Der erste KI-Gottesdienst in Deutschland

Hinter einem Buch sind echte Menschen als Autoren erkennbar, während hinter einem KI-Gottesdienst eine gesichtslose Fülle an weltweiten Äußerungen im Internet steckt, aus der die KI mithilfe von mathematischen Kodierungen selbständig etwas Neues zusammenbastelt.

IMAGO / epd

In diesem Monat, Juni 2023, gab es in Nürnberg den ersten Gottesdienst, der zu 97 Prozent von mathematischen Algorithmen generiert wurde. Nur einige grobe Leitplanken wie das Thema „Zeit“ und die Form „Gottesdienst“ stammten von einem Menschen als „Prompts“ (Eingabeaufforderungen). Der Rest inklusive digitaler Musik kam aus der Maschine.

Digital-künstliche Menschenabbilder („Avatare“) auf der Leinwand beteten, predigten und lasen aus der Bibel. Dabei weiß die Künstliche Intelligenz (KI) um ihre eigene religiöse Grundverfassung: „Ich kann selber keine Beziehung zu Gott aufbauen, aber ich kann Menschen helfen, eine Beziehung zu Gott aufzubauen.“ Ist der KI-Gottesdienst in dieser Hinsicht vergleichbar mit einem religiösen Buch? Das Buch als Buch baut selber keine Beziehung zu Gott auf, aber sein Inhalt kann helfen, eine Beziehung zu Gott aufzubauen. Mit dem Unterschied, dass hinter einem Buch echte Menschen als Autoren erkennbar sind, während hinter einem KI-Gottesdienst eine gesichtslose Fülle an weltweiten Äußerungen im Internet steckt, aus der die KI mithilfe von mathematischen Kodierungen selbständig etwas Neues zusammenbastelt.

Sogar der Segen kam vom Computer; mit der freundlichen Einleitung: „Ich hoffe, dieser Segen entspricht euren Erwartungen und Wünschen.“ Eine neumodische Dienstleistungsmentalität, in der das Evangelium den Gesetzen des Marktes und den zeitgeistigen Wünschen der Menschen unterworfen wird.

Zum Gottesdienst, den ich im Internet mitverfolgt habe, gibt es eigentlich nur Folgendes zu sagen: Die Stimmen klangen 45 Minuten wie ein seelenloses Navigationsgerät mit der emotionalen Wärme einer Mülltonne. Die größte Kunst bestand darin, nicht einzuschlafen, was mir beinahe gelungen wäre.

Inhaltlich war der Gottesdienst eine Anreihung von religiösen Standardfloskeln, moralischen Binsenweisheiten und sonstigem Internet-Allerlei zum Thema Zeit, ohne roten Faden und ohne Dramaturgie. Der KI mangelt es noch an der wichtigsten Fähigkeit, die es heute im Internet braucht: die Fähigkeit zur Mülltrennung.

Inhaltlich blieb mir von der Predigt nur ein Gedanke in Erinnerung: „Es ist Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich der Zukunft zuzuwenden. Darum ist auch die Künstliche Intelligenz bemüht, Altes hinter sich zu lassen, ständig zu lernen, um die Zukunft erobern zu können.“ Die KI, die keinerlei Selbstbewusstsein hat, scheint durchaus selbstbewusst der Zukunft entgegenzugehen.

Da die KI eine Innovation ist, die sich mit großer Geschwindigkeit verbessert, könnte es sein, dass sich in 2 bis 3 Jahren der Klang der Stimmen echten menschlichen Stimmen annähern wird und dass sich Inhalt und Rhetorik wesentlich verbessern werden. Der Weg vom ersten Mercedes bis zur S-Klasse könnte in diesem Bereich rasend schnell gehen. Das kann Angst machen. Andere sind begeistert: der große Durchbruch hin zum Transhumanismus. Die Evolution des Menschen macht einen qualitativen Sprung nach vorne durch die Verschmelzung von Mensch und Maschine.

