Freikirchen, Orthodoxe etc.) werden weniger als 50 Prozent der Bevölkerung umfassen.
2029: Die Konfessionslosen werden die absolute Mehrheit in Deutschland haben.
Wer mit 18 Jahren konfessionslos ist, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 92 Prozent am Ende seines Lebens konfessionslos sterben. Kurz: Einmal konfessionslos, wahrscheinlich immer konfessionslos.
Wer mit 18 Jahren evangelisch ist, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 41 Prozent am Ende seines Lebens nicht mehr evangelisch sein.
Die christlichen Freikirchen sind nicht immuner gegenüber gesellschaften Entkirchlichungstendenzen.
Es besteht gesamtgesellschaftlich gesehen wenig Wanderung zwischen den Konfessionen. Die gesellschaftliche Hauptwanderung geschieht von den Konfessionellen hin zu den Konfessionslosen.
Erste Hauptaussage: Nicht nur die kirchliche Bindung geht zurück, sondern die Religiösität als Ganzes geht zurück.
Mit der kirchlichen Bindung gehen auch religiöse Praktiken wie Beten, Wallfahrten oder Lesen von religiösen Texten zurück.
56 Prozent der Menschen in Deutschland gehören zur säkularen Gruppe. Diese Menschen sind religiösen Praktiken gegenüber feindlich oder indifferent eingestellt. Sogar 33 Prozent der Kirchenmitglieder sind säkular eingestellt; sie beten nicht und besuchen nicht den Gottesdienst.
13 Prozent der Bevölkerung sind kirchlich religiös eingestellt. Diese Gruppe ist überdurchschnittlich alt.
30 Prozent gehören zu den „religiös Distanzierten“ mit einer zweifelnden Religiosität und einem abstrakten Gottesglauben ohne spezifische christliche Inhalte.
Die kleine Gruppe der esoterisch Orientierten nimmt stärker ab als die kirchlich gebundene Religiosität.
Zweite Hauptaussage: Die Unterschiede zwischen den Konfessionen sind weitgehend zurückgegangen.
Bestanden im Jahr 2002 noch signifikante Unterschiede im Beten, Gottesdienstbesuch, Jesus-Christus-Bezug und bei Wertefragen zwischen Evangelischen und Katholiken, so nähern sich die Einstellungen mittlerweile an. Die Kirchenmitglieder haben sich immer mehr „postkonfessionell“ angeglichen. Demzufolge logisch, dass 90 Prozent der Kirchlichen und sogar der Konfessionslosen wollen, dabei beide Kirchen ökumenisch zusammenrücken.
Dritte Hauptaussage: Die Menschen haben große Reformationserwartungen an die Kirchen.
Bei den Katholiken behaupten über 95 Prozent, dass ihre Kirche sich grundlegend ändern muss, wenn sie eine Zukunft haben möchte. 80 Prozent der Evangelischen sehen das ebenso für ihre eigene Kirche. Nur 50 Prozent der Katholiken meinen, dass ihre Kirche erste Schritte in die richtige Richtung geht.
Vierte Hauptaussage: Die soziale Reichweite der Kirche ist nach wie vor hoch, auch wenn die religiöse Reichweite zurückgeht.
Die Bekanntheit der Pfarrer in der Gemeinde hat nicht abgenommen. Sie liegt oft über der Bekanntheit des Bürgermeisters. Über 50 Prozent der Evangelischen haben ihren Pfarrer schon mal persönlich getroffen.
Fünfte Hauptaussage: Die Kirchen haben eine Schlüsselrolle für ehrenamtliches gesellschaftliches Engagement.
Die Kirchen stärken das gesamtgesellschaftliche Engagement. Die kirchlich Religiösen sind mit 60 Prozent signifikant höher ehrenamtlich engagiert als Konfessionslose (32 Prozent). Kirche ist eine wichtige Institution für das „Sozialkapital“ einer Gesellschaft.
Sechste Hauptaussage: Die beiden Hauptindikatoren für den Kirchenaustritt.
Menschen, die das Vertrauen in die gesellschaftlichen Institutionen wie Polizei, Politik, Medien etc. verloren haben, haben auch das Vertrauen in die Kircheninstitution verloren und treten aus.
Menschen, die nicht mehr über eigene Religiosität sprechen, treten aus. Je säkularer eine Person, desto wahrscheinlicher ist der Kirchenaustritt.
Siebte Hauptaussage: Die Menschen wollen von der Kirche nichtkirchliches Engagement.
67 Prozent der Kirchenmitglieder wollen, dass sich die Kirche nicht auf religiöse Fragen beschränkt.
100 Prozent der Bevölkerung möchte von der Kirche Beratung für Menschen in Lebenskrisen.
Das Engagement in der Flüchtlingskrise zum Beispiel durch die Seenotrettungsschiffe der EKD wird von der Mehrheit der Bevölkerung und von der Mehrheit der Kirchenmitglieder positiv gesehen.
