„Es ist besser, dass ein Mensch sterbe, als dass das ganze Volk verderbe“

Gutmenschentum muss unbedingt eingehegt werden, damit es nicht in der Hölle endet. Nur der sich selber begrenzende Gutmensch ist davor geschützt, zum Tyrannen und Brudermörder zu werden.

Die größten Gemeinheiten geschehen im Namen des Guten. Wenn Professoren wie Ulrike Guérot oder Michael Meyen trotz grundgesetzkonformer Meinung berufliche Probleme bekommen, dann geschieht das natürlich im Namen des Guten: „Es ist besser, dass wir einen Menschen beruflich absägen, als dass viele Studenten verderben.“ Die Universität als weites und offenes „Feld“ (= Campus) der Meinungskontroverse war gestern; betreutes Denken am Rollator der Regierungsnarrative ist heute.

Wenn in Deutschland immer mehr staatlich geförderte Denunziations-Meldestellen entstehen, dann natürlich nur im Namen des Guten: „Es ist gut, wenn ihr einen Menschen bloßstellt, denn erniedrige einen und erziehe viele zum Guten.“ Denunzieren wird zu einer Heldentat, die dem Blockwart gute Gefühle schenkt und die die Welt besser macht. Hoch lebe der Volksverpetzer!

Wenn Corona-Maßnahmenkritiker diffamiert, beschimpft und ausgegrenzt wurden, dann geschah das natürlich nur im Namen des Guten: „Es ist besser, dass ein paar Menschen als Schwurbler, Covidioten und Blinddarm der Gesellschaft entmenschlicht werden, als dass die gute pandemiebekämpfende Solidargemeinschaft verderbe.“

Der Hohepriester Kaiphas bringt bei dem Entschluss zur Tötung Jesu dieses immergleiche Motto der gewaltbereiten Gutmenschen auf den Punkt: „Es ist besser, dass ein Mensch sterbe, als dass das ganze Volk verderbe“ (Johannes-Evangelium 11,50). Damit lässt sich jede Kreuzigung und jeder Rufmord rechtfertigen. Man muss nur wissen, was das Gute ist; und dann hat man den Freibrief, die Feinde des Guten hinzurichten. Und dabei kann jede gutmenschliche Schandtat moralisch überhöht und sakralisiert werden, weil man ja dem Guten dient und der Andersdenkende böse und gefährlich ist. Gutmenschen sind oftmals beseelt von dem Glauben, dass sie im Namen ihres Guten alles tun dürfen, um lästige Oppositionelle zu unterdrücken.

Auch die christliche Kirche, die nach ihrer Selbstsicht ein Hüter des Guten ist, war leider in allerlei Kreuzzügen nach außen und in allerlei Ketzerverbrennungen nach innen immer wieder der fatalen Versuchung erlegen, ihre Gutheit mit Gewalt durchzusetzen, sobald sie durch geschichtliche Konstellationen die Macht dazu bekommen hat.

Die Menschheit hat sich ausgiebig damit beschäftigt, wie Kriminelle mit ihren bösartigen Taten eingegrenzt werden können. Wenn aber Verbrechen ebenso von Gutmenschen begangen werden, dann müssen wir stärker darauf unser Augenmerk richten. Zumal jeder Mensch in sich einen Gutmenschen haben kann, der weiß, wie es eigentlich richtig laufen sollte und der dann bei entsprechender Machtmöglichkeit versucht sein kann, seine Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen.

Gutmenschentum muss unbedingt eingehegt werden, damit es nicht in der Hölle endet. Nur der sich selber begrenzende Gutmensch ist davor geschützt, zum Tyrannen und Brudermörder zu werden.

Jesus Christus hat die Grundsätze gelebt, mit denen das Gute vor dem Keim des Bösen bewahrt bleibt, der im Guten steckt:
Jesus hat niemanden denunziert, sondern mit allen das offene und direkte Gespräch gesucht.

Jesus hat auf Gewalt verzichtet und auf die Kraft des Wortes gesetzt.
Jesus hat niemanden dazu gezwungen, ihm zu folgen, sondern jedem die freie Eintscheidung gelassen; das schloss für ihn auch die Freiheit zum Schlechten ein, selbst wenn das (in Religion, Erziehung und Politik) manchmal unsäglich schwerfällt.

Für diese Grundsätze steht Jesus, obwohl ihm als Gottessohn größte Machtfülle zur Verfügung stand. Doch Jesus Christus wusste: Gewalt im Dialog um die Wahrheit ist das Mittel des Unfähigen. Konsequenterweise endete sein irdischer Lebensweg am Kreuz.