Der Kulturpessimist Oswald Spengler hat in seinem Buch „Der Mensch und die Technik“ diese Entwicklung als Dystopie vorausgesehen: Der Mensch als der eigentliche Herr der Welt „wird zum Sklaven der Maschine“. Die Amish-People in den USA sehen das ähnlich und verweigern sich darum seit Jahrhunderten der Technik. Damit sind sie manchmal gut gefahren. Sie haben mit Corona im April 2020 vorsichtig Erfahrungen gesammelt; als sie dabei gemerkt haben, dass Corona für ihre Gemeinschaft nicht existenzgefährdend war, haben sie ganz normal wie immer weitergelebt, ohne Lockdowns, ohne Masken, ohne Testerei, ohne Impfung, sogar weiterhin mit einem einzigen Gemeinschaftskelch beim Abendmahl, aus dem die ganze Gemeinde nacheinander getrunken hat. Als man einen Amish gefragt hat, warum die Amish-Gemeinschaft die Coronazeit so gut überstanden hätte, soll dieser trocken geantwortet haben: „Ganz einfach. Wir haben keine Fernseher und Radios.“

Sollten uns die Amish darin Vorbild sein, auf den Transhumanismus und die Künstliche Intelligenz zu verzichten? Sind diese scheinbar rückständigen Menschen die Herren der Welt geblieben, während wir mehr und mehr zu Sklaven der Propaganda und des Computers degenerieren und das dann noch beschönigend „Transhumanismus“ nennen?

Oder würde es uns mit einer Amish-Mentalität ergehen wie dem Osmanischen Reich, das 1485 die Einführung des Buchdrucks für persische, arabische und damit auch osmanische Buchstaben verboten hatte. Während 1800 bereits 50 Prozent der Deutschen lesen und schreiben konnten, war das Osmanische Reich erstarrt. Nicht mal 5 Prozent der Bewohner konnten lesen. Als dann Napoleon Ägypten erobert hat, war der Schock groß. Doch ein Mob zerstört die Druckerpresse, die die Franzosen nach Kairo gebracht haben. „Boko Haram“ – „Bücher sind Sünde“.

Dies zeigt, wohin eine „KI-Haram“ führen könnte: in eine hoffnungslose Rückständigkeit in einer nach vorne strebenden Welt.

Vielleicht gibt es die Möglichkeit eines Mittelwegs. Dass wir die KI fleißig in vielen Bereichen nutzen, wo sie Vorteile bringt; aber im Bereich des Gottesdienstes höchstens für die Gottesdienstvorbereitung. In Gottesdiensten geht es um eine spirituelle Liebesbeziehung mit Gott und um menschliche Gemeinschaft; bei Herzensthemen wie Vertrauen, Geborgenheit, Liebe und Hoffnung, da sind mathematische Algorithmen letztlich heillos überfordert.

Wir leben in aufwühlenden Zeiten. Es braucht freie Bürger, die offen sind für die Segnungen neuer Technologien und die gleichzeitig ein waches Gespür haben für die versklavende Macht der Maschine.


Zum Thema Künstliche Intelligenz >>>

Ein Gespräch mit Patrick Glauner, Professor für Künstliche Intelligenz. Er berät Politiker und verrät, was sich hinter Big Data, Bildverstehen und Sprachverarbeitung verbirgt und was man damit anfangen kann:

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Kommentare ( 18 )

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Michael B.
1 Jahr her

> Die größte Kunst bestand darin, nicht einzuschlafen, was mir beinahe gelungen wäre. Das geht mir in Gottesdiensten oefter so. Und es liegt nicht daran, dass ich Atheist bin. Ich bin immer dafuer, aus allen Dingen Honig zu ziehen. Und das sollte die Kirche auch tun. Man kann naemlich eine Menge Selbstkritik an dieser Wunde anheften, die die AI nur deutlich hervorhebt. DAS allerdings ist keine Staerke der Kirche generell und der Zeitgeistigen schon gar nicht. Der ist im Prinzip ohne Not mittlerweile jeder Zugang zur Selbstreflexion verstellt. Generell: Ich schreibe ja Software von Berufs wegen. Ich nutze diese AI… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Michael B.
Nibelung
1 Jahr her

KI in Richung Kommunikation mit Gott ist überflüssig, denn seine maßlosen Stellvertreter braucht weder er noch seine Schäfchen, denn man kann schon seit 2000 Jahren direkt vom stillen Kämmerchen an ihn heran treten und deshalb sind sie und ihre Frankensteins völlig überflüssig und an diesem Wahn werden sie noch selbst ersticken, weil sie die Folgen nicht bedenken, die im negativen Sinne daraus erwachsen können. Auch zu diesem Thema gibt es schon genügend Rufer in der Wüste, die allesamt nicht gehört werden, weil das schon immer so war und selbst vom Baum der Erkenntnis haben sie nichts gelernt, weil das Universum… Mehr