Der seltenste Kirchenaustrittsgrund war, dass die Kirche zuviel nichtreligiöse Kommunikation tätigt. Im Gegenteil meinten 43 Prozent der Ausgetretenen, dass sie vielleicht nicht ausgetreten wären, wenn die Kirche mehr gesellschaftspolitisch machen würde.
Achte Hauptaussage: Die religiöse Sozialisation verschiebt sich von der Familie hin zum Konfirmations- und Religionsunterricht.
Bei der Frage nach dem Einfluss auf die eigene Religiosität nimmt die Bedeutung der Familie ab. Die sekundäre religiöse Sozialisation ist wichtiger geworden.
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Ich trat vor Jahrzehnten aus der EKD aus, weil ich darin keinen Glauben fand. Danach, in Freikirchen, traf ich die EKDler wieder. 2021 trat ich aus der Freikirche aus, um meines Glaubens willen. Nun, in einer Hauskirche, treffe ich die ehemaligen Freikirchler wieder. Es ist keineswegs einsam, es sind viele da. Allerdings entziehen sich die Hauskirchen der statistischen Erfassung, weil sie sich nicht registrieren. Die 80er Jahre habe ich sehr materialistisch erlebt. Atheismus war cool. Religion war nur für Alte und Zurückgebliebene. Aktuell ist es anders. Jeder glaubt an irgendwas. Buddha, Yoga, Energiesteinchen, Schamane, ‚Wissenschaft‘ und auch Allah. Der Bedarf… Mehr
Für mich werden die ersten drei Gebote der zehn Gebote vernachlässigt. Zum Beispiel ist der Klimaschutz nur einem gottähnlichen Wesen möglich. Das erste Gebot spricht davon, daß man keinen weiteren Gott neben dem Christengott haben soll. Aber der Klimaschutz erfordert eben einen solchen Gott. Gesellschaften, in denen sich Menschen als gottähnlich betrachteten, gingen stets unter. Solch eine Gesellschaft schafft der Klimaschutz. Daß dieser Zusammenhang von Theologen nicht erkannt wird, lässt mich an der Weisheit der Kirchen zweifeln. Die evangelische Kirche erscheint mir als Vorfeld der Grünen, die mit Verve Klimaschutz einfordern.Der Islam kennt nur seinen Allah; da spielt der Klimaschutz… Mehr
Danke, Herr Zorn. Wie bei allen „soziologischen“ „Studien“ muss man sich anschauen, (1) wie die Fragen lauteten, (2) in welchem Kontext sie dargeboten wurden, (3) wie die Antwortmöglichkeiten lauteten, insbesondere ihre mögliche Graduierung, (4) wie diese Antworten ausgewertet wurden (mit welchen Kategorisierungen usw.), (5) wer befragt wurde (Altersverteilung usw.), (6) wie dieses Kollektiv gewonnen wurde, (7) ob es irgendwelche „Korrekturen“ zur Erzielung von „Repräsentativität“ gab. Ohne diese Detailinformation ist das Ergebnis nicht zu interpretieren. Die Erfahrung hat gelehrt, dass immer dann, wenn auch nur im Entferntesten politische oder weltanschauliche Aspekte involviert waren, „Studien“ heutzutage manipulativ sind. Ich kenne keine Ausnahme.… Mehr
Spätestens als die Herren Marx und Bedford -Strohm beim Besuch einer Moschee in Jerusalem ihre Bischofs-Insignien abgelegt haben, war mir klar, dass diese Kirchen keine Zukunft mehr haben. Die alkoholaffine Bischöfin Käßmann, die mit ihrer Erbauungsliteratur die Buchhandlungen überflutet, rundet diese Meinung nur ab. Die Kirchentage beider Konfessionen sind grün/rote Propagandaveranstaltungen, die ein gläubiger Christ tunlichst meiden sollte! Ich erinnere mich an den Katholikentag in Leipzig, bei dem vor Beginn eines Gottesdienstes auf jedem Platz in der Kirche eine „TAZ“ lag! Ich empfehle jedem das für 300T€ Kirchensteuergeld an der WWU Münster erstellte Pamphlet „Grundpositionen der Partei ‚Alternative für Deutschland‘… Mehr
Wenn die Kirche weiterhin den Leuten nachläuft, die von ihr nichtkirchliches Engagement verlangen, ist sie verloren. „Nichtkirchliches Engagement“ können andere langfristig besser.
Was die Religion angeht: Kirchen können noch Kinderreligion: Gottvater; Bravsein, um in den Himmel zu kommen; Nikoläuse; Engel, die uns beschützen (dies nur bei den Katholiken). Aber von Erwachsenenreligion, also lebendiger Gotteserfahrung (oder wie immer man das nennt) jenseits der Worte („du sollst dir kein Bildnis machen“), hat sie keine Ahnung. An diesem Mangel wird sie zugrunde gehen.