Doch hier kommt das Geheimnis des christlichen Glaubens ins Spiel: Der Satz des Hohepriesters Kaiphas ist das zeitlose Leitmotiv für die größten Brutalitäten der Menschheitsgeschichte. Jedoch nimmt Gott diesen fatalen Satz auf und verwandelt ihn am Kreuz Jesu zum größten Heil der Menschheitsgeschichte: „Es ist besser, dass ein Mensch für das Volk sterbe, als dass die ganze Menschheit verderbe. Das sagte Kaiphas aber nicht von sich aus, sondern weil er in dem Jahr Hohepriester war, weissagte er: Denn Jesus sollte sterben …, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen“ (Johannes 11,50-52).

Das christliche Bekenntnis zum allmächtigen Gott ist das Bekenntnis, dass Gott sogar aus einem der bösesten Mottos der Menschheitsgeschichte in seiner Gnade und Liebe in Jesus Christus das wunderbarste Motto des Heils machen kann: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3,16). An dieser Stelle küssen sich Karfreitag und Ostern, Sünde und Erlösung, Tod und Leben, tiefster Schmerz und größte Freude. Die Menschen gedachten es böse mit ihm zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen (vgl. Genesis 50,20).

Ostern leuchtet mir entgegen, dass Gott im Kreuz Jesu menschliche Fehler und Niedertracht in Heil verwandelt hat. In einer Welt, in der das Böse selbst durch Gutmenschen regieren kann, ist das für mich der tiefste Grund der Hoffnung und Zuversicht.

Mit herzlichen Grüßen für die Feiertage
Ihr
Achijah Zorn

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Kommentare ( 24 )

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Nibelung
1 Jahr her

Man könnte auch frei nach Konfuzius die sozialistischen Zustände mit einer seiner Weisheiten beschreiben:

Der Edle fordert alles durch sich selbst, der Unedle fordert es von anderen.

Damit ist eigentlich alles gesagt und ist auch identisch mit allerlei Bibelzitaten, die man nur mal wieder lesen sollte um auf den Pfad der Tugend zurück zu kommen, was andere große Geister schon lange vor uns als Leitfaden niedergeschrieben haben.

Man könnt auch noch sarkastisch sinnieren, wer nichts hat ist vom Verlust befreit, wobei die Geisteshaltung niemand nehmen kann, die bleibt auf ewiglich.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Das Problem ist und bleibt der Herdentrieb der Menschen. Während Jesus diesen Herdentrieb mit Liebe und Toleranz kanalisieren wollte, haben alle anderen diesen Weg nicht beschritten und die Herde mit Gewalt zusammengetrieben. Die Kirchen letztlich auch. Aus genau dem Grund, dass es alle anderen davor und danach genauso taten. Hätten wir eine Welt voller „Jesusse“, sie wäre eine bessere. Leider ist das nicht der Fall. Brutaler Gewalt begegnet man nicht mit Liebe und Toleranz. Damit dies funktionieren würde, müssten alle Menschen von Natur aus friedlich, kommunikativ und offen für Veränderung sein. Das sind sie aber leider nicht. Man erreicht nicht… Mehr

Marie
1 Jahr her

Glaube hat nichts mit Religion zu tun !
Es war die organisierte Religion, deren Herrscher auf den
Tod von Jesus bestanden:
„Weg mit IHM“ schrien die Hohepriester zu Pilatus:
„Kreuzige IHN“ zu lesen Johannes Evangelium Kap.19,15

Anglesachse
1 Jahr her

Kaum bekannt aber Geschichte:
Auch die Nazis sagten über sich und der Schoa, dass „dieser dreckige Job gemacht werden müsste, damit das Volk wieder rein werde.“
Mal gut darüber nachdenken!!!

verblichene Rose
1 Jahr her

Zitat: Zumal jeder Mensch in sich einen Gutmenschen haben kann, der weiß, wie es eigentlich richtig laufen sollte und der dann bei entsprechender Machtmöglichkeit versucht sein kann, seine Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen. Das sehe ich etwas differenzierter, denn ich bin ein „guter Mensch“! Ganz im Gegenteil aber hat nahezu jeder Mensch ein Teil des Bösen in sich. Leider sehen das aber die meisten Menschen offensichtlich nicht mehr so, denn sie tarnen es mit dem vermeintlich Guten. Mein Wegbegleiter (nicht nur in diesen Tagen) ist daher das Vater unser. Daraus insbesondere dieses: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem… Mehr

