Vom 11. bis 15. Januar 2021 tagte die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland, das „Parlament“ der evangelischen Christen zwischen Saarbrücken und Emmerich. Dort wurde ein Impulspapier für die Zukunft der Kirche vorgestellt und von dem Kirchenparlament an die Kirchenleitung zur Weiterarbeit übergeben.
In diesem Impulspapier wird die Kirche als „Lobbyistin der GOTT-Offenheit“ definiert.
„Lobbyistin für GOTT-Offenheit“ – das ist eine sehr praktische Wortkonststruktion. Hier werden die Türen zu allen Seiten hin geöffnet. „GOTT-Offenheit“ ist vielfältig und universell anschlussfähig; fast alle können sich irgendwie unter diesem kleinsten Nenner wiederfinden:
– der Esoteriker und der Gewohnheitsgläubige
– der schamanische Heiler und der Agnostiker, der ja auch gegenüber einem potentiellen Gott nicht völlig verschlossen ist
– der Wissenschafter, der das Mysterium des Universums bestaunt und der Buddhist, der die Buddhanatur in allen Menschen als eine Art Gott verehrt
– vielleicht sogar auch die AktivistInnen von Seawatch und Fridays For Future.
„GOTT-Offenheit“, der neue Markenkern einer Kirche, die sich als Braut für viele neue PartnerInnen attraktiv, bündnisfähig und kooperationswillig machen möchte.
Allerdings hat diese Wortkonstruktion einen Nachteil. Die Identität der Kirche geht verloren.
So wie meine eigene Liebesidentität verloren gegangen wäre, wenn ich meiner Frau vor dem Traualtar versprochen hätte: „Ich möchte dich heiraten, denn ich bin ein Lobbyist für Frauen-Offenheit.“
Die Identität des 5-Sterne-Restaurants ginge verloren, wenn es zur „Lobbyistin für Nahrungsmittel-Offenheit“ würde.
Die Identität von BMW und “Freude am Fahren” ginge verloren, wenn die Firma zu einer “Lobbyistin für motorisierte Fortbewegungs-Offenheit” würde.
Die Identität der CDU ginge verloren, wenn sie zu einer „Lobbyyistin für Macht-Offenheit“ würde.
Und die Identität des Zahnarztes ginge verloren, wenn er zu einem „Lobbyist für Mund-Offenheit“ würde.
Der Begriff der Kirche als „Lobbyistin der GOTT-Offenheit“ ist sicherlich nicht falsch. Und doch geht dieser identitätsschwache Begriff auf eklatante Weise am Kern des christlichen Glaubens vorbei.
In der deutschen Sprache ist das Wort „Glauben“ mit dem Wort „Lieben“ etymologisch verwandt. Damit wird schon sprachlich deutlich, dass Glaube weit mehr ist als eine blasse „GOTT-Offenheit“. Glaube ist eine Liebesbeziehung. Aber wenn es um Liebe geht, dann ist es entscheidend, wer konkret auf der anderen Seite unser Liebespartner ist.
Darum haben die Reformatoren die Kirche als „Lobbyistin für die frohe Botschaft von Jesus Christus und für die Sakramente Taufe und Abendmahl“ umschrieben (vergleiche Confessio Augustana 7). In den evangelischen Bekenntnisschriften geht es also nicht um eine nebulöse „GOTT-Offenheit“; in den evangelischen Bekenntnisschriften bekommt Gott ein Gesicht und einen Charakter: Freude in Jesus Christus, reinwaschende Vergebung (Taufe) und stärkende Gemeinschaft (Abendmahl) stehen im Mittelpunkt.
Das ist vielleicht nicht so leicht anschluss- und bündnisfähig zu anderen Religionen und Kulturschaffenden. Aber das ist genug, um Trost im Leben und im Sterben zu finden.