Viele Aussagen/Punkte haben gar nichts mit Glauben zu tun. Angeblich wollen 67% der Gläubigen nicht, dass ihre Kirche/Religion sich nur mit dem Glauben beschäftigt. Hallo? Wozu ist sie denn da? Also wer Beratung in Familienangelegenheiten sucht oder über Seenotrettung, Migrantenflut oder politische Themen reden möchte, der gehört nicht in die Kirche sondern in politische Gesprächskreise, oder in eine Beratungsstelle für Familien oder soll sich in der Migrantenhilfe betätigen. Das hat doch nichts mit Religion oder Kirchenbesuch zu tun. Ich bin sehr tolerant, mir ist völlig wurscht was jemand glaubt, und ich habe auch keinen grundsätzlichen Hass auf den Islam, wie… Mehr
„Traue keiner Umfrage die du nicht selber gefälscht hast“.
Mit „fälschen“ ist hier hauptsächlich das designen der Umfrage gemeint (wobei ich mir durchaus vorstellen kann, dass bei geringer Teilnahme auch einfach Teilnehmer dazuerfunden werden), damit dann auch das gewünschte Ergebnis herauskommt.
Hat im vorliegenden Fall wieder mal geklappt würde ich sagen und alle „Normalos“ stehen kopfschüttelnd vorm Ergebnis und fragen sich mal wieder, wer in aller Welt denn da bitte ge-/befragt wurde.
Aus dem Kommentar: „…und ich habe auch keinen grundsätzlichen Hass auf den Islam, wie so viele, die hier schreiben… So lange man mich nicht bekehren will oder seinen Glauben aufzwingen will, ist mir das alles egal.“
Das ist doch gerade der Punkt: Der Islam WILL einem seinen Glauben aufzwingen, mit Todesdrohung für die, die sich vom islamischen Glauben trennen. Er WILL der Gesellschaft seine Gesellschaftsordnung aufzwingen. Islam ist gesellschaftlicher Totalitarismus mit angehängter Religion. Wer das Grundgesetz mag, dem KANN der Islam nicht egal sein.
Ich bin kein Freund von Verallgemeinerungen. Ich kenne jede Menge Muslime (frühere Gastarbeiter, meist Türken), von denen mich kein einziger belehren wollte und die auch, so wie viele Christen hier, nicht regelmäßig in die Moschee rennen oder dauernd beten. Nicht jeder Muslime ist tief religiös und will nun alle bekehren zum Islam zu konvertieren oder will uns alle töten. Man muss bedenken, dass es einen Unterschied zwischen Muslimen, die meist aus Kriegsgebieten kommen gibt, und Muslimen, die schon als Gastarbeiter vor vielen Jahrzehnten zu uns kamen. Und dann gibt es nochmal einen riesen Unterschied zwischen Arabern und anderen muslimischen Nationalitäten.… Mehr
Ich habe über den Islam geschrieben, nicht über die Muslime. Muslime mögen tolerant sein, der Islam ist es nicht.
Aber: wo werden die Muslime stehen, wenn es zwischen Grundgesetz und Islam/Scharia hart auf hart kommt? Wenn die Imame gegen das Grundgesetz aufrufen? Ich zweifle daran, dass es das Grundgesetz sein wird. Die Umfragen von Koopmans bei Muslimen deuten darauf hin, dass ein hoher Prozentsatz (nahe 50%) – je jünger, desto höher der Prozentsatz – die Demokratie ablehnen und die Scharia bevorzugen. Umfragen zum Israel-Krieg der Hamas unter Muslimen in Deutschland zeigen, dass ein hoher Prozentsatz die Hamas-Schlächter bevorzugt.
Alle 10 Jahre eine repräsentative kirchensoziologische Untersuchung, könnte man auch als Untersuchung des Zeitgeistes deklarieren. Kommt aufs selbe raus.
Eine Kirche, die sowas untersuchen lässt, zeigt, dass sie Menschen nicht ausreichend kennt. Wie will sie ohne die nötigen, eigenen Antennen am Menschen arbeiten?
Spannend wäre die auch Frage, was die Kirche mit den Ergebnissen der Untersuchung anfängt. Noch mehr Zeitgeist?
Kirche muss ohne Umfrage selber wissen, was sie tun muss, um ihrem originären Auftrag zu genügen.
Für mich ist Punkt 7 DER Grund, aus einer politisch grünen Kirche aufzutreten einer Kirche, die nicht nur als NGO der linksgrünen Regierung agiert, sondern deren Gottesdienste eher Klimagötzendienste sind und die einer Parteiversammlung der Grünen gleicht.
Die 7. Hauptaussage überrascht! Will wirklich eine Mehrheit Seenotrettung, Flüchtlinge, noch mehr illegale Einwanderung, noch mehr Engagement der Kirchen bei nichtkirchlichen Themen? Wäre das so, würde die Kirche ja alles richtig machen und es gäbe definitiv weniger Austritte!
Mich hat in den 60 Jahren vor meinem Kirchenaustritt nie jemand von der Kirche nach meiner Meinung gefragt und danach auch nicht. Wozu auch ?