Politiker und „Experten“ spielen sich als die Wissenden auf, die unsere hochkomplexe Zivilisation von oben umfassend verstehen und transformieren können. Doch damit vertreiben sie als anmaßende Halbgötter die Menschen aus dem fruchtbaren Garten Eden.
Der Nobelpreisträger, Ökonom, Psychologe, Philosoph, Rechts- und Politikwissenschaftler Friedrich August von Hayek (1899-1992) hat vor der „Anmaßung von Wissen“ gewarnt: Unsere Gesellschaft ist zu komplex, um von Politikern oder Experten umfassend verstanden, geplant oder vorhergesagt werden zu können. Freiheitsbegabte Menschen in unendlichen Wechselwirkungsdynamiken entfalten sich in Märkten, die in ihrer Kraft und Kreativität nur geschwächt werden, wenn Machthaber sich diesen Märkten überlegen fühlen und aus einer vermeintlich höheren Warte heraus diese planwirtschaftlich modulieren wollen.
Während heutzutage Politiker allzu selbstsicher und siegesgewiss mit großer transformatorischer Selbstsicherheit in alle Bereiche der Gesellschaft eingreifen, hielt von Hayek die „Demut der Erkenntnis“ hoch: „In dem Glauben, dass Ökonomen die Kenntnis und die Macht besitzen, die Vorgänge in der Gesellschaft ganz nach unserem Gutdünken zu gestalten, eine Kenntnis, die wir in Wirklichkeit nicht besitzen, werden wir nur Schaden anrichten“.
Meines Erachtens wird das auch die Künstliche Intelligenz nicht ändern können. Mit deren Hilfe könnten Politiker und Ökonomen einen weiteren Anlauf in Richtung „kluge Planwirtschaft“ versuchen. Es liegt nicht an mangelnder (künstlicher) Intelligenz, dass wir das Zivilisationsystem nicht allseitig erfassen können, sondern an der Kontingenz des Systems. Hinter jeder „Anmaßung des Wissens“ steht also letztlich eine Menschenbild, dass die Menschlichkeit des Menschen nicht wahrhaben will, sondern sich über die menschliche Begrenztheit anmaßend hinausheben möchte.
Damit sind genau die Themen angeschnitten, um die es in der jüdisch-christlichen Überlieferung des „Sündenfalls“ geht (Genesis 3). Dort kommt die Schlange zu Adam und Eva und verlockt diese mit der „Anmaßung des Wissens“: „Da ihr von dem Baum der Erkenntnis esset (…) werdet ihr WISSEN, was gut und böse ist“ (Genesis 3,5).
Die Schlange kennt die Schwäche des Menschen: Menschen haben eine Neigung, das menschlich-allzumenschliche Fragen, Abwägen, Streiten und Ringen um das Gute hinter sich lassen zu wollen, um zum vermeintlichen Wissen zu gelangen. Menschen wollen WISSEN, welcher Beruf, welcher Partner, welche Politik, welcher Lebensstil, welche Haltung, welche Medizin einzig und alternativlos richtig ist. Menschen wollen in ihrer Erkenntnis nicht fragmentarisch-begrenzt-fehlerbehaftet sein. Menschen wollen nicht aus der Vergebung leben, sondern aus ihrem eigenen Wissen und Gutsein. Menschen wollen sich über sich selbst erheben und zu wissenden, gottähnlichen Übermenschen werden: „Da ihr von dem Baum der Erkenntnis esset, werden eure Augen aufgetan und ihr werdet sein wie Gott“ (Genesis 3,5).
Doch die Arroganz des Wissens schadet nur, wie es von Hayek sagt. Oder vertreibt aus dem fruchtbaren Garten Eden, wie es die Bibel sagt. Die Versprechungen, die die Schlange mit der „Anmaßung des Wissens“ verbindet, erfüllen sich gerade nicht.
Aus der Kugel Eis, die uns der Wissende aus der Partei der Allwissenden zur Energiewende versprochen hat, ist ein abgrundtiefes schwarzes Loch der Energieverteuerung und Energieverunsicherung geworden.
Aus der neuen kunterbunt-verjüngten Multikulti-Gesellschaft zur Sanierung der Rentenkassen, die uns die ehemalige FDJ-Funktionärin in der alternativlosen Erkenntnis des Guten und des Bösen versprochen hat, ist eine zusätzliche Überlastung der öffentlichen Haushalte geworden.
Aus dem grünen Wirtschaftswunder, das der wissende Kinderbuchautor konsequent und unerschütterlich umsetzt, ist die erschreckende Realität der Deindustrialisierung geworden, die sich wie ein Gespenst unserer Fabrikhallen bemächtigt.
