„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du unser Land verlassen?“

Es gab in den letzten Jahren gesellschaftlich einiges, was der Autor als Gottesferne erfahren hat. Und doch tröstet ihn ungemein, dass Jesus in seinem Leid und in seinem Schmerz und in seiner gefühlten Gottverlassenheit immer noch ruft: „Mein Gott, mein Gott.“

Ostern 2020: Kein kirchlicher Würdenträger, sondern Bill Gates darf zu Ostern in den Tagesthemen ausführlich (über 9 Minuten) seine Ansichten verbreiten. Seine Osterbotschaft ist Impfstoff-Optimismus und eine Ansage, die in meinen liberalen Ohren als schreckliche Drohung und Prophezeiung ankam: „Wir wollen den Impfstoff sieben Milliarden Menschen verabreichen“; nicht „anbieten“, sondern „verabreichen“. Bereits Ostern 2020 versuchten Pharmaindustrie und Medien, die allgemeine Impfpflicht einem Millionenpublikum schmackhaft zu machen.

Weihnachten 2020: Genau zu Weihnachten startet die Impfkampagne in der Bundesrepublik. Der Stern bringt das Coronafest mit seinem Titelbild ikonographisch auf den Punkt: Die Heiligen Drei Könige bringen den Impfstoff zum Jesuskind an die Krippe; das Impfstoff-Fläschchen hat wie das Christuskind die Reinheitsfarbe Weiß; der Impfstoff ist aber größer als das Christuskind und steht im Vordergrund. Im nachchristlichen Zeitalter kommt das Heil innerweltlich und von Menschen. Das wahrhaft Heilige verkommt zur leeren Staffage.

Karfreitag 2021: Damals wurde gegenüber unserer Wohnung ein Impfzentrum betrieben. Dort wurde genau zu Karfreitag das Sakrament der Biotechnologie gespendet. In der kirchlichen Tradition war Karfreitag ein „stiller Feiertag“; doch jetzt standen schon morgens in der Frühe am Impfzentrum lange Schlangen von gefühlten jeweils 100 Pilgern in zwei Richtungen. „Lieber Pfarrer Zorn, bitte entschuldigen Sie mich am Karfreitagsgottesdienst; da habe ich meinen Impftermin.“

Zum Karfreitagsgottesdienst kamen weniger als 10 Besucher. Die religiöse Musik spielte woanders; bei dem „Impfstoffwunder“ und bei der „Impfwissenschaft, die uns erlösen kann“, so Julian Reichelt in der Bild vom 1.3.2021. Erlösung wird zu einer Mischung aus wissenschaftlicher Erfindung, politischer Beschaffungslogistik und menschlich-williger Impfbereitschaft.

Ist es Zufall, dass entscheidende Meilensteine der Covidkultur ausgerechnet an den Tagen der drei hochchristlichen Feste platziert wurden?

Ist es Zufall, dass in Deutschland die christlichen Kirchen genau in der Zeit der Corona-Pan(ik)demie ihre Mehrheit verloren haben und mittlerweile weniger als 50 Prozent der Einwohner einer christlichen Kirche angehören?

Ein selten-kritischer Kollege sagte mir folgende Sätze, die mich in der Pan(ik)demie immer wieder eingeholt haben: „Die Corona-Kultur und die christliche Kultur stehen sich diametral entgegen. Die christliche Kultur will Begegnung und Nähe zwischen Menschen und mit Gott im gemeinschaftlichen Gottesdienst. Die Corona-Kultur aber will Distanz und Trennung, denn jeder Mitmensch wird als potentielle Todesgefahr gebrandmarkt. Ist aber Corona tatsächlich so eine gefährliche Krankheit, dass wir diesen Kulturbruch vollziehen mussten? Kann es sein, dass dieser Kulturbruch mit dem christlichen Glauben uns letztlich wesentlich mehr Schaden zufügt als die Krankheit Corona? Ich verstehe meine Amtskirche nicht, dass sie bei diesem Kulturbruch vorne weg dabei ist.“

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Dieser verzweifelte Schrei Jesu am Kreuz ist mir in den Tiefen der letzten Jahre näher gekommen. Es gab gesellschaftlich einiges, was ich als Gottesferne erfahren habe. Und doch tröstet mich ungemein, dass Jesus in seinem Leid und in seinem Schmerz und in seiner gefühlten Gottverlassenheit immer noch ruft: „Mein Gott, mein Gott.“

Selbst als Jesus körperlich und geistig am Ende war – die Beziehung zu Gott ist weiter da. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Brücke zu Gott nicht nur von menschlicher Seite aus gebaut werden muss. Spirituell war es nicht meine Amts-Kirche und politisch war es nicht meine Regierung, die mich die letzten Jahre innerlich getragen haben. Es war die Gewissheit, dass die Freundschaft zu Gott bleibt, selbst wenn vieles Wichtige und Vertraute um mich herum einstürzt.