Bernd Simonis
1 Jahr her

Ich hielt den Artikel hier für einen Scherz zuerst. Das tun sich Gläubige an?

h.milde
1 Jahr her

P.S.
Ein Beweis für die schon übernatürliche Dummheit & queere Logik der sog. „Evangelischen Kirche“ sah ich neulich in der Stadt der Gebrüder Grimm an einer Kirche bei Schloß Phillipsruhe am Mainufer, 2 große Plakate, bzw. Schilder:
„Offen für Vielfalt!“ & „Geschlossen für Ausgrenzung!“
Aus welchem der 9 Kreise aus Dantes Inferno stammt wohl diese „Weisheit“?
Miserere

h.milde
1 Jahr her

Sehr geehrter Herr Pfarrer Zorn. Daß die sog. „evangelische Kirche“, aber auch große Teile der RK unter Bergoglio, sich einer „Queeren Göttlichkeitsideologie“, besser bekannt als „Woke-Sozialismus“ unterworfen hat, ist offen beschlossen & verkündet. Daher ist es logisch & konsquent sich künstliche Intelligenz dazu zu kaufen, weil natürliche Dummheit eben nicht mehr ausreicht, dünngläubige Heloten zu bespaßen. „…..Und ich sah in der rechten Hand des, der auf dem Thron saß ein Buch, beschrieben inwendig und auswendig, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen Engel, der rief aus mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun, und seine Siegel zu… Mehr

Last edited 1 Jahr her by h.milde
Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Die Gottesdienste werden entweder ohne KI sein oder sie werden nicht sein.

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

So groß dürfte der Unterschied nicht sein. Ein menschlicher Pfarrer leiert eigentlich auch nur die immer gleichen Textbausteine runter. Und diesen alten Sermon um ein bisshen Klima und Gender ergänzen kann eine KI auch. Nietzsche hatte schon Recht. Gott ist tot. Und es war nicht die Wissenschaft, die ihn getötet hat. Nicht die Physiker, die den Donner ohne hammerschwingenden Gott erklären konnten. Nicht die Mediziner und Biologen, die Mikroorganismen statt göttlicher Strafen endeckten und von Evolution erzählten. Getötet hat eine Gesellschaft, die mit dem Mysterium nichts mehr anfangen kann. Aber ohne Mysterium keine Transzendenz. Es bleibt nur salbungsvolles Geschwätz. Einen… Mehr

friedrich - wilhelm
1 Jahr her

….ist nietzsches klage, dass gott tot sei eigentlich wort-, wörtlich gegenwärtig? da gibt es noch andere aussagen, bekannter, die das auch aussagen, zum beispiel jean paul mit seiner rede des toten christus vom weltgebäude herab, dass kein gott sei!

Last edited 1 Jahr her by friedrich - wilhelm
Querdenker73
1 Jahr her

Gott als Ergebnis mathematischer Algorithmen! Klasse Aussicht! Und wer definiert diese? Jetzt wird mir der grüne Unsinn auf dem evangelischen Kirchentag langsam klar.. Aber Eines irritiert mich dabei doch noch: Wer von den grünen Irrlichtern weiß denn was mit ‚Algorithmen‘ anzufangen, geschweige denn mit ihnen umzugehen?? Mein Gott, lass bitte Hirn regnen und treffe bitte Deine Apologeten, Amen!

Andreas Meier
1 Jahr her

Kürzlich habe ich mir auch mal interessehalber eine Predigt von ChatGPT erstellen lassen. Alles richtig, aber so, wie Sie sagen. Eine Predigt, erstellt ohne Heiligen Geist. Bezeichnenderweise aber eine typische Predigt, wie in (Frei-)Kirchen üblich. Es besteht ein Systemfehler: Die Predigt soll aus dem WORT kommen, also als Wissens-Datenbank die Bibel verwenden. ChatGPT benutzt eine Datenbank aus dem Internet. Es wird nicht gegen die Bibel geprüft 1Thes5,21. Und bei wem würde man – im Falle einer abweichenden Lehre – ein Nachgespräch einfordern? Wenn die Kirche die Braut Christi ist, und derartig agiert, dann ist die Braut ganz offensichtlich zur Gummipuppe… Mehr

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1 Jahr her

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