Aus der Zerstörung Russlands durch Subventionen, die uns die wohlgeschminkte Außenministerin angepriesen hat, ist ein Bumerang geworden. Und der Fleischwolf in der Ukraine dreht sich ungeschminkt weiter.
Trotz mangelnder Daten behauptete unser Bundesgesundheitsminister in der Anmaßung des Wissens, dass die hastig entwickelten Impfungen gegen Schweinegrippe und Corona ganz sicher „wirksam und nebenwirkungsfrei“ seien.
Nicht umsonst wird die Schlange im weiteren Verlauf der Bibel „Diabolos“ (= „Durcheinanderwerfer“) genannt.
Von Hayek und die Bibel mahnen gegen die durcheinanderwerfende Anmaßung des Wissens zu bescheideneren Ansätzen. Lieber menschlich-allzumenschlich lediglich einen Millimeter in die richtige Richtung kriechen statt als vermeintliche Menschengötter mit angemaßtem Wissen in Richtung Abgrund stürmen.
Wir brauchen eine gesellschaftspolitische Demut, die das vielfältige Teilwissen und Engagement aller Bürger an der Basis stärker zum Zuge kommen lässt. Mit dem Ruf nach Bescheidenheit hat man zwar die Adams und Evas in der Geschichte selten vom Baum der angemaßten Erkenntnis weglocken können. Dennoch könnte dies die einzige Möglichkeit sein, in dem fruchtbaren Garten Eden zu bleiben.
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Es gibt ein horizontal zu erwerbendes Begreifen (durch Handeln) und das Theoriewissen, das auch nötig ist, aber das auch schnell kultisch und platonisch wird und gerne als Herrschaftswissen missbraucht wird. Über die Differenzen gibt es selbst bei Akademikern eher wenig Bewusstsein.
Das Christentum lehnt Religion primär über Wissen und damit Platons Lehre samt eines Theorie- Primats seit 2000 Jahren ab, Sie wussten und wissen, warum.
Ein sehr guter Beitrag! Ich komme in dem Buch (Bekenntnis eines Klimaleugners) auch zu der Quintessenz, dass man nicht nur in der Politik sondern auch in der Wissenschaft mehr Demut bräuchte und nicht dieses rechthaberische Geprahle “ Wir haben alles mit dem Klima verstanden“. Wie in diesem Buch genau belegt, hat selbst der „Weltklimarat“ eigentlich nichts verstanden. Aber er behauptet in seinem Sachstandsbericht No. 5 ganz am Anfang unter der Rubrik „Zusammenfassung für Politiker“ alles genau zu wissen. Sieht man sich aber die Fakten in der „Technischen Zusammenfassung“ an, erkennt selbst der Laie den Dilletantismus und die Chupze wie fragwürdigste… Mehr
Sie haben meine komplette Zustimmung! Ich gebe nichts, aber rein gar nichts mehr auf die sogenannten „Experten“! Ich verlasse mich auf mein Wissen, meine an vielen unterschiedlichen alternativen Stellen gesammelten Informationen und nicht zuletzt an meinem eigenen Denken und der Intuition … damit habe ich mich gegen diese mRNA Plörre entschieden, erfreue mich bester Gesundheit und habe das gefährliche C noch nie gehabt, im Gegensatz zu vielen Mehrfach- Beglückten in meinem Umfeld, die außer mit ständigen C- Infektionen plötzlich an allen möglichen Krankheiten leiden.
„Da ihr von dem Baum der Erkenntnis esset (…) werdet ihr wissen, was GUT UND BÖSE ist“ (Genesis 3,5). Mit dieser Betonung hat die Schlange nicht vor Wissen gewarnt, sondern vor der Hybris, gut und böse definieren zu können. Das ist nämlich einer der Ursünden der „Linken“: dass sie „wissen“, was das Beste für alle Menschen wäre. Daraus resultiert auch deren erbarmungslose Kompromissunfähigkeit, die dann naturgemäß die schlimmsten Folgen hat, da sich ja viele Interessen oder Ziele widersprechen. Wie ja auch der Kommunismus nie funktioniert hat und aufgrund der Natur der Menschen nie funktionieren wird. Das WISSEN wir („Rechten“) ja.… Mehr
Der Begriff „Experte“ ist kein geschützter Begriff und hat eine „Hyperinflation“ erlebt. Wie oft hört oder liest man täglich diesen Begriff? Die Welt wimmelt förmlich vor „Experten“. Dieser Begriff gaukelt Sachkenntnis vor, kann aber von jedem „Trottel“ für sich in Anspruch genommen werden. Wie bei jeder Hyperinflation ist das betroffene Objekt nichts mehr wert. Das betrifft Geld genauso, wie Begriffe und jeden anderen Artikel. Wenn ich das Wort „Experte“ höre oder lese, denke ich immer an den schönen Satz: „Die Arche Noah wurde von Laien gebaut, die Titanic von Experten….!“
Luischen Neubauer sagte neulich in einer Talkrunde allen Ernstes sinngemäß dieses:
„Wir Grüne sind besser gebildet und haben daher ein höheres Einkommen und einen höheren Lebensstandard. Das bringt mit sich, dass wir mehr fliegen. Aber weil wir durch unsere bessere Bildung mehr Wissen über die Umwelt und den Naturschutz haben, ist das ok, denn mit unserer Politik sorgen wir dafür, dass alle anderen weniger fliegen.“
Es gibt auf dem Youtube-Kanal von NIUS einen Beitrag dazu, in dem der entsprechende Ausschnitt auch zu sehen ist.
Thatcher hatte Recht: „There is no such thing as society.“ Recht in dem Sinne, dass Gesellschaft nichts als ein gedankliches Konstrukt ist und abstrakt. Eine Worthülse, die man nach Belieben nutzen kann, um Ansprüche an alle anderen Leute zu stellen. Denn wer definiert, wer die Gesellschaft ist und wer dazugehört? Gerade jetzt wird wieder versucht, eine „Gesellschaft“ zu definieren, zu der jene nicht gehören, die politisch anders denken. „Gesellschaft“ ist ein Begriff ohne verbindliche Kriterien. Wenn es selbst ein Volk nicht geben soll, wie das übliche politische Lager behauptet, obwohl sich die Existenz eines solchen aus faktischen, historischen und logischen… Mehr
Wissen ist immer gut, denn dumm sterben heißt an der Schönheit und Funktion der Welt vorbei zu gehen, wobei aber praktisches Wissen vordergründig sein sollte und das Wissen zur Erbauung weniger wichtig erscheint, weil es sonst zu diesem Zustand führt, indem wir uns derzeit befinden, denn es ist durch nichts bewiesen, daß Intelligenz zwingend notwendig ist, wenn es ehedem in die falsche Richtung verläuft.
Vielen Dank Herr Pfarrer Zorn! Ihre Ausführungen sind treffend und kurzweilig zu lesen, man kann die seit Jahren anhaltende Politik nur noch mit einem gehörigen Maß an Humor und Sarkasmus aushalten Bei Wahlen scheinen achtzig Prozent der Bürger nicht wirklich zu denken, auch eine Art von Wohlstandsverblödung, wie ich es nenne. Was mir jedoch auch noch durch den Kopf geht ist folgendes: Ein großes Problem der heutigen Politiker und vor allem auch der sogenannten Experten ist, dass sie keine schweren/ schlechten Zeiten mehr kennen, dass sie sehr wenig solides Wissen und danach die praktische Anwendung dieses Wissens in einer längerfristigen… Mehr
Dankeswerterweise nimmt sich ein evangelischer Pfarrer eines Themas an – wo sind eigentlich die Denker der Heiligen Mutter Kirche? -, das auch atheistische Zeitgenossen angesichts der groben westlichen Verwerfungen in diesem Jahrhundert beschäftigt.
Ob „FFF“, „Last Generation“, Klima-Hype uam, ihr gemeinsames Merkmal ist die Anmaßung, die Zukunft über Dekaden vorherzusagen, obgleich schon die wöchentliche Wetterprognose regelmäßig gegenteiliges beweist. Steht jene Hybris in Verbindung mit dem Glaube, das transzendente Christentum gegen „die Wissenschaft“ als mentalen Lebensanker austauschen zu können?
»Ein wenig Güte von Mensch zu Mensch ist besser als alle Liebe zur Menschheit« – Richard Dehmel (1863 – 1920)
@Raul Gutmann, sehe ich wie Sie. Die Menschen sind nicht einmal in der Lage zu wissen, was in der nächsten Sekunde passiert. Es heißt ja im Gebet schon:
„… Dein Wille geschehe…“
Genauso ist es. Gott läßt sich nicht ins Handwerk pfuschen.
„Da ihr von dem Baum der Erkenntnis esset, werden eure Augen aufgetan und ihr werdet sein wie Gott“ (Genesis 3,5). KI-Systeme sind letztlich verknüpfte Informationen (neuronale Netzwerke). Eigenständige Schlussfolgerungen und neue Erkenntnisse können von NN nicht aus dem Nichts generiert werden, solange zu einem Thema noch keine Informationen vorliegen. Grundlagenforschung und Wissenschaft bleiben also von zentraler Bedeutung. Es ist auch nicht so, dass KI-generierte Schlussfolgerungen und Erkenntnisse immer richtig oder zielführend sind. Es bedarf in der Regel noch menschlicher Kritik, Einordnung und Begutachtung. Ein NN ist typischerweise spezifisch für ein bestimmtes Fachgebiet, z. B. ein NN der Medizin für die… Mehr