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Kommentare ( 56 )

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bibione48
2 Jahre her

Wenn die Menschen gottlos werden, sind
Regierungen ratlos
Lügen grenzenlos
Schulden zahllos
Besprechungen ergebnislos
Aufklärungen hirnlos
Christen gebetslos
Kirchen kraftlos
Völker friedlos
Sitten zügellos
Moden schamlos
Konferenzen endlos
Aussichten TROSTLOS
Der Verfasser ist nicht bekannt. Ich finde jedoch, dass diese Aussagen zum derzeitigen Zustand in der Welt passen.

Teiresias
2 Jahre her

Ich würde auch gehen, wenn ich könnte.

Skeptiker
2 Jahre her

Treffend gesagt. Schade nur, dass ich die (ev.) Kirche nicht aus Protest verlassen kann – weil ich das schon vor mehr als 50 Jahren aus Überzeugung getan habe.

eld
2 Jahre her

Ich habe die katholische Kirche verlassen, nicht aber den katholischen Glauben. Will heißen, dieser Club bekommt von mir keinen müden Euro mehr. Gottesdienste besuche ich dennoch.

Klaus Kabel
2 Jahre her

Vielleicht weil sich Gott von dem Land der Pharisäer abwendet, da sie moralisch selbst über Gott stehen.
„Ihr Pharisäer, ihr macht den Becher und die Schüssel außen sauber, aber innen seid ihr voll von Gier und Schlechtigkeit. Ihr Unvernünftigen! Hat nicht der, der das Äußere gemacht hat, auch das Innere gemacht?“ (Lukas 11:39, 40).
„Wehe euch, ihr Gesetzesexperten! Denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis  weggenommen. Selbst seid ihr nicht hineingegangen, hindert aber auch alle, die hineinwollen“ (Lukas 11:52).

Last edited 2 Jahre her by Klaus Kabel
HRR
2 Jahre her

„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du unser Land verlassen?“

Weil sich die Politiker und die Kirchenmänner immer ähnlicher werden. Keine der beiden Seiten vertritt mehr den rechten und wahren Glauben!

F.Peter
2 Jahre her

“ Ist es Zufall, dass entscheidende Meilensteine der Covidkultur ausgerechnet an den Tagen der drei hochchristlichen Feste platziert wurden?“ – Sicherlich nicht. Inzwischen wird mit allen psyschologischen und manipuliativen Tricks gearbeitet, um die Bevölkerung dorthin zu manövrieren, wo man sie gerne hätte. Mal abwarten. Später im Jahr ist ja noch die Fußball-WM… mal schauen, was in deren Dunstkreis noch „in die Welt“ gesetzt wird…

Jean B.
2 Jahre her

Erstmal vielen Dank für Ihre Sonntags-Kollumne und ein frohes Osterfest!
Natürlich gehts um das Hinaus-Expedieren der christlichen Botschaft.
Auch mir ein großes Rätsel warum die Kirche mit solcher Vehemenz nach den vielen Verfehlungen ihrer Vergangenheit mitmacht, anstatt für ihren Glauben einzustehen.

elly
2 Jahre her

„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du unser Land verlassen?“
nun vielleicht ist Gott einfach nur angewidert von der Scheinheiligkeit des Volkes in diesem Land. Ein Volk, das sein „Gutemenschentum“ wie eine Monstranz vor sich herträgt, dieses Gutmenschentum aber von den Steuerzahlern finanzieren lässt. Egal, ob subventioniertes Solar auf dem Dach und e-Auto oder unkontrollierte Einwanderung in die soziale Hängematte oder oder oder ….
Ein Volk, das sich in seiner Empörungskultur suhlt, sich als Moralapostel der Welt aufführt und das sich derzeit auf dem Kriegspfad befindet.

AJMazurek
2 Jahre her

Nicht Gott hat uns verlassen, wir haben Ihn ausgesperrt, Er ist ja den Besserwissern immer im Wege…

Last edited 2 Jahre her by AJMazurek
F.Peter
2 Jahre her
Antworten an  AJMazurek

Es ist die menschliche Anmaßung, sich nicht nur mehr als die „Krone der Schöpfung“ zu sehen, nee, inzwischen sind wohl viele der Ansicht, wir seien die Schöpfer!