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  verblichene Rose

Es ist nach meinem Verständnis schon ein bisschen überheblich sich selbst als guten Menschen zu bezeichnen und sich damit über Andere erhaben zu fühlen. Wer entscheidet wer gut und wer böse ist? Was gut und was böse ist? Was richtig und was falsch ist? Welche Staatsform die richtige für ein Land ist? Ich selbst bin noch nicht aus Christlicher Kirche ausgetreten aber habe erhebliche Zweifel ob die Beiden Kirchen sich immer „Christlich“ verhalten. Nach meinem Verständnis nicht. Jeder Mensch ist ein Individum mit freier Meinung und dem Recht sich frei entfalten zu dürfen und so tolerant sollte man sein das… Mehr

verblichene Rose
1 Jahr her
Antworten an  Britsch

Sie haben meine leise Selbstkritik mittels Umkehrschluss nicht gut verstanden. Sie sind übrigens auch ein guter Mensch! Und als solcher kennen Sie Ihre innere Hemmschwelle, die verhindert, dass Sie böse werden, nur um Ihren Willen durch zu setzen. Und immer, wenn das bei manchen Leuten geschieht, sinkt aber meine Toleranzschwelle. Erhaben über andere bin ich dann allerdings noch lange nicht. Und das möchte ich auch nicht sein. Dieses Gefühl überlasse ich lieber denen, die nicht wissen, dass sie gerade böse sind. Was übrigens richtig ist, bestimmt sehr häufig mein Bauchgefühl, das dabei ständig abwägt, ob ich auch ja niemanden zu… Mehr

Warte nicht auf bessre zeiten
1 Jahr her

Gestern, zur „Todesstunde Jesu“, war ich zu einer musikalischen Andacht in einer romanischen Zisterzienserkirche in der Mark Brandenburg. Choräle um die „Wende“ vom Mittelalter zur Renaissance. Ein unglaubliches Klangerlebnis, bis der Pfarrer auf die Bühne trat mit Hilfe einer scheppernden Lautsprecheranlage. Zunächst noch aber inhaltlich angemessen. Er verlas die Golgatha-Geschichte aus dem Matthäusevangelium und zum Moment, da Jesus verstarb, einfach nur minutenlange Stille. Das war angemessen. Doch dann übernahm er die Rolle eines apokalyptsichen Reiters und faselte von Klimanotstand, vom bösen Kapitalismus, zitierte die Lichtgestalt Papst Franziskus, sprach von zunehmender Armut und aufgehender Schere zwischen Arm und Reich und das… Mehr

Britsch
1 Jahr her

Ich habe selbst noch keinen Pfarrer erlebt, kenne keinen der alles was er hat bis auf das absolut notwendige zum Überleben an Arme dieser Welt gab oder sene Wohnung / Räume bei Kälte nicht heizte. Füher gab es an Pfarrhäusern auch noch Pfarrgärten in denen für das Überleben Lebensmittel angebaut wurden,
könnte die Parrescghaft auch heutzutage noch machen um noch ein Bischen Mehr Abgeben zu können und nicht nur zu predigen Andere sollen abgeben.
Erst mal dazu stehen / vormachen was sie predigen

giesemann
1 Jahr her

Sowas kann sich auch nur ein Theologe ausdenken. Wegen der Erbsünde. Nach Augustinus von Hippo.

BrunoTheQuestionable
1 Jahr her
Antworten an  giesemann

Sorry Gretchen,
aber wer glaubt eine von Frauen dominierte Gesellschaft würde keine Grausamkeit kennen, glaubt auch Zitronenfalter würden Zitronen falten…

Waehler 21
1 Jahr her

Stimmt! Er hätte auch die Kraft eines Gottes einsetzen können. Hat er aber nicht.
Also warum? Er hat die Verantwortung für seine Reden und handeln übernommen. Denn hätte er es nicht getan , wären vieler seiner Anhänger verfolgt und getötet worden.
Die Kirche hat sich machtpolitisch pyramidal aufgestellt. Aber Christus war einer von allen. Einer von uns. Können das die Priester dieser Welt auch sagen?

oneofcommunity
1 Jahr her

Netter Artikel. Nur leider aus der Sicht einer der grössten repressiven Gutmenschenorganisation geschrieben. Zwang und Angst perfekt instrumentalisiert, das ergab Macht und Einfluss. Ich bin für die Selbstverzwergung der Kirche und die Aufklärung sehr Dankbar. Wenn das jetzt noch bei anderen sogenannten Religionen klappt werden es die Gutmenschen weniger einfach haben zu Terroristen zu mutieren. Glaube bedarf keiner Organisation von Unterdrückung, Zwang und Ausbeutung. Kirche nein danke!

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

Tue Gutes ist eben ein grundfalscher ethischer Grundsatz. Richtig wäre: Tue nichts Schlechtes. Nicht: Hilf allen. Sondern: Schade niemandem.

achijah
1 Jahr her

Es fällt auf, dass in den 10 Geboten in Ihrem Sinne geschrieben ist: Da steht nicht „du sollst die Wahrheit sagen“, sondern „du sollst nicht lügen“….

Was ist das
1 Jahr her
Antworten an  achijah

Das steht da eigentlich auch nicht, sondern „Